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die Damen waren und die darüber nachdachten, wie sie, passend zur Farbe ihrer Haare, zu riechen hatten. Frauen, nein Vollblutweiber, die sich scheinbar immer unter Kontrolle hatten. Die waren seine Welt und die Welt war, wenn man nur genauer hinsah, voll davon.

      Unnötig zu sagen, dass Ingeborg seit einigen Jahren, seitdem sie krampfhaft versuchte jünger zu wirken, einen modischen Rucksack trug. Aus Wildleder! Und Turnschuhe! Turnschuhe, die so teuer waren wie italienische Pumps, aber aussahen wie Gesundheitsschuhe.

      Bronski hatte natürlich auch nie mit seiner Gattin über diese Dinge geredet. Wie auch? Und warum auch? Ingeborg hatte entschieden, was für ein Bild sie von sich geben wollte. Und sie hatte falsch entschieden. Wie immer.

      Der Neue Mann war also ein Kantinenesser! Aber er inszenierte es als Auftritt mit Gefolge. Immerhin! Die Übung hieß: Der Neue Mann zeigt dem Fußvolk seine Instrumente.

      Denn er kam mit seinen Beratern, einem Rudel junger Wölfe, die vor Souveränität nur so strotzen. Hochmütige Kerle in gut sitzenden Anzügen waren das. Sportlich, kostenbewusst und polyglott. Lauter smarte Unternehmensberater, die sich irgendwann als Unternehmensbestatter erweisen würden. Die Hohepriester des Geldes, die keine Verantwortung zu übernehmen hatten, sondern die nur interessierte, ob sich etwas rechnete.

      Bronski amüsierte es, ihrem Ballett zuzuschauen. Denn da den König bekanntermaßen immer die Anderen spielen, konnte sich der Neue Mann in großer Bescheidenheit üben. Er stellte sich sogar an. Nein, wie sympathisch!

      Kollege Fassmann, der einem zerstörten Menschen glich, da er ausdauernd an seiner Niederlage aus der Sitzung knabberte, merkte dies nun auch noch ehrlich anerkennend an, was Bronski fast den Suppenlöffel aus der Hand riss. Sein Bedarf an Schmierentheater war gedeckt und er beschloss, wenigstens noch auf einen Espresso in seinem Bistro vorbeizuschauen. Das war ja hier nicht auszuhalten, das stank ja derart nach Knechtseligkeit, dass es Bronski würgte. Und ohne Fassmann eines tröstenden Kommentars zu würdigen, erhob sich Bronski. Als stillen Protest ließ er seinen noch vollen Teller einfach stehen und eilte davon. Nur raus hier!

      Genau in der Tür, da wo die Kantine in das geschmacklose Marmorfoyer überging, lief Bronski dann fast die Persönliche des Neuen Mannes um, die angesichts der Schlange verbeamteter Hungerfälle einen angeekelten Eindruck machte.

      Bronski lächelte sie kurz an, er würde sich zurückhalten, aber er gab ihr mit diesem Lächeln die Chance, ihn anzusprechen. Und sie tat es! Er hatte es nicht zu hoffen gewagt, aber sie tat es! Das würde vieles vereinfachen.

      Bronski wurde sofort jagdwarm. Sein Instinkt sagte ihm, dass dies womöglich ein entscheidender Augenblick in seinem Leben sein könnte. Er vermochte noch nicht genau zu sagen, welche Wendung die Dinge nehmen würden, aber dass jetzt irgendetwas Folgenreiches geschah, war ihm tief in den Eingeweiden klar.

      Die Persönliche seufzte und als sie sich Bronski zuwandte, roch er ihr Parfüm. Es passte, natürlich passte es! Wie alles an dieser Frau, die jetzt ganz die Ratlose mimte!

      »Das ist ja ganz furchtbar. Kann man hier irgendwo anders hingehen?«

      Besser, fand Bronski, hätte es nicht kommen können, er durfte es jetzt nur nicht durch Siegeszuversicht vermasseln. Und während er scheinbar nachdachte, nur ruhig, nur ruhig, warum war er plötzlich denn so nervös?, beobachtete er, wie die Persönliche in Richtung ihres Chefs schaute, und, wenn Bronski sich nicht völlig täuschte, huschte da ein kurzes verächtliches Lächeln um ihre Mundwinkel. Diese Frau fühlte sich dem Neuen Mann, den sie besser kannte als jede Andere, unendlich überlegen, aber sie kam nicht zum Zuge. Und das machte sie bitter.

      Bronski tat beiläufig, er erwähnte sein Bistro, und statt einer Antwort drehte sich die Persönliche nur entschlossen auf dem Absatz um. Ihre kurze Geste bedeutete wohl Zustimmung.

      Aus dem Augenwinkel bemerkte Bronski zu seiner Zufriedenheit noch, dass Kollege Fassmann die Szene beobachtet hatte. Fassman fiel fast Bronskis Suppenteller, den er natürlich wegräumte, aus der Hand.

