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um sie herabzuwürdigen: primitiv, tribal, urban, Street, Slang, Dritte Welt – um nur einige zu nennen.

      Wir Frauen dagegen »finden uns herabgesetzt oder werden weich durch scheinbar harmlose Vorwürfe, wir seien kindisch, es mangele uns an Universalität, wir seien selbstbezogen und sinnlich«5, schrieb die schwarze feministische lesbische Dichterin Audre Lorde in »Dichten ist kein Luxus«. Wir werden einer Gehirnwäsche unterzogen, damit wir unseren Formen des Wissens misstrauen, die als feminin kategorisiert werden können, weil das Wort feminin so stark missbraucht worden ist. In ihren Texten bezog sich Lorde häufig auf die »schwarze Mutter« als eine verkörperte weibliche Weisheit, eine Quelle »jener dunklen und wahren Tiefe, der das Verständnis dient, seine Aufwartung macht und die es durch die Sprache uns selbst und anderen zugänglich macht«.6

      Afrikanische feministische Wissenssysteme durchdringen den Feminismus mit dem Wissen der metaphorischen schwarzen Mutter. Sie führen eine Liebe für die Seele ein, wie die Schriftstellerin Alice Walker sagte, als sie ihre einflussreiche Theorie des Womanism definierte. Seele hat für unterschiedliche Menschen unterschiedliche Bedeutungen. Ich verwende den Begriff, um ein individuelles und kollektives inneres Wesen zu beschreiben, das unseren Charakter, unsere Stimmungen, Überzeugungen, Erinnerungen und Haltungen ausmacht. Wissen mit Seele zu durchdringen bedeutet also, die Künste, den Tanz, Sprichwörter, rituelle Texte, Versepen, musikalische Traditionen, Schöpfungsmythen, Lebensgeschichten, Frauentraditionen und Utopien, all jene Dinge, von denen man sagen könnte, dass sie etwas mit der Seele zu tun haben, als Quellen der Erkenntnis anzusehen.

      Indem ich das Feminine und das Maskuline, das Messbare und das Unermessliche, Natur und Technologie, Geschichte und Futurismus, das Lokale und das Globale, die Intimität der Poesie und die Leidenschaftslosigkeit der Wissenschaft, die Schubkraft der politischen Realität und die Zartheit der Künste, das intuitive Wissen der Mythologie und das kritische Denken des Intellektualismus auf eine interdisziplinäre Weise miteinander verflechte, die aus einer ganzen Reihe von Traditionen, Ideologien und Gedankenströmungen schöpft, biete ich Sinnliches Wissen als meinen bescheidenen Versuch an, einen Samen einzupflanzen, der aufblühen könnte in einer hoffentlich anregenden afrikazentrierten, frauenzentrierten und schwarzen feministischen Synthese innerhalb der Ernte universeller Ideen.

      Als die zweite Entdeckerin von ihrer Reise auf den Berg heimkehrte, begeisterte ihre Version des Berichts die Menschen in der Stadt. Ihre Augen leuchteten vor Liebe, wenn sie über diesen vor Üppigkeit strotzenden Berg sprachen. Sie wollten den Berg beschützen, da er ein Teil ihrer kollektiven Identität wurde. Jahrhunderte später, als der Anstieg der Kohlendioxidemissionen die Flora des Berges bedrohte, zögerten die Stadtbewohner:innen nicht, seiner Bewahrung oberste Priorität einzuräumen. Welche Spaltungen zwischen ihnen auch entstanden sein mochten, sie waren nun belanglos, da sie sich in dem Bemühen zusammentaten, ihren geliebten Berg zu retten. Weil sie den Berg als Ganzes gesehen hatten, aus allen Blickwinkeln, wussten sie, dass abweichende Ansichten zwar eine Herausforderung darstellten, jedoch auch ein tieferes Verständnis der Welt erzeugten.

      Die nun folgenden Kapitel sind Schilderungen von der anderen Seite des Berges. Als solche sollen sie keine endgültigen Aussagen über die darin angesprochenen Themen treffen. Stattdessen sollen sie eine Untersuchung von Ideen darstellen, die hoffentlich Leser:innen inspirieren wird, über ihre eigenen Ansichten nachzudenken und diese auszuformulieren.

