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Ife kannte die Sklavin nicht. Sie musste frisch angekommen sein.

      Ife verließ die Hütte und stieß den Pfiff aus, mit dem sie nur Coba rief. Es kam keine Antwort. Coba mochte gegangen sein, um den Tod der Sklavin zu melden. Die Stille auf den Feldern deutete darauf hin, dass noch etwas anderes Schlimmes geschehen war.

      Von den Sklavenbaracken führte ein breiterer Pfad auf die Wirtschaftsgebäude zu, jeden Morgen und Abend ausgetreten von Dutzenden Sklavenfüßen, schwer von Schmerz und Erschöpfung. Der Pfad war schnurgerade angelegt, sodass er von den Aufsehern gut überblickt werden konnte, sich niemand hinter einer Biegung verstecken konnte. Vor der Zuckermühle hatte sich eine Menschentraube gebildet. Gezwungene Zuschauer einer Strafzeremonie. Wenn es Ife gelang, unbemerkt in diesen Pulk zu gelangen, war sie gerettet. Sie dachte nicht darüber nach, wen es diesmal getroffen hatte, alles, was sie sah, war die Gelegenheit unbemerkt zu den anderen zu stoßen.

      Tatsächlich nahm niemand Notiz von ihr. Sie wurde fast erschlagen von der Wolke aus Schweiß und Süße zwischen den Körpern. Sie erkannte Johns Rücken vor sich. Sie stieß ihn an, und John schob sie wortlos vor sich, ohne ihr auch nur einen Blick zuzuwerfen, der Zeremonie die Aufmerksamkeit schenkend, die die Herrschaften verlangten. Dennoch spürte Ife, wie seine unausgesprochene Frage sie durchdrang: Wo bist du gewesen, wie kannst du es nur wagen?

      Auch sie ließ sich zu keinem Wort hinreißen, und im selben Moment sah sie, worauf sich alle Augen richteten. Entsetzen klammerte sich wie ein verängstigter Affe an ihrem Herzen fest, dass sie fast aufschrie. Sie spürte zwei Arme, die sie von hinten hielten, sodass weder ihre blutleeren Beine noch der Affe sie zu Boden bringen konnten.

      Sie hatten Coba.

      Coba, deren Körper normalerweise vom Alter gekrümmt war, war mit dem Rücken an einen Pfahl gebunden, während ihre Beine in der Luft baumelten. Ife spürte am eigenen Leib, wie sich Cobas Bauchdecke langsam schmerzhaft dehnte. Sie erinnerte an ein Beutetier, das man an einen Stock gebunden hatte und das hilflos seine dünnen Ärmchen und Beinchen von sich streckte. Ihr Bestien!, wollte sie am liebsten schreien. Natürlich waren sie Bestien, es würde ihnen nicht wehtun, wenn man es ihnen sagte. Aber warum ausgerechnet Coba? Es war wohl wegen der blutigen Frau in der Krankenbaracke, die sich in die Welt der Geister aufgeschwungen hatte, noch bevor sie den Preis abarbeiten konnte, den der Mister für sie gezahlt hatte.

      Ife wollte nach vorne stürmen und sagen, dass sie es ganz allein getan hatte, was auch immer es sein mochte. Sie wollte und doch wusste sie, dass sie es niemals tun würde, nicht einmal für Coba, und dann waren da immer noch Johns Arme, die sie eisern von hinten umklammerten. Was die ganze Szenerie noch unwirklicher machte, war der fremde weiße Mister, der dort neben Mister Baxter stand und so leise auf Coba einredete, dass es unmöglich war, seine Worte zu verstehen. Er trug eine lächerlich kurze Weste und darüber einen schweren blauen Rock, wie es Ife noch nie gesehen hatte. Er sah im Ganzen nicht aus wie ein Pflanzer. Dennoch konnte sie sich nicht vorstellen, was ein weißer Mann sonst in dieser Gegend suchen sollte.

      Weder der Fremde noch Ifes Mister waren es, die den Fragen mit Peitschenhieben Nachdruck verliehen. Diese Aufgabe kam Pieter zu, einem einarmigen Sklaven, der dafür bekannt war, mit dem verbleibenden Arm nur zu gerne von der Peitsche Gebrauch zu machen. Ansonsten führte er das Regiment in der Zuckermühle. Für beides ließ sich Pieter mit Rum entlohnen, je mehr Rum ihm der Mister zukommen ließ, desto weniger Mitgefühl kannte er.

