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zu geben. Wir waren verzweifelt und wütend, aber Adjoa wollte bis zum Äußersten kämpfen und ich wollte überleben und auf eine bessere Gelegenheit warten. Obwohl wir das gleiche Wissen teilten, konnten wir uns nicht einigen, was wir in dieser neuen Welt mit unserem Wissen tun sollten. Adjoa war dafür, alle zu vergiften, auch uns selbst. Aber ich wollte noch leben. Ich fing an, Angst vor ihr zu haben. Jedenfalls konnten wir nicht zusammen leben. Ich war so froh, als sie mir von ihrem Fluchtplan erzählte.«

      »Warum wollte sie dann, dass du mit ihr gehst?«

      »Hast du nicht gemerkt, dass Adjoa die absolute Macht haben muss?«

      Sie hatte die Blicke bemerkt, mit denen Juba und Adjoa sich maßen. Die Strenge, mit der Juba beobachtete, wie Adjoa mit Ife umging. Adjoas Art, diejenigen warten zu lassen, die etwas von ihr wollten. Auch Juba, die Königin. Eigentlich war sie die Prinzessin, die auf den Tod der Königin wartete. Aber Adjoa wollte nicht loslassen.

      »Sandquist, dein neuer Mister, ahnt, dass du im Wald nicht alleine gelebt hast. Er wird von dir erwarten, dass du ihm auf seiner Expedition dort Verbündete suchst. Doch die Waldleute verbünden sich nicht gerne mit jemandem, schon gar nicht mit dahergelaufenen Weißen. Das Beste wird daher sein, du gehst den Freien aus dem Weg«, wechselte Coba das Thema. Sie war fertig mit den Umschlägen, kurz drückte sie ihre spröden Lippen auf Ifes Stirn.

      »Wenn du Adjoa noch einmal siehst, dann sag ihr, dass sie aufhören soll, auf mich zu warten, die Winti haben nicht gewollt, dass wir Schwestern sind«, flüsterte sie noch, dann löschte sie das Talglicht und verschwand in der Dunkelheit.

      Während Ife auf ihrem Lager ihre Wunden verheilen ließ, war ihr neuer Herr mit Vorbereitungen beschäftigt. Es waren die sonderbarsten Reisevorbereitungen, die Ife jemals gesehen hatte. Da stapelte er neben Maniokmehl und Dörrfleisch auch Tee und Zucker, der nur die Ameisen anlocken würde. Neben dem Proviant trug der Herr allerlei Gerätschaften zusammen, Macheten, eine Flinte und jede Menge Röhrchen und Netze, seltsame Apparaturen aus Metall, die außer dem Herrn niemand zu bedienen verstand. Außerdem verbrachte der Herr viele Stunden am Tisch über seine Karten und Bücher gebeugt, machte Notizen, strich ungeduldig aus, schrieb hastig etwas Neues. Er saß häufig bis tief in die Nacht im Schein einer Talglampe. Manchmal starrte er nur auf das Papier vor ihm, ohne sich zu regen, manchmal raufte er sich die strohartigen Haare. Mit Ife sprach er nie. Nachts blieb sie alleine in der Hütte, und sobald sie nicht mehr ganz wie eine unbewegliche Mumie erschien, ließ der Herr sie von seinem anderen Sklaven mit den Füßen an einen Pfosten ketten. Sie ließ es über sich ergehen, wie sie derzeit ihre ganze seltsame Existenz über sich ergehen ließ.

      Wo der andere Sklave schlief, wussten die Götter, und auch tagsüber war er zumeist mit Botengängen beschäftigt. Wieso sich der Europäer bei ihm keine Sorgen machte, dass er heimlich das Weite suchte, blieb Ife ein Rätsel. Umso mehr der Herr ihm vertraute, umso weniger konnte Ife ihm Vertrauen schenken. Doch er war der einzige, der ihr Informationen geben konnte. Wie gerne hätte sie ihn über den Fremden und sein Vorhaben ausgefragt, doch sie erwischte ihn nie alleine. Das Gespräch zwischen George und Ife beschränkte sich auf ein »Iss« und »Danke«, wenn er ihr eine Schale mit gekochtem Maniok oder Bananen hinstellte. Ihre Verpflegung war besser als im Sklavenquartier, und sie brauchte zum ersten Mal in ihrem Leben den ganzen Tag gar nichts tun. Sie hätte es genießen können, doch sie fühlte weder Freude darüber noch Ärger über den Verlust ihrer Freiheit.

      Nach fünf Tagen richtete Sandquist erstmals das Wort an Ife. Sie fühlte sich erst gar nicht angesprochen, so sehr hatte sie sich daran gewöhnt, ein Stück sprachloses Inventar seiner Hütte zu sein. Noch immer fiel es ihr schwer, die Worte Sandquists zu verstehen, auch wenn sie wusste, dass sie Englisch sein sollten. Die Melodie stimmte einfach nicht. Ihre Stimme war Ife vom Schweigen ganz fremd geworden, als sie den Herrn bat, seine Worte zu wiederholen.

      »Bist du jemals flussaufwärts gereist?«

      »Nein Herr, ich kenne nur diesen Bach, der auf der anderen Seite der Plantage liegt.«

      »Komm her!«, forderte er sie auf, an seinen Schreibtisch zu treten, auf dem ein großes Papier ausgebreitet lag. Dann bemerkte er, dass sie noch immer nicht aufstehen konnte, und kniete sich zu ihr auf den Boden. Auf dem Papier waren verschieden dicke, geschlängelte Linien gezogen, dazwischen verschieden große und in unterschiedlicher Richtung verlaufende Schriftzüge.

      »Hier ist Sugar Creek«, sagte Sandquist und deutete mit seinem Finger auf einen leeren Fleck zwischen einer doppelten und einer einfachen Schlangenlinie. »Auf dieser Seite der Plantage liegt der Fluss. Hier legen die Boote an, die den Zucker zum Hafen bringen. Du wirst die Stelle wohl kennen. Wenn wir dieser Linie folgen, kommen wir hinauf in die Berge, zur Quelle. Bist du dir sicher, dass du niemals in diese Richtung gegangen bist?«

      Ife schüttelte den Kopf. Die Landkarte verwirrte sie, die Entfernungen, die auf ein paar Fingerlängen schrumpften.

      »Weißt du denn, wo das nächste Indianerdorf liegt?«, fragte Sandquist weiter.

      »Es sind zwei Tagesreisen den Fluss hinauf. Wir haben manchmal den Medizinmann von dort gerufen. Ich bin aber nie dort gewesen.«

      »Gut.« Sandquist machte ein zufriedenes Gesicht. »Wir werden dort Indianer für unsere Expedition finden.« Er rollte das Papier zusammen und setzte sich wortlos zurück an seinen Schreibtisch.

      An dem Morgen, an dem Ife ihre Verbände ablegte, merkte sie, dass sie nicht nur eine Gefangene ihrer Wunden, sondern eine Gefangene dieser Hütte war. »Ich muss zum Bach, um die Salbe abzuwaschen«, flüsterte sie dem Sklaven zu. Er brachte ihr kurz darauf eine Schüssel mit sauberem Wasser. Der Herr kam nicht zurück, und so nutzte Ife die Gelegenheit, das Wort an ihn zu richten.

      »Du heißt George, nicht wahr?«

      »Ja.«

      »Du bist nicht von hier, stimmt’s?«

      »Nein, ich bin mit Sir Sandquist gekommen. Der Pater hat mich mit ihm mitgeschickt, weil er keine Indios hatte. Sir Sandquist wollte Indios für seine Expedition, aber die Indios waren alle wieder fortgelaufen. Jetzt ist er wieder losgeritten, um doch noch einen oder zwei von ihnen aufzutreiben.«

      »Hat er dich gekauft?«

      »Nein, ich gehöre nur Gott allein, hat mir der Pater gesagt.«

      »Aber wieso bist du dann mitgegangen?«

      »Der Pater sagte, ich könnte Gott einen Gefallen tun.«

      »Welchem Gott?«

      »Es gibt nur einen Gott, den Gott der Christen. Die heidnischen Götter sind nur falsche Götzenbilder.«

      »Gehöre ich jetzt dem Mister Sandquist?«

      »Ja. Er wollte dich erst leihen, immerhin ist er ja im Auftrag der Krone unterwegs, und, so denkt er, die Untertanen sind dem König einen Tribut schuldig. Also könntest du der Tribut deines alten Herrn vor dem König sein.«

      »Aber der Mister hat das nicht eingesehen, nicht wahr?«

      »Er hat gesagt, er ist Geschäftsmann, was die Könige im alten Europa trieben, würde ihn einen Dreck interessieren. Ja, genauso hat er es gesagt. Außerdem sollte ihm der werte Herr erst mal erklären, was ein Engländer in einer niederländischen Kolonie mit dem schwedischen König zu tun hätte. Die Wahrheit ist aber, dass er dich sowieso loswerden wollte. Du weißt, dass dir dein Herr sonst die Sehnen am Fuß zerschnitten hätte, damit du nicht mehr richtig laufen kannst?«

      »Ich hatte gedacht, er würde mich aufhängen lassen. Du denkst also, ich habe Glück gehabt?«

      »Sir Sandquist wird sehr schnell wütend, aber er will uns nichts Böses. Er interessiert sich nur für seine Pflanzen.«

      »Mein Mister interessiert sich nur für seinen Zucker und sein Geld. Wir könnten auch sagen, er will uns nichts Böses.«

      »Was bist du für ein besserwisserisches Weib! Du denkst, alle Weißen sind deine Feinde, nicht wahr? Überall gibt es Gute und Böse.«

      »Ja, nur Sklaven sind schon böse, wenn sie nur eine Stange Zuckerrohr stehlen, und die

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