      Wir werden unsere Erkundung beginnen, indem wir von der alten Yoruba-Zivilisation in Ile-Ife ins Silicon Valley und wieder zurück reisen, auf der Suche nach einer neuen Interpretation von Wissen. Als Nächstes erkunden wir mit der Hilfe von Künstler:innen, Mystiker:innen und Revolutionär:innen die Befreiung. Mit Rudern aus ererbtem feministischem Wissen werden wir die Ufer der Dekolonisierung ansteuern. Wir werden Identität als Kompass und als Gemeingut betrachten. Wir werden Griots, Wissenschaftler:innen und Göttinnen willkommen heißen, die aus vergangenen Epochen gereist kommen, um uns Geschichten über das Schwarzsein und das Frausein zu erzählen. Wir werden uns durch Geografien bewegen und im Bergland von Fouta Djallon, im alten Ägypten, in Südafrika und im Yorubaland nach »Blautönen« suchen, und wir werden zurückkehren mit einer neuen Bedeutung für den feministischen Grundsatz »Schwesternschaft ist mächtig«. Wir werden drei Flüsse befahren – den Jangtse, die Themse und den Niger –, um ein ermächtigendes Verständnis von Macht zu entdecken und zu erfahren, wie historische Begegnungen entlang von Flüssen die heutigen Machtverhältnisse geprägt haben. Schließlich werden wir unsere Reise damit beenden, dass wir regionen- und generationenübergreifend die Vorstellung von Schönheit erkunden.

      Ja, wir werden die europatriarchalische Voreingenommenheit des Wissens infrage stellen, aber nicht auf Kosten der Seele – das heißt, des Wunders, der Freude, der Verkörperung, der Poesie und des Spiels, oder dessen, was wir schlicht als das Sinnliche bezeichnen können.

      Vom Wissen

      Worauf Poesie folgen oder lieber vorher durchgenommen werden würde, da sie weniger zart und fein ist, aber einfacher, sinnlicher und leidenschaftlicher.

      JOHN MILTON7

      Revolutionärer Wandel richtet sich nicht in erster Linie gegen die repressiven Situationen, sondern gegen den Anteil des Unterdrückers, der tief in jedem von uns eingepflanzt ist und der allein mit den Taktiken des Unterdrückers vertraut ist, mit seinen Beziehungsformen.

      AUDRE LORDE8

      Am Anfang gab es nur den Himmel, das Meer und die Gött:innen. Olokun war die Göttin des Meeres, und Olorun war der Gott des Himmels. Eines Tages bat Obatala, der Gott der Schöpfung, den Gott des Himmels darum, Land und Lebewesen erschaffen zu dürfen, um seine Langeweile zu lindern. Olorun stimmte zu, und Obatala erschuf Ile-Ife, die große Stadt, die noch immer die Wiege der Yoruba-Zivilisation ist. Als Olokun jedoch herausfand, dass Obatala in ihrem Hoheitsgebiet Erde und Land geschaffen hatte, ohne sie zu fragen, rächte sie sich mit einer großen Flut, die die erste Stadt der Menschheit überschwemmte.

      Ile-Ife wurde schließlich wiederaufgebaut und wurde zu »ondaiye (der Ort der Schöpfung), orirun (die Quelle des Lebens) und ibi oju ti nmo wa (der Ort, von dem die Sonne oder die Aufklärung aufsteigt)«, wie der bedeutende Gelehrte Stephen Adebanji Akintoye Ile-Ife in A History of the Yoruba People beschreibt. Aber in jenem neuen Ile-Ife war die leuchtende Stärke der weiblichen Weisheit aus dem Gleichgewicht geraten, und die Geschlechter waren fortan gefangen in einem endlosen Machtkampf.

      Um zu gedeihen, erhielten die Menschen ogbon, was auf Wissen verweist, oder auf phronesis (praktische Weisheit). Die Gött:innen wussten jedoch, dass ogbon sowohl den Verstand als auch das Herz der Menschen erreichen musste. Also teilten sie ogbon auf in ogbon-ori und ogbon-inu, Begriffe, die wörtlich übersetzt »Wissen des Kopfes« und »Wissen des Bauches« bedeuten, mit denen jedoch jeweils geistige Intelligenz und emotionale Intelligenz gemeint ist. Nur eine Art von Wissen zu besitzen, hieß dem Yoruba-Epos zufolge, nur zum Teil weise zu sein.

      So wie ogbon-ori und ogbon-inu zusammen ogbon ergeben, sind auch »Wissen des Kopfes« und »Wissen des Bauches« die zwei Seiten der Medaille des Wissens. In der gesamten Geschichte der Neuzeit herrscht jedoch die Überzeugung vor, alles wertvolle Wissen sei rational und logisch. Das verbreitete Dogma besagt, dass alle gültigen Formen des Wissens ausschließlich von den kognitiven Fähigkeiten des Denkens, der Quantifizierung und der deduktiven Untersuchung beurteilt werden. Daher werden von jungem Alter an all jene als besonders intelligent angesehen, die die besten Noten in den Fächern bekommen, die Rationalität und Logik beinhalten – Mathematik, Naturwissenschaften, und so weiter. Tatsächlich ist schon die Tradition, Kinder auf diese Art einzustufen, ein Resultat dieser Denkweise. Auch als Erwachsene fahren wir fort, Intelligenz nach bewertbaren und hierarchischen Prozessen zu beurteilen.

      Die

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