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toxisch sind und wir Paradigmen entwickeln müssen, die stattdessen belebend wirken.

      Ideen, die für den menschlichen Geist zentral sind, aus einer afrikazentrierten schwarzen feministischen Sicht neu zu denken, bedeutet nicht, zu essenzialisieren, wie afrikanische, schwarze oder weibliche Identitäten durch ein europatriarchalisches Wertesystem »verandert« wurden. Stattdessen bedeutet es, die Subjektivität in diesen Identitäten zutage zu fördern, denn wenn sie auch konstruiert sein mögen, so prägen sie doch unser Leben. Daher ist es wichtig, eine Sprache und ein Wissen zu entwickeln, die für und nicht gegen jene arbeiten, die von den Privilegien des Status quo ausgeschlossen sind.

      Wir sprechen häufig von Wissen, als wäre es ein neutraler Begriff – als wäre die männliche Perspektive auf Schönheit übereinstimmend mit der weiblichen Perspektive. Oder als könnte Macht für schwarze Menschen als Gruppe tatsächlich dasselbe meinen wie für weiße Menschen als Gruppe. Und natürlich ist Wissen an sich weder weiblich noch männlich, schwarz oder weiß. Aber weil wir die Wissensproduktion typischerweise mit einer weißen und männlichen Voreingenommenheit interpretieren, haben Frauen und Männer und Menschen verschiedener Races und Ethnizitäten jeweils unterschiedliche Beziehungen dazu. Um noch einmal Morrison zu zitieren: »Eines der Mittel zur Gestaltung von Wissen ist die Erzählung.«2

      Das Narrativ, durch das wir das Wissen betrachten, ist sowohl der Samen als auch die Frucht der Kultur, die es produziert. Um nahrhafte Früchte zu produzieren, müssen wir eine vortreffliche Saat aussäen.

      Und doch versuchen wir typischerweise, eine reichere Ernte zu erzeugen, indem wir dasselbe alte Unkraut verwenden. Wir drängen dem Leben von Frauen männliche Normen auf und jeder Gesellschaft den amerikanischen Traum. Wir erziehen Mädchen dazu, mehr wie Männer zu werden, wenn sie groß sind, nicht aber Jungen dazu, mehr wie Frauen zu werden. Wir müssen uns fragen, weshalb das Frausein trotz aller feministischen Arbeit noch immer so stark abgewertet wird. Wieso ärgert es Frauen bis heute, wenn ihnen jemand (meistens ein Mann) sagt, sie verhielten sich wie Frauen? Und umgekehrt, warum sind sie stolz darauf, wenn ihnen jemand sagt, sie verhielten sich »wie Männer«? Wer anstrebt, wie Männer zu werden und den Vorstellungen von Männlichkeit zu entsprechen, legt die Messlatte ehrlich gesagt ziemlich niedrig. Männer sind ebenso versklavt von der Gesellschaftsordnung – die sie jedoch zu kritisieren zögern, da sie sie in ihrer Illusion darüber bestärkt, wer sie sind. Tatsächlich quälen Männer frustrierte Sehnsüchte, sie sind gefangen im Konkurrenzkampf des Hamsterrads, sie sind sexuell bedürftig, sie neigen in verstörend hoher Zahl zum Selbstmord, und sie besitzen ein unstillbares Verlangen nach Macht. Sowohl Frauen als auch Männer sollten diese einschränkende Definition von Männlichkeit ablehnen.

      Ich behaupte nicht, Männer seien durch jene Illusionen von Macht nicht privilegiert. Aufgrund der gängigen Definition von Macht wird ein Mann in ein System hineingeboren, das sein eigenes biologisches Geschlecht als allen anderen überlegen ansieht. Doch Männer sind auch Opfer dessen, was wir als das Superman-Syndrom bezeichnen könnten, eine kognitive Dissonanz, die sie fälschlicherweise glauben lässt, weil die Gitter ihrer Gefängniszelle golden sind, sei es nicht länger ein Gefängnis. Das goldene Gefängnis der Maskulinität verurteilt Männer zu einem Leben in Konformität.

      Ich möchte auch nicht nahelegen, es sei nicht wertvoll, für die Gleichstellung der Geschlechter zu kämpfen. Aber diese Gleichstellung sollte nicht auf Kosten der gelebten Erfahrung von Frauen erfolgen oder auch des von der feministischen Philosophin Sandra Harding so genannten »sozial situierten Wissens«. Damit ist gemeint, dass wir Wege entwickeln müssen, die Welt mit dem Leben und den Beschäftigungen von Frauen im Zentrum zu betrachten, woraus folgt, dass das Frausein darin die Norm ist.

      Es gibt nicht die eine »weibliche Art des Wissens«, aber eins ist sicher: Ein im Frausein sozial situiertes Wissen ist antipatriarchalisch. Und so lässt es sich offensichtlich nicht vermeiden, mit den Auswirkungen von Dominanz zu ringen, wenn man über schwarz-, weiblich- und afrikazentrierte Welten schreibt.

