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selbst wenn er alles verlieren würde. Dann geschah es eines Tages, auf dem Weg zu seinem Geschäft, dass er eine Stimme die Worte aus Johannes 14,6 zu ihm sagen hörte: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich.“ Blitzartig ging ihm die Wahrheit auf. Er nahm Jesus als seinen Erlöser an und wurde im selben Augenblick mit dem ewigen Leben beschenkt. Nach diesem Erlebnis konnte er nicht anders: Er musste seinem Bruder und anderen davon erzählen. Nach dem Willen seines Vaters sollte er, falls er seine Religion wechselte, sein ganzes Erbe verlieren. Aber sein Bruder bot ihm siebzigtausend Pfund an – nämlich seinen Anteil am Geschäft –, wenn er wegziehen und sich im Westen Amerikas, in Montana, niederlassen würde. Reuben erwiderte jedoch: „Ich habe das Heil in Pittsburgh gefunden und ich will auch in Pittsburgh davon Zeugnis ablegen.“

      Spät abends an diesem Samstag kamen Polizisten und brachten ihn zur Wache. Am Montag darauf besuchten ihn zwei Ärzte in seiner Zelle und befragten ihn über die Stimme, die er gehört hatte. „Zweifeln die etwa an meinem Verstand?“, fragte er sich.

      Zwei Stunden später führten ihn zwei Wärter in einen Raum, in dem sich bereits neunundzwanzig geisteskranke Personen befanden. Die Bitterkeit seiner Lage übermannte ihn. Bis dahin hatte er noch den inneren Sieg behalten, dies aber schien mehr, als er ertragen konnte. Er fiel vor seinem Bett auf die Knie und schüttete Gott sein Herz aus. Wie lange er so betete, wusste er später nicht mehr. Er vergaß sich selbst dabei völlig und hatte eine Vision von Golgatha. Er wurde Zeuge jeder Einzelheit der Kreuzigung. Über dem Leiden Jesu vergaß er seine eigenen Leiden, und während er so auf das Kreuz blickte, sagte Gott zu ihm: „Muss ich das Kreuz allein tragen, und alle Welt geht frei aus?“ Mit gebrochenem Herzen antwortete Reuben da: „Nein, es gibt ein Kreuz für jeden und es gibt auch ein Kreuz für mich.“

      Von dieser Stunde an war er ein neuer Mensch. Anstatt sich über seinen Aufenthalt an diesem Ort länger zu beschweren, begann er nun für die anderen neunundzwanzig Insassen zu beten, und zu Gott sagte er: „Lass mich leiden für dich. Was du auch immer für mich an Leiden zulassen wirst – nie wieder will ich klagen.“

      Zwei Wochen später besuchte ihn sein Bruder und machte ihm Vorwürfe wegen seiner Torheit, sich an einen solchen Ort gebracht zu haben. „Willst du nicht endlich Vernunft annehmen?“, sagte er. „Sieh zu, dass du hier herauskommst, und geh nach Montana.“ –„Gilt dieses Angebot denn noch immer? Dann ist nicht mein Gesundheitszustand, sondern irgendetwas anderes die Ursache, dass ich hier eingesperrt bin!“, mutmaßte Reuben daraufhin scharfsinnig.

      Ein paar christliche Freunde, mit denen er in Verbindung stand, veranlassten sodann, dass die Angelegenheit untersucht wurde. Nach sechs Wochen wurde er schließlich entlassen. Die Sache kam anschließend vor Gericht. Der Richter befragte den Arzt, warum dieser Mann als geisteskrank eingewiesen worden war. „Weil er eine Stimme gehört hat“, erklärte der Arzt. „Hat nicht auch der Apostel Paulus eine Stimme gehört?“, entgegnete der Richter, der ein Christ war. „Dies ist eine Schande für die amerikanische Flagge“, rief er und legte Reuben nahe, alle diejenigen zu belangen, die etwas mit dem Fall zu tun hatten. „Ich werde nie jemanden verklagen“, erwiderte Reuben. „Etwas anderes werde ich aber tun: Ich werde für sie alle beten.“ Daraufhin ging er durch den Gerichtssaal und bot seinem Bruder die Hand. Dieser wandte ihm jedoch den Rücken zu. Er trat auf seine Frau zu, aber auch sie tat dasselbe. Welch einen Frieden aber hatte er in seiner Seele!

      Er mietete dann einen kleinen Raum in Chicago, wo er allein mit Gott lebte und viele Menschen für ihn gewann. Dort blieb er zwei Jahre. Während dieser ganzen Zeit konnte er sich oft noch nicht einmal eine ordentliche Mahlzeit leisten. Ein Jahr später kam seine Frau, um ihn in einer Zeltlager-Versammlung zu hören, und bekehrte sich. Damals sah er zum ersten Mal seinen kleinen Jungen, der nach der Trennung von seiner Frau geboren war. Seine Frau war nun dazu bereit, wieder mit ihm zusammenleben, wenn er nur wie andere Christen seinen Unterhalt auf normale Weise verdienen wollte. Sein Herz schlug für den kleinen Jungen und diese Prüfung war noch größer als die erste. Die Forderung seiner Frau erschien so vernünftig, aber er wusste, dass der Herr ihn aus der Welt heraus in dieses besondere Glaubensleben gerufen hatte. Er schrie zu Gott, aber die einzige Antwort, die er erhielt, war: „Zurück nach Ägypten.“

      Das genügte; wieder ergriff er das Kreuz. Er brachte seine Frau und das Kind zur Bahn. Es war eine teuer erkaufte Erfahrung. Aber als der Zug den Bahnhof verließ, schien es, als ob Gott seine Seele mit aller Freude des Himmels erfüllte. Er fing buchstäblich an auf dem Gleis zu tanzen. Er sah seine Frau in den nächsten drei Jahren nicht wieder. Dann wurde auch ihr in einer Zeltversammlung der wahre Sinn des Kreuzes offenbart. Nun gab sie folgendes Zeugnis: Wenn sie auch vorher das aufopferungsvolle Leben ihres Mannes nicht hatte teilen wollen, so war sie doch jetzt bereit, ihr Brot von Tür zu Tür zu erbetteln, wenn es nach Gottes Willen und zu seiner Ehre so geschehen sollte. Sie lebten von da an wieder zusammen, und sie wurde eine wunderbare Mitarbeiterin ihres Mannes.

      Rees hatte auch deshalb bisher nicht zum wirklichen Glauben durchdringen können, weil er nichts davon sah, dass das Leben der wiedergeborenen Christen besser war als seines. Wie konnte er dann davon überzeugt werden, dass ihm etwas fehlte, was sie hatten? Er hatte manchmal zum Herrn gesagt: „Wenn ich jemals einem solchen Menschen begegne, der die Bergpredigt in seinem Leben verwirklicht, dann werde ich nachgeben.“ – Noch bevor Reuben seine Geschichte beendet hatte, sagte der Herr zu Rees: „Ist das etwa dein Mann?“

      Was dann weiter in der kleinen Methodistenkapelle geschah, berichtet Rees mit folgenden Worten: „Als Maurice Reuben uns von diesen heiligen Erlebnissen berichtete, sah auch ich das Kreuz. Es schien mir, als verbrächte ich eine halbe Ewigkeit zu den Füßen des Heilands, und ich weinte und weinte. Ich erkannte, dass Jesus Christus für mich persönlich gestorben ist. Darüber vergaß ich alles andere und versank ganz in diesen Gedanken. Bisher hatte ich in der Angst vor dem Tod gelebt. Nun aber sah ich, dass Jesus diesen Tod auf sich genommen hatte. Zwar liebten auch meine Eltern mich sehr, und bis dahin gab es für mich niemanden, der ihnen gleichkam. Den Tod aber hatten sie nicht für mich erlitten. Er jedoch hatte dies getan. Seine Liebe zu mir, verglichen mit der ihren, war so hoch wie der Himmel über der Erde. Er gewann meine Liebe ganz und gar. Er zerbrach mich, und alles in mir wendete sich ihm zu.“

       Ich wurde völlig verändert. Keiner meiner alten Freunde konnte verstehen, was mir widerfahren war.

      „Dann sprach er mit mir. Er sagte: ‚Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Darf ich in dein Herz hineinkommen, ebenso wie ich in Reubens Herz kam und dort den Platz von seiner Frau und Kind, Zuhause, Geschäft und Welt einnahm? Willst du mich annehmen?‘ – ‚Ja‘, erwiderte ich und er erfüllte mich, und in diesem Augenblick wurde ich verwandelt. Ich wurde in eine andere Welt hineingeboren. Das Reich Gottes war nun meine Heimat und der Schöpfergott mein Vater. Ich empfing an diesem Abend die Gabe des ewigen Lebens – jene Gabe, die für Geld nicht zu kaufen ist.

      Auf dem Heimweg erschien mir der Freund, der mich zu dem Treffen begleitet hatte, auf einmal innerlich fremd. Er hatte kein persönliches Erlebnis während des Treffens gehabt. Überhaupt erschien mir nun jeder, der nicht wiedergeboren war, fremd. Der Herr aber bedeutete alles für mich. Nicht nur war er der Schönste unter Zehntausend, sondern unter Millionen. Zwar war diese seine Liebe schon immer dagewesen, sie hatte jedoch keine Antwort in mir hervorgerufen, weil ich sie bisher nicht gesehen hatte. Jetzt aber wurde die Antwort dafür umso stärker. Alles, was dieser Welt angehörte, stieß mich ab. Alles, was ihn betraf, berührte mich so heilig, rein und wunderbar.

      Ich wurde völlig verändert. Keiner meiner alten Freunde konnte verstehen, was mir widerfahren war. Es ging hier nicht um ein bestimmtes Dogma, sondern ich hatte Golgatha gesehen. Es handelte sich auch nicht um eine verstandesmäßige Zustimmung – nein, sondern der Vorhang war weggezogen worden, die Augen wurden geöffnet, und ich hatte ihn selbst gesehen. An diesem Abend erschien mir die Welt wie ein verfluchter Ort und ich dachte, dass ich nie wieder etwas mit ihr zu tun haben wollte.

      Die Liebe des Retters war mir offenbart worden. Man kann nicht erklären, was eine Offenbarung ist. Ich erkannte, dass Gott, mein himmlischer Vater und Heiland, bereit war für mich zu leiden, noch bevor ich selbst leiden sollte. Es war eine unvergleichliche Liebe. Nicht nur, dass er mir half –

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