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      Thomas Steinke

      Bronskis Treiben

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      Thomas Steinke

      Bronskis Treiben

      Roman

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      Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

      Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation

      in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte

      bibliografische Daten sind im Internet über

      >http://dnb.ddb.de< abrufbar.

      ISBN 978-3-937727-95-1

      © Dittrich Verlag GmbH, Berlin 2008

      Lektorat: Cordula Führer

      Umschlaggestaltung: Guido Klütsch

      Umschlagfoto: »Schmetterlinge«, Biologische Fakultät der Universität Bielefeld

       www.dittrich-verlag.de

      Für Esther

      Sie war eine jener elfenhaften Frauen, deren offensichtliche Lebensunfähigkeit ein raffinierter Trick der Natur ist. Sein erster Gedanke war: Ficken! Wenn er eine solche Kindfrau sah, war das bei ihm reflexartig, unbewusst und nicht zu steuern. Viel später erst, in einer Augustnacht, würde er erfahren, dass dies auch ihr erster Gedanke gewesen war.

      Ein Jammer, wie viel Zeit sie vertan hatten.

      Wie schön, dass sie sich Zeit gelassen hatten.

      Dieser Sommer war die spannendste Zeit in Bronskis Leben gewesen. Er war vorbei. Nun stand Bronski auf dem Flur der Klinik und schaute in den herbstlichen Park. Er zahlte seinen Preis, und eine dieser Maries zog sicher gerade ein neues Opfer an sich. Zum ersten Mal hatte Bronski sein Lieblingsspiel verloren.

      Bronski hatte Marie bei einer dieser unsäglichen Ausstellungseröffnungen erspäht, die man, um ihre Kläglichkeit zu kaschieren, hochtönend Vernissagen nennt. Bronskis Frau leitete ein musisches Gymnasium in einem der Neubaugebiete am Rande der Stadt, da, wo die Stadt ins Sibirische überging, und deshalb waren sie im Verteiler für die Einladungen und gingen mindestens einmal pro Woche Häppchen essen. Leider musste man dabei auch Kunst ertragen, wehende Leinentücher mit Menstruationsblut, Eisenplatten voller Fingernägel oder Tierköpfe in Gelee, modernes Zeug eben.

      Bronski ging nur mit, um Frauen zu jagen. Er war oft erfolgreich. Die Gattinnen der Maler waren zumeist einsam, ihre malenden Männer tranken oder betrogen sie, da war für Bronski leichtes Spiel.

      Bei den Malerinnen selbst gab Bronski den Zyniker, der er eigentlich auch war. Merkwürdigerweise war er damit ebenso oft erfolgreich. Was dann folgte, war meist eine heftige kurze Berauschtheit, bei der Bronski sich das Hirn herausvögelte, um dann rechtzeitig Schluss zu machen, bevor die Sache Ausmaße annahm. So ertrug Bronski seit nunmehr dreiundzwanzig Jahren seine Ehe, und das Leben überhaupt.

      Marie stand hinter dem Tresen und schenkte Wein aus. Es war Bronski unmöglich, ihr Alter zu schätzen. Sie mochte sechzehn sein, oder dreißig. Sie hatte eine knabenhafte Figur, war dabei aber ungewöhnlich groß, hatte lange Beine und pechschwarzes langes Haar, das sie offen trug. Sie war, bis auf ihren knallroten Mund, kaum geschminkt und das Bemerkenswerteste an ihrem ebenmäßigen Gesicht waren ihre traurigen Augen, deren Farbe dauernd wechselte. Maries winzige Brüste waren dank der kräftigen Nippel deutlich zu erahnen.

      Bronski erstarrte kurz, ein Fieber befiel ihn, da begann schon das übliche Programm. Bronskis Frau stellte ihn der heutigen Künstlerin vor, die für ihn als Beute leider nicht in Frage kam, und ein Saxophonist bewies unterdessen, dass er nicht richtig spielen wollte, sondern stattdessen Wind nachahmen konnte. Das Übliche. Gleich würde ein Freund der Künstlerin eine zu lange Rede halten, in der er sie über den grünen Klee lobte, wobei die Künstlerin scheu zu Boden schauen würde. Dabei hatte die Künstlerin selbst sicher vor nicht allzu langer Zeit für diesen Freund eine Rede gehalten, ihn über den grünen Klee gelobt, und dieser hatte selbstverloren und genialisch zu Boden geschaut. Es war so traurig und langweilig, aber sie mussten sich alle verkaufen und irgendwie davon leben. Sich selbst anpreisen ging da nicht.

      Bronski hörte gar nicht zu. Er hatte sein abwesendes, idiotisches Dauerlächeln aufgesetzt und der Jäger in ihm ersann bereits einen Plan. Wer war dieses Wesen hinter der Theke?

      Bronski wagte es nicht, in die Richtung jener Frau zu schauen, deren Namen er noch nicht kannte, von der er sich aber gerade vorstellte, wie sich ihr weißer, schlangenförmiger Leib um ihn winden würde, um das Letzte aus ihm herauszusaugen. Schon der Gedanke an diese Lust machte ihn wahnsinnig. Seine übliche Schläfrigkeit wich sofort jener hellen Wachheit, die aus seiner Geilheit kam.

      Alles hing, wie immer, von der ersten Begegnung ab. Die galt es vorzubereiten. Bronski würde auf gar keinen Fall Getränke holen gehen. Dort, in der Warteschlange, konnte er nur eine lächerliche Figur abgeben. Er würde Marie, dieses für ihn noch namenlose Wesen, aus der Ferne fixieren. Er musste ihren Blick erhaschen, um kurz in ihren Augen zu versinken. Für diesen Angriff hatte Bronski einen abwesenden, nachdenklich traurigen Blick parat, den er gelegentlich in der U-Bahn trainierte.

      Morgens, wenn er, wie immer acht Uhr dreiundzwanzig, in die Anstalt fuhr.

      Die Künstlerin des heutigen Abends stand jetzt dicht neben Bronski, sie hatte etwas Quadratisches an sich. Bronski roch förmlich ihre Einsamkeit. Nur zum Spaß berührte Bronski dieses späte Mädchen, dessen Bilder so unsinnlich waren wie nur irgendwas, wie zufällig an der Hüfte und siehe da, sie wich nicht aus, sondern kam ihm noch entgegen. Seine Witterung hatte ihn nicht getäuscht, und während nun der Freund der Künstlerin stockend zu seiner Lobrede anhob, trieb Bronski sein böses Spiel weiter, indem er sein Knie sanft an den dicken Oberschenkel der einsamen Malerin presste. Sie genoss es und Bronski half es, zur Ruhe zu kommen, denn von der Weintheke her hörte Bronski ein Lachen, Maries Lachen. Es wirkte so melancholisch wie die ganze Frau, die Bronskis Denken nun beherrschen würde. Er wagte es nicht, sich jetzt schon nach ihr umzudrehen. Er zwang sich zur Geduld, um dann die Energie zu haben, die er brauchen würde, wenn er seine Jagd begann.

      Die Malerin hatte begriffen. Sie schlenderte nun mit einem Fettfinger von der Stadtverwaltung zu ihren Machwerken davon, wobei sie sich noch einmal nach Bronski umdrehte und ihn mit einem Lächeln bedachte, dass sie vermutlich für lasziv hielt. Bronski grinste obszön die Decke an und ein Lachen der Künstlerin perlte durch die Galerie. Ein Lachen, das so breit war wie die ganze Dame.

      Bronskis Frau Ingeborg hatte eine Freundin getroffen und stand mit der und einem Glas Sekt in einer Ecke. Obwohl sich Bronski schon lange nicht mehr fragte, ob seine Frau sein Treiben eigentlich bemerkte, beruhigte es ihn doch, sie abgelenkt zu wissen.

      Den Blick seiner Frau im Nacken zu spüren, würde ihn heute nervös machen, wenn er sich der Frau hinter der Theke anbot.

      Ja, anbot. Denn genau das tat er immer. Er bot sich den Frauen an. Als Ausweg aus ihrer Langeweile, aus dieser Ödnis der Zwänge, als ein erstklassiger Geliebter, der er war. Als jemand, der keine Beziehung wollte, die anstrengend und verpflichtend war, als jemand, der puren Sex bot und haben wollte, als jemand, der für die kostbaren Momente des heimlichen Beisammenseins das Leben der jeweiligen Geliebten leicht und schwebend machte.

      Konnte man ihm denn daraus eigentlich einen Vorwurf machen, wie es sicher so viele taten, die davon wussten oder es nur ahnten? Was für eine Dummheit! Oder war das Neid, war das Enttäuschung über das eigene langweilige mutlose Leben, war es Zorn darüber, dass er sich nicht völlig hingab, sich nicht besitzen ließ, sich immer wieder freimachte?

      Wie auch immer, letztendlich war es ihm egal, was andere dachten.

      Bronski hatte sich gesammelt, jetzt würde er den Raum durchschreiten, sich scheinbar den Bildern widmen, dabei einsam und verloren wirken

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