      Dieses Ringen hat keine Schreibblockade zur Folge, sondern ein entsprechendes Gefühl, das ich als Schreibkummer bezeichne. Schreibkummer verspürt man, wenn man sich des beständigen, schreienden Widerspruchs in den eigenen Worten schonungslos bewusst wird. Man verspürt ihn, wenn man sich wünscht, man könnte genauso über Trivialitäten schreiben, wie es weißen männlichen Autoren erlaubt ist. Oder man könnte so cool und unbefangen über Gender schreiben, wie schwarze männliche Autoren es vermögen. Anders als weiße Feministinnen kann man nicht einmal unbeirrbar über ein klassisches feministisches Thema wie den Gender-Pay-Gap schreiben, ohne dass jenes andere Thema seine Rs und As und Cs und Es über die Seiten schüttet.

      Schreibkummer ähnelt dem, was der afroamerikanische Soziologe und Schriftsteller W. E. B. Du Bois als »Double Consciousness« bezeichnete, wenn er über Race-Fragen in den Vereinigten Staaten sprach. Er schrieb, Double Consciousness sei »dieses Gefühl, sich selbst immer nur durch die Augen anderer wahrzunehmen, der eigenen Seele den Maßstab einer Welt anzulegen, die nur Spott und Mitleid für einen übrig hat«.3 Aufgrund des institutionellen Sexismus und Rassismus lernen so viele von uns, die Welt auf diese Weise zu betrachten. Wir werden zu einer Figur im Hintergrund unseres eigenen Lebens und betrachten die Welt niemals aus unserem eigenen Blickwinkel. Sich selbst (so konstruiert dieses Selbst auch sein mag) niemals ins Zentrum der eigenen Weltsicht zu stellen, ist für eine schwarze Frau jedoch die gefährlichste Art und Weise, zu leben. Sogar für mich selbst bleibe ich so die »Andere«.

      Als Folge dieser Verdrängung fühlen sich schwarze Frauen in der Welt der Ideen wie Eindringlinge. Sich an Gesprächen über die bedeutendsten Themen der Welt zu beteiligen, kann sich anfühlen, als sähe man sich einen Film erst ab der zweiten Hälfte an. Irgendwann reimt man sich den Plot wahrscheinlich zusammen, aber man bleibt verwundert über die Entscheidungen, die die Figuren treffen. Wieso hatte die Frau eine Affäre? Warum hat die Polizei das Gebäude in die Luft gejagt? Wer zum Teufel war der Typ mit den Superkräften, der am Ende auftauchte? In Wahrheit waren viele gesellschaftliche Debatten nie auf Inklusion ausgelegt. Wie die brillante und außergewöhnliche feministische Autorin bell hooks 2006 in einem Interview auf der mittlerweile stillgelegten Black Academics Platform sagte: »Jede Frau, die eine Intellektuelle sein, Sachbücher schreiben, sich mit Theorie auseinandersetzen möchte, begegnet einer Menge an Diskriminierung und vielleicht sogar Selbstzweifeln, weil es nicht viele gibt, die diesen Weg vor ihr gegangen sind. Und ich denke, dass es unser machtvollstes Werkzeug ist, uns Klarheit über unsere Absichten zu verschaffen. Zu wissen, was genau wir tun wollen, statt in eine Institution zu gehen mit der Hoffnung, diese werde es für uns formulieren.«

      Hooks’ Zitat weist darauf hin, weshalb ich trotz allem nicht unter Schreibkummer litt, während ich dieses Buch schrieb. Meine Absicht war klar: Ich wollte kein Buch des Protests schreiben, ich wollte ein Buch des Fortschritts schreiben. Mit Fortschritt meine ich alle drei Bedeutungen des Wortes: erstens etwas noch nicht Abgeschlossenes, zweitens eine Vorwärtsbewegung und drittens eine Steigerung des Bewusstseins.

      Der Unterschied zwischen Protest und Fortschritt (»protest« und »progress«) ist in diesem Kontext subtiler, als es zunächst erscheinen mag. Allerdings unterscheiden sie sich in einem wesentlichen Punkt. Während ein Buch des Protests sich darauf konzentrieren würde, für eine Hauptrolle in dem Film zu kämpfen – um das Beispiel von oben fortzuführen –, ist ein Buch des Fortschritts mehr daran interessiert, sich einen Film auszumalen, der von Beginn an inklusiv und aufregend ist. Was mich im Wesentlichen dazu motiviert hat, dieses Buch zu schreiben, war der Wunsch, zu erforschen, wie sich Konzepte, die das prägen, was wir als Wissen wahrnehmen, verändern, wenn man beim Nachdenken über sie weibliche Wissensformen, schwarze feministische Theorie und afrikanische Wissenssysteme in den Mittelpunkt stellt.

      In Of Africa schrieb der Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka, das Afrika, wie wir es heute kennen, »bleibt die monumentale Erfindung europäischer Kreativität«. Doch »wenn es eine Gabe gibt, die untätig darauf wartet, die Welt mit einem bahnbrechenden Humanismus zu erleuchten, dann ist es die ›unsichtbare‹ Religion auf dem afrikanischen Kontinent«.4 Es ist an der Zeit, die Welt mit den tiefen Einsichten aus Afrikas Wissenssystemen und der von ihnen abstammenden schwarzen Kultur in der Diaspora zu erleuchten. Viel

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