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das beispringende »Auf jeden Fall!«. Manchmal wird sogar alles zum Einsatz gebracht: »Absolut perfekt. Auf jeden Fall. Definitiv!« Der Affirmant reißt sich vor Begeisterung schier die Beine aus, und der Adressat bricht unter Beipflichtungsbeschuss zusammen. Wieviel Bestätigung kann ein Mensch vertragen, ohne dass sie in ihm den Eindruck erweckte, eventuell auch sarkastisch gemeint zu sein, ironisch oder spöttisch?

      Offenbar jede Menge. Die meisten Menschen empfinden noch die durchsichtigste Zustimmung als angenehm, während sie sachliche Zweifel oft als generelle Skepsis gegenüber ihrer eigenen Person wahrnehmen. Psychologisch, also Sprache und Logik der Seele folgend, ist das so simpel wie einleuchtend: Die uneingeschränkt freudige Affirmation löst ihrerseits Freude aus; sie scheint den Eindruck von großer Klarheit und Souveränität zu erwecken. Wenn einer »absolut!« sagt und »definitiv!«, dann suggeriert er damit, dass er genau wisse, was er wolle. Stimmt das? Könnte nicht das Gegenteil der Fall sein? Dass also einer, der bedingungslos Ja sagt, sich einfach nur anschließt, weil er keine eigene Haltung hat?

      Muss man nicht eher argwöhnisch werden, wenn niemand mehr eine Frage hat oder einen Einwand? Doch wer nachfragt, wird schnell als »Bedenkenträger« und als »Bremser« diskreditiert. Wenn einfache Lösungen gesucht werden, sind Fragen nicht opportun. Es geht um Zustimmung, und zwar um hundertprozentige. In der Berliner Mundart heißt das: »Aba hundert pro, Alta!« Andere bemühen sogar gleich »tausend Prozent«, als ob maßloses Übertreiben eine vertrauensbildende Maßnahme wäre. Tausend Promille sind schon realistischer; »Absolut« ist ja auch der Name einer schwedischen Wodkamarke.

      So sehr der modische Bestätigungsjargon der »Definitiv«-Sager auch am klaren Bewusstsein seiner Benutzer beziehungsweise seiner »User« zweifeln lässt, hat er doch immerhin anderes affiges Vokabular verdrängt. Die Zeiten, in denen fast alle Welt zustimmend »Touché!« sagte (und dabei meist auch noch einen Zeigefinger in Anschlag brachte), sind zum Glück verstrichen. Auch »d’accord!« oder, noch wichtigtuerischer, »Da bin ich voll d’accord!«, kommt nur noch so selten zur Anwendung wie die Wendung »Da gehe ich mit dir konform«. Die Konformgeherei hat einen so anzüglichen Ton, dass die Verballhornung zu »Da gehe ich mit dir kondom« nicht ausbleiben konnte.

      In der zum Fernseh-Talk herabgesunkenen Kommunikation hat sich eine Floskel etabliert, die Affirmation mit Sensibilitätssimulation verbindet: »Da bin ich ganz bei Ihnen«, oder, noch schwüler und auf die Pelle rückender: »Da bin ich ganz bei dir.« Es klingt, als ob ein Intimitäter seinem Gegenüber eine absolut unerwünschte Hand aufs Bein legte. Aber definitiv.

      Sprichst du noch oder kommunizierst du schon?

      Es war ein sonniger Tag Anfang Oktober, beim Ausflug in den Wald waren Bucheckern aus den Bäumen gefallen, unter denen Maronen und Steinpilze standen und sich einsammeln ließen. Es war wie im Paradies, großzügig schenkte die Natur ihre Gaben her, sie würden ja immer nachwachsen. Zurück in der Stadt nahmen wir in einem Gartenlokal den Aperitiv; als Wind aufkam, prasselten Kastanien auf die Tische, eine flog mir direkt ins Glas, das glücklicherweise nicht zersprang. Ich fischte sie heraus und knetete die Glückskugel in der Hand, während die anderen Gäste fluchtartig und fluchend den Garten verließen. Das freute mich, denn so gehörten die schimmernden schönen Bollern mir ganz allein.

      Nachdem die Kastaniengier befriedigt war, spürten wir Hunger. Die Pilze würden wir selbstverständlich trocknen und als Konzentrate für Soßen mit Wumms verwenden, die Karte des Lokals las sich vielversprechend, und so zogen wir, als es kühl wurde, vom Garten in den Innenraum um, bekamen einen guten Tisch und bestellten ein kleines Menü. Der Wein wurde aufgetragen, am Nebentisch nahm ein Pärchen Platz, beide waren etwa Ende dreißig, sportlich, schlank und so angezogen, als wären sie von der Arbeit in einer Bank oder einer Agentur direkt zum Essen gefahren.

      Der Mann, dessen kantiges Gesicht nicht dumm wirkte, legte ein i-Pad auf den Tisch. Seine Begleiterin zog eine Braue hoch, lächelte und sagte mit mildem Spott in der Stimme: »Hast du dir noch Arbeit aus dem Büro mitgebracht?« Sie sagte nicht »Schatz«, aber diese tödliche Vokabel schwang im Unterton doch mit.

