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diese schmerzhaft-verspannte Körperhaltung besonders geeignet ist, das Wort »Schiffsvakeeehr!« aus sich herauszuquetschen. Es ist physischer Schmerz nötig, um dieses Geräusch zu erzeugen: »Schiffsvakeeehr!« Herbert Grönemeyer ist eine Ganzkörperverspannung. Das erklärt auch seinen Erfolg: Es gibt so viele zerquälte Deutsche, und Grönemeyer ist ihr Sprachrohr: »Schiffsvakeeehr!«

      Eine Leserin fragt, wann der Betroffenheitsprofi Herbert Grönemeyer Profit aus der japanischen Nuklearkatastrophe ziehen und ob dann auch sein Bruder Dietrich Grönemeyer mit einem Medizinalratgeber partizipieren werde. In diesen Branchen kenne ich mich nicht aus, aber mein Kollege Ralf Sotscheck berichtet, dass der U2-Sänger Bono stante pede zum Fukushismatiker wurde und zügig begann, an einem Elend-Abgreif-Album herumzuwerkeln, mit dem er viel Gutes für die Opfer und noch mehr für seine eigene Bonität tun will.

      Ralf Sotscheck, der in Irland lebt, bekommt über die irische Band U2 und ihren Chef mehr zu lesen und zu hören, als ihm lieb ist, aber er kennt auch schöne Geschichten über die Nervensäge Bono. Bei einem Konzert in Glasgow bat Bono das Publikum um absolute Ruhe. Dann begann er, in die Hände zu klatschen und sagte: »Jedesmal, wenn ich klatsche, stirbt in Afrika ein Kind.« Woraufhin aus der Halle der Ruf erscholl: »Dann hör doch endlich auf damit!«, die beste mir bekannte Antwort, die man einem Gratismoralerpresser geben kann.

      Bono, der das Gefühl für Peinlichkeit nicht kennt, schrieb an Captain Beefheart, der auf einem anderen musikalischen Planeten lebte als Bono und seine Spießgesellen, er könne doch gern einmal gemeinsam mit U2 auftreten. Captain Beefheart schrieb zurück: »Sehr geehrter Herr Bongo, ich weiß nicht, wer Sie sind, aber bitte schreiben Sie mir nicht mehr.« Allein dafür muss man den im Dezember 2010 verstorbenen Captain Beefheart in Ehren halten.

      Während der sehr geehrte Herr Bongo weiter das benefizische Meer abgrast. Könnte er dabei nicht einmal mit Herbert Grönemeyer kollidieren, zum »Schiffsvakeeehr!«?

      Gestatten, Cello, Terrorist

      Auf einem Berliner Flughafen spielt sich folgende Szene ab: Eine kleine zierliche Frau mit einem Cello in der Hand diskutiert mit dem Mann am Schalter der Fluggesellschaft, der Ausweispapiere von ihr verlangt. Im Frachtraum eines Flugzeugs kann einem empfindlichen Instrument viel Böses widerfahren, fürs Handgepäck ist ein Cello zu groß, also hat die Passagierin dem Cello einen regulären Sitzplatz kaufen müssen, und weil sie Musikerin ist und Etta Scollo heißt, hat sie den Platz neben ihrem eigenen auf den Namen Cello Scollo gebucht.

      Cello Scollo, das klingt gut und ist lustig, aber Humor wird oft gar nicht oder nur ganz falsch verstanden. Der Mann hinter dem Schalter möchte nun zwei Ausweise sehen. Etta Scollo setzt ihm auseinander, dass es sich bei Cello Scollo um ein veritables Musikinstrument handelt, um ein Cello eben, und dass es für ein Cello keinen Ausweis gibt. Der Angestellte bleibt stur; nein, er muss und will auch den Ausweis von Cello Scollo sehen, Punkt.

      Frau Scollo erklärt ihm die Sache noch einmal: dass sie, um das Instrument wohlbehalten von A nach B zu bringen, ein zweites Ticket gelöst habe. Und obwohl der Schaltermann ja sehen kann, dass es sich um eine Passagierin und um ein von ihr mitgeführtes Cello handelt, versteht er nicht oder will nicht verstehen und besteht statt dessen weiterhin darauf, die Ausweispapiere von Cello Scollo zu sehen.

      Was beinahe wie ein eingeübter Sketch wirkt, ist vollkommen ernst gemeint; der absurde Dialog geht in die Endloswiederholungsschleife, nur die Lautstärke steigert sich kontinuierlich, und die energische Frau Scollo ist bei Stimme. Schließlich wird eine dem Schaltermann Vorgesetzte hinzugezogen, die sich die Angelegenheit kurz schildern lässt und zeigt, dass sie noch alle Gurken im Glas hat: sie lacht. Etta und Cello Scollo können unverzüglich ihre Reise antreten. Doch der biometrietaugliche Ausweis für Musikinstrumente wird kommen, die Sicherheitsparanoiker dieser Welt arbeiten daran.

      Man muss nicht Etta Scollo heißen, um den Humor von Uniformträgern zu testen. Wenn einem danach ist, klemmt man sich ein Cello unter den Arm, geht zum Flughafen und kauft ein Ticket auf den Namen Cello, Vorname Violon. Der Rest geht dann ganz von selbst.

      Multitasking im Rollkofferkrieg

      Das Wort Multitasking beschreibt die Fähigkeit, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun. Männer, heißt es, seien beim Multitasking chronisch überfordert und könnten sowieso bloß stumpf das Eine, während es Frauen leicht falle, simultan mehrgleisig aktiv zu sein. Manche sprechen deshalb auch von Muttitasking, denn Mütter müssen agieren können, als seien sie mindestens siebenarmige Gottheiten oder Leuchter.

      Die Wirklichkeit des Multitasking kann man in der Deutschen Bahn studieren, am besten in der ersten Klasse, wo die Elite des Landes beheimatet ist, die sich so oft als Alete entpuppt. Ein Mann im Geschäftsanzug steigt zu, seine rechte Hand umklammert den Griff eines gewaltigen Rollkoffers, in der linken hält er ein Mobiltelefon, in das er für alle vernehmlich hineinschreit, was er seine »Eckdaten« nennt: wo er sich gerade befindet, wie spät es ist, wo er hin möchte und wann er dort ankommen wird.

      Das ist ja hochinteressant, denkt man bei sich, während der wichtige Mann gerade feststellen muss, dass sein Rollkoffer zu breit für den Gang zwischen den Sitzreihen ist und festhängt. Ungehalten zerrt der Rollkofferist an seinem Gerät; das nützt aber nichts, und so muss er sein Mobiltelefon wegstecken, mit beiden Händen und beleidigtem Gesicht seinen Koffer entklemmen und ihn zu einem Platz wuchten, wo er sich setzen und mit seinem Koffer den Gang vollstellen kann. Wie kann die Bahn es wagen, sein Breitreifenleben so einzuschränken?

      Was hat er bloß in seinem Koffer? So wie er damit hantiert, muss er zentnerschwer sein. Ist es in Deutschland Pflicht geworden, mit seiner toten Schwiegermutter im Gepäck zu reisen? Und ich habe das mal wieder verpasst? Ich habe ja gar keine Schwiegermutter, beruhige ich mich, aber so wie der Mann sich abrackert, hat er zum Ausgleich zwei davon. Und beide liegen tot in seinem Rollkoffer. Ich habe den Mann durchschaut: Er ist ein Bigamist und ein Doppelherzmörder.

      Als könne der Mann meine Gedanken lesen, spricht er in sein Telefon. »Ach Schatz«, sagt er mit müder Stimme, »der Zug hat drei Stunden Verspätung, ich schaffe es nicht nach Hause, ich muss in Hannover übernachten.« Seine Stimme klingt enttäuscht und alt, er barmt noch ein bisschen, »ja, Schatz, es tut mir leid ... ich dich auch, Schatz«, und das Gespräch ist beendet. Zehn Sekunden später beginnt er ein neues, mit einer jungen, fast jugendlichen Stimme voller Elan und Freude: »Wir können uns sehen, Liebling, ja, in zwei Stunden bin ich da, o ja, ich freue mich auch, Liebling.« Und legt, sehr selbstgesättigt, das Telefon vor sich auf den Tisch.

      Monogamie ist eine Ausnahme von der Regel, Ehebruch ist üblich, und mich geht das Ganze nichts an. Aber warum telefoniert der Mann so laut, dass alle anderen im Abteil alles mithören können, ja müssen? Braucht er Publikum? Glaubt er, man hielte ihn für einen ganz dollen Hecht, weil er ausposaunt, wie er als Amateurschauspieler den abendlichen Vollzug einstielt? Handelt es sich um einen jener Fälle von forciertem Talkshowexibitionismus, der keiner Talkshow mehr bedarf? Um Prahlhanselei im Endstadium?

      Etwas später steige ich aus, eine Umhängetasche aus Leder über der linken Schulter und eine lederne Reisetasche in der rechten Hand. Der Bahnhof ist gestopft voll, und so gut wie alle Reisenden führen einen Rollkoffer mit sich, manche sogar zwei. Der Lärm, den sie damit produzieren, ist infernalisch; das Pflaster in Bahnhöfen, auf Flughäfen und auf der Straße ist nicht dafür geeignet, Rollkoffer geräuschlos zu bewegen, und weil sie beim Gehen Krach erzeugt, muss die Rollkoffersorte Mensch brüllen, wenn sie sich mündlich oder fernmündlich verständigen will, und das will sie ja permanent und pausenlos.

      Aber Rollkoffer sind bequem und praktisch!, ningelt einem die Rollkofferfraktion ins Trommelfell, laut natürlich, noch lauter als die Rollkoffer, die sie hinter oder neben sich herzieht, mit permanentem »RRRRRRRR«-Geräusch. All jenen, die an ihren Rollkoffern hängen, wie diese wiederum an ihnen hängen, sei gesagt: Pragmatismus ist die Wurzel aller Hässlichkeit.

      Sein Trommelfell und die dahinter angesiedelten Organe sind dem Rollkoffermenschen egal; ein Kopf ist für ihn das Zeug, das man zum Telefonieren braucht und zum Glotzen, und in das man sich, bevorzugt ambulant und im Gehen, mit der rollkofferfreien Hand etwas zu essen hineinstopft, das mit einem Nahrungs- oder Lebensmittel möglichst nichts zu tun hat, also alles, was es an Bahnhöfen und auf Flughäfen

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