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die 2.000 Anteilsscheine zu übergeben und die Verbindlichkeiten zu löschen, im Gegenzug sollte der Klub sie von der Bankbürgschaft befreien. Der Vorstand stimmte zu, und 1906 wurde eine neue Aktienausgabe gestartet: 15.000 Aktien konnten zum Stückpreis von einem Pfund erworben werden. Nach der Aktienausgabe wurde McKenna Vorsitzender des Klubs.

      1904 stieg der LFC zum zweiten Mal aus der First Division ab, aber die Rückkehr ins Oberhaus dauerte erneut nur ein Jahr. In der Saison 1905/06 wurde der Wiederaufsteiger zum zweiten Mal Meister. Der LFC war damit der erste Klub, der direkt nacheinander die Meisterschaftin der Second und First Division gewann. Diese Spielzeit stand aber noch für ein weiteres Novum: Erstmals kamen Meister und Pokalsieger aus einer Stadt, denn Everton gewann durch einen 1:0-Sieg über Newcastle United den FA-Cup. Im Halbfinale hatte man den Nachbarn von der Anfield Road mit 2:0 besiegt.

      Bis Ende der 1890er war Everton der Zuschauerkrösus im englischen Fußball gewesen, doch mit dem Gewinn der ersten Meisterschaft mobilisierte Liverpool ähnliche Massen wie der Lokalrivale – die Rufe nach größeren Tribünen wurden immer lauter. Und nach der Meisterschaft von 1906 wurde schließlich eine neue Tribüne auf der an die Walton Breck Road grenzende Seite des Spielfelds errichtet, das Fassungsvermögen der Hintertortribüne betrug zunächst 20.000.

      Der LFC spielte erstmals am 1. September 1906 im ausgebauten Stadion – auf den Tag genau 14 Jahre nach seiner Premiere gegen Rotherham. 32.000 Zuschauer sahen die Partie gegen Stoke City. Im Vorfeld des Derbys gegen den FC Everton am 29. September taufte der Liverpooler Journalist Ernest Edwards den Haufen an der Walton Breck Road „Spion Kop“ – nach einem berühmten Hügel in Südafrika, der im Burenkrieg von strategischer Bedeutung war. Im Januar 1900 hatte ein Regiment aus Soldaten, die aus Lancashire stammten, viele von ihnen aus Liverpool, im Kampf um den Hügel schwere Verluste erlitten. Mehr als 300 Männer waren gestorben. Der erste Klub, der seine Hintertortribüne „Spion Kop“ nannte, war 1904 Arsenal gewesen, aber Liverpools „Kop“ erregte mehr Aufmerksamkeit und mobilisierte Nachahmer. 1928 wurde der „Kop“ überdacht und sogar auf 28.000 Plätze ausgebaut.

      In den der Meisterschaft von 1906 folgenden Spielzeiten bis zum Ersten Weltkrieg war der LFC in der First Division nur Mittelmaß – die Saison 1909/10 ausgenommen, als der Klub hinter Aston Villa Zweiter wurde. Trotzdem erreichte man 1913/14 erstmals das FA-Cup-Finale. Gegner war Burnley, womit das Finale ein Lancashire-Derby war. Die Liga hatten Liverpool und Burnley nur auf den Plätzen 16 bzw. zwölf abgeschlossen, weshalb das Interesse außerhalb der Grafschaft Lancashire gering war. 1913 waren noch 121.913 Fans zum Finale Aston Villa gegen Sunderland gepilgert. Ein Jahr später kamen nur 72.778 Zuschauer in den Crystal Palace in London. Das Spiel ging trotzdem in die Annalen des FA-Cups ein, denn erstmals ließ sich auch