      Der Mann lächelte zurück. »Nein«, sagte er schnell, »ich muss nur ganz kurz nochmal etwas nachschauen«, woraufhin er sich an seinem elektronischen Gerät zu schaffen machte. Unterdessen kam der Kellner mit den Speise- und Weinkarten; die Frau bestellte vorab zwei Gläser Champagner, der Mann sah flüchtig hoch, lächelte, sagte »wunderbar« und vertiefte sich wieder in den Computer.

      Leichte Neugierde erfasste mich. Wie würde das Spiel nebenan ausgehen? Würde der Mann seinem digitalen Zwingzwang widerstehen und sich in die wirkliche Wirklichkeit begeben? Der Champagner kam, die beiden stießen an, und als der Mann seinen Blick aber sogleich in die Elektronik senkte, verkniff die Frau sich nicht die Phrase von den »sieben Jahren schlechtem Sex«, die sein Verhalten nach sich ziehen werde.

      Schade, dachte ich; der Tadel ist ja berechtigt, aber warum so schwach formuliert? Der Spruch ist doch längst ausgeleiert und verbraucht – und wurde vielleicht auch gar nicht mehr als Drohung empfunden? Vielleicht fand der Mann Sex schon länger als sieben Jahre schlecht, oder ihm gefiel Elektronik sowieso besser? Es gibt Männer, bei denen das so ist; in Kontaktanzeigen nennen sie sich dann »jung geblieben«, was soviel heißt wie stehengeblieben.

      »Der macht i-Petting«, flüsterte meine Süße über unseren Tisch. »Der hat mit seinen Händen seit Wochen keine Haut mehr berührt – nur Benutzeroberflächen.« Sie schüttelte sich. Am Nebentisch wurde der »Gruß aus der Küche« serviert, das »amuse bouche«, wie der Kellner mit Betonung sagte.

      Notgedrungen hob der Mann sein i-Pad, um dem Teller Platz zu machen und lehnte es gegen ein Tischbein. »Lass es dir schmecken«, sagte die Frau; ihr Lächeln war ein paar Grade wärmer geworden und lag jetzt bei kurz unter Null. »Sie taut auf«, flüsterte meine Liebste. »Oder ab«, flüsterte ich zurück. »Bei Gefrierfächern heißt es abtauen.«

      Nebenan klingelte ein Telefon. Der Mann riss es aus der rechten Seitentasche seines Jacketts, kuckte, sprach hastig hinein, sprang vom Tisch auf und lief nach draußen. Der Teint der Frau fror wieder an, knisternd wie harschiger Schnee; als der Mann nach einer Minute zurückkam, legte er das i-Phone, denn um ein solches handelte es sich, rechts neben seinen Teller. »Sorry«, sagte er. »Ging nicht anders.«

      Die Frau sagte nichts, das Gewicht ihres Schweigens stand im Raum. Ein weiteres Telefonsignal ertönte; der Mann zerrte ein zweites Gerät hervor, diesmal aus der linken Jacketttasche, und lief abermals aus dem Raum. Als er nach einer guten Minute zurückkehrte, hob er entschuldigend die Arme Richtung Arktis; dann setzte er sich und legte i-Phone Nummer zwei links neben seinen Teller.

      Die Vorspeise wurde aufgetragen; beide aßen schweigend. Dann schob der Mann seine Hände über die Geräte und begann sie zu befummeln. Die Frau schenkte ihm zwei Eiszapfen, die eigentlich gut zwanzig Zentimeter aus seinem Rücken hätten herausragen müssen. »Er scrollt, sie grollt«, flüsterte die Süße und kicherte so leise sie gerade noch konnte.

      Die Frau am Nebentisch nahm ihr Weinglas in die rechte Hand, hielt es an ihr rechtes Ohr und sagte in zuckersüßem, geeistem Ton: »The number you’ve dialled is temporarily not available.« Sie stand auf und ging zur Garderobe, groß, kühl und kerzengerade.

      Der Mann ließ von den i-Phones ab, blieb aber sitzen. Sein Gesichtsausdruck war eher panne als verzweifelt, als er der Frau hinterhersah. Sie verließ das Restaurant, er starrte zur Tür.

      Die öffnete sich nach einer halben Minute wieder. Ein Zeitungsverkäufer kam herein. Bevor der Kellner ihn abwimmeln konnte, hielt er verschiedene Blätter hoch. Auf den Titelseiten war das Piktogramm eines angebissenen Apfels zu sehen, in den Schlagzeilen konnte ich die Worte »Schöpfer« und »Steve Jobs« erkennen.

      Der Mann am Nebentisch verlor die Fassung. »O mein Gott, Steve«, schluchzte er auf, »was soll nur werden aus der Welt ohne dich und deine Geräte?« Ich begriff, dass er die Nachricht längst online erfahren haben musste und sich auch deshalb so authentisch autistisch betrug.

      Die Süße jedoch betrachtete ihn ungerührt und gab dem Ober ein Zeichen zum Zahlen. »Wenn man schon unnötigerweise mit Gott und der Schöpfung angelatschert kommt«, sagte sie entschieden, »dann handelt es

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