      Der Fremde, für den Pieter die Peitsche sprechen ließ, hatte die Haut eines neugeborenen Babys. Ife spürte einen Würgereiz, als sie diese Haut betrachtete. Sie war nicht zart und strahlend, sondern rot und runzlig mit weißen Schuppen. Sie versuchte, sich ein Land vorzustellen, in dem nur solche Leute herumliefen – nein, das wäre zu viel, die Augen der Götter würden es nicht ertragen, und sie würden in sie fahren und schlangengleich diese rosigen Gestalten häuten, bis sie wieder glatt und ansehnlich wären. Der Fremde sah auch nicht wie die Missus aus. Sie war stets so weiß wie die Maden unter der Rinde des Quina-Baumes. Doch dieser Herr sah, soweit sie das aus der Entfernung beurteilen konnte, auch in anderer Hinsicht merkwürdig aus. Da waren seine zu Locken aufgewickelten weißen Haare. Niemals hatte sie bei einem Mann solche Haare gesehen. Seine Haut im Gesicht war orangerot, seine Nase spitz und klein, als hätte sie vergessen, mit ihm mit zu wachsen, denn ihn konnte man ohne Übertreibung als Riesen bezeichnen. Überhaupt waren seine Gesichtszüge für einen Mann dieser Größe puppenhaft – wie bei den unantastbaren Gestalten, die rosawangig in Missus’ Vitrine saßen. Missus sagte, sie wären ein Spielzeug für die Kinder, und da die Missus bisher kinderlos geblieben war, waren die Puppen wohl zum Warten verdammt. Es sei denn, man hätte sie den Kindern des Misters gegeben, denen, die in den Hütten aufwuchsen und sich nicht in die Nähe des Hauses begeben durften, damit die Missus keinen hysterischen Anfall bekam.

      Die Folterzeremonie endete damit, dass Coba in Ohnmacht fiel. Ihr Kopf sank einfach auf die Brust hinab, und ihre Füße hörten auf, die Luft nach einem Halt abzutasten. Der Mister bedeutete Pieter von der Ohnmächtigen abzulassen und sie loszubinden. Ife sah sie noch schwer zu Boden sinken, dann wurde die Menge schon auseinander getrieben, formierte sich in ihren Arbeitskommandos und eilte auf die Felder und in die Mühle.

      Wie gerne hätte Ife sich jetzt um Coba gekümmert, hätte sich ihren schlaffen Körper über die Schulter gelegt und ihn zu ihrer Hütte getragen, wo sie ihren Schweiß abgewischt und ihre Wunden abgerieben hätte. Aber sie musste Cobas Körper Pieter überlassen und konnte nur hoffen, dass sein Peitschenarm nun ermüdet und zufrieden war.

      Während die Männer das Rohr schnitten und sich auf die Schultern luden, pressten andere Männer und Frauen seinen süßen Saft heraus. Tag und Nacht liefen die Mühlen und brannten die Feuer der Siedereien. Der Berg geschnittenen Rohrs vor der Mühle durfte nicht mehr als einen Fuß über die Köpfe der Sklaven hinauswachsen. Wenn dies geschah, musste die Frau, die hinter den Ochsen auf einem Flügel der Mühle saß, die Tiere noch härter antreiben, damit sich die Mühle schneller drehte und die Stopfer das Zuckerrohr noch schneller zwischen die Mühlräder schieben konnten.

      Johanna hieß die Frau, die auf dem Brett hinter den Ochsen saß, ihre plumpe Gestalt erinnerte ein wenig an die überarbeiteten Zugtiere. An ihrem Hals hing ein Beutel loser Falten, genauso wie unter den hängenden Köpfen der Ochsen. Jeden Tag drehte sie mit den Tieren unzählige Runden im Kreis, begleitet vom Knarren der Mühle. Abends klagte Johanna über ein Schwindelgefühl, das nicht aufhören wollte. Ife mochte Johanna nicht, vielleicht, weil sie das Peitschenknallen, mit dem sie die Ochsen antrieb, zu sehr an die Aufseher erinnerte.

      In der Mitte der knarrenden und knallenden Formation stand der Stopfer. Er tat nichts anderes, als das geschnittene Rohr zwischen die Zähne der Mühle zu stopfen. Auf der anderen Seite zog ein zweiter Mann die ausgelutschten Halme wieder heraus. Nach dem ersten Durchgang reichte er das Rohr zurück an den Stopfer, denn noch war ihm nicht genügend Saft abgerungen. Eigentlich reichte er das Rohr nicht direkt zurück, neben ihm stand den ganzen Tag ein kleiner Junge, der immer wieder die drei Schritte zwischen den beiden ging.

      Der Stopfer musste schnell und wach sein, denn die Mühle unterschied nicht zwischen Rohr und menschlichen Fingern und Armen, wahllos zerquetschte sie alles zwischen ihren hölzernen Kiefern. Bis der Schrei des Stopfers die Ochsenführerin und ihre mechanisch trottenden Tiere zum Stillstand gebracht hatte, konnte schon ein Arm bis zur Schulter in der Mühle verschwunden sein.

      Die faserigen Reste, die nach dem zweiten Durchgang übrig blieben, sammelten ein noch kleineres Kind und eine alte Frau, nur wenig jünger als Coba, auf. Sie stopften die sogenannte Bagasse in Körbe, die die Frau auf ihrem Kopf etwa zwanzig Meter weiter balancierte. Dort legte sie die Bagasse zum Trocknen aus. In wenigen Tagen würden damit die Kessel der Siederei befeuert.

      Der zuckrige Saft hingegen floss durch eine steinerne Rinne ins Innere der Siederei, einem lang gestreckten Bau aus Ziegeln. Zwischen Mauern und Dach drang dicker weißer Dampf heraus. Der Saft sammelte sich hier in einer Zisterne, in die wohl so mancher gerne einmal die hohle Hand gestreckt hätte, um einen Schluck zu kosten. Natürlich wagte es niemand. Dennoch nahm die Versuchung mit den Tagen und Wochen, die die Sklaven in der Siederei verbrachten, nicht ab. Vielmehr wurde der Durst mit jedem Tag schlimmer.

      Ife war diejenige, die den

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