      Fassmann hatte es gesehen, damit war es Anstaltsthema: An ihrem ersten Tag ging die Persönliche des Neuen Mannes mit Bronski essen! Mit diesem Bronski, ausgerechnet! Da würde der verunsicherte Fassmann nun viel Beistand von anderen brauchen, das provozierte Neid, und genau das musste Bronski unbedingt berücksichtigen. Diese Frau war für Bronski also tabu, vorerst jedenfalls. So schwer ihm das auch fallen würde.

      Denn, zugegeben, die Persönliche des Neuen Mannes passte in sein Beuteschema. Hundertprozentig sogar, geradezu nahtlos.

      Aber, sie war eben auch die Persönliche des Neuen Mannes, und die durfte er nicht einfach überrennen. Der musste er das Gefühl geben, dass sie ihm alles beichten konnte. Denn nur dann war er ihrer sicher. Und nur wenn er ihrer sicher war, war er vor der möglichen Rache des Neuen Mannes, der es bestimmt nicht gerne sah, wenn ihm jemand Subalternes die Persönliche ausspannte, geschützt.

      Bronski war froh, nicht viel reden zu müssen, denn die Persönliche telefonierte, während sie beide über den ewig windigen Vorplatz der Anstalt liefen. Jetzt erst bemerkte Bronski auch, dass die Persönliche größer war als er. Und zwar nicht nur unbedeutend, sondern deutlich. Wie hatte er das übersehen können? Was lief heute hier bei ihm durcheinander?

      Und nur als eine böse Ahnung schoss es Bronski plötzlich durch das Rückenmark. Was bedeutete es eigentlich für ihn, wenn die Persönliche ihn, Bronski, erbeuten wollte? So absurd der Gedanke auch war, setzte er sich doch in Bronski fest und ließ ihn verkrampfen. Denn verhielt sich die Persönliche des Neuen Mannes nicht entsprechend, indem sie ihn demonstrativ erhöhte? War das nicht die Technik, die mächtige Männer sonst bei Frauen anwendeten: Erhöhung durch Beachtung? War Bronski hier schon Bestandteil eines Spiels, das nicht von ihm, sondern mit ihm gespielt wurde?

      Diese Vorstellung, widersinnig und nahe liegend zugleich, lähmte Bronski derartig, dass er, im Bistro endlich angekommen, ganz unfreiwillig in die von ihm angedachte Rolle schlüpfte. Er hörte der Persönlichen einfach nur zu. Und irgendwann begriff er, dass dies genau das war, was ihr guttat. Er hatte sie richtig eingeschätzt. Sie hielt sich für so bedeutend, dass sie von sich reden musste. Einen Mann aber, der so gut zuhörte wie Bronski, solch einen Mann hatte sie lange nicht getroffen. Wie sollte sie auch ahnen, dass Bronski zunächst gelähmt und später dann schnell gelangweilt war? Er, der doch in seinen Gedanken längst schon wieder bei Marie war, oder genauer gesagt zunächst bei der Squaw, die ihm Marie besorgen würde. Nichtsdestotrotz, die Persönliche hatte nun endgültig einen Narren an Bronski gefressen. Sie hatte ihn ausgewählt und er hatte ihr zugehört. Mehr verlangte sie nicht von einem Mann. Es würde Bronski viel Kraft kosten, sich diese Narzisse auf Dauer so vom Leib zu halten, dass er sie nicht verärgerte, sondern von sich abhängig machte. Das war ihm nach der Mittagspause klar.

      Denn ganz abwenden mochte sich Bronski von der selbstverliebten Rednerin dann doch nicht. Bei Licht besehen war diese Wiebke nämlich eine circa einsfünf- undachtzig große Mulattin, mit wunderbaren Beinen, einem knackigen Hintern und magischen Augen. Was immer ihr Vater als Botschafter in Brasilien sonst noch für den Weltfrieden bewirkt hatte, er hatte sich offensichtlich dabei gut mit der einheimischen Bevölkerung verstanden, und er hatte ein wunderschönes Kind gezeugt. Dem er leider einen blödsinnigen Namen verpasst hatte: Wiebke, Wiebke von Berg.

      Ein solcher Schokoriegel fehlte Bronski noch in seiner Raupensammlung, das ließ ihn vieles übersehen.

      Bronski hasste es, unangemeldet Besuch zu bekommen, und er hasste es fast noch mehr, wenn angemeldeter Besuch zu früh kam. Was Bronski verabscheute, mutete er auch anderen nicht zu. Deshalb hatte er sich selbstverständlich bei der Squaw angemeldet und wartete jetzt, da er eine Viertelstunde zu früh war, in seinem Auto. Einfach so in seinem Auto herumzusitzen, war auch eine seiner Inseln des heimlichen Glücks.

      Besonders mochte er, wenn es dabei auch noch heftig regnete. Er kam sich dann wie ein Spion vor, der Verdächtige observierte. Es gab Abende, an denen er unter irgendeinem Vorwand von zu Hause wegfuhr, nur um dann Stunden vor dem immer belebten Hauptbahnhof zu verbringen, rauchend im Auto. Das, was er dann sah, war für ihn spannender als Kino: Da wurden ihm tränenreiche Abschiede geboten, oder das große Wiedersehen. Gelegentlich bevölkerten ratlose Heimkehrer die Szenerie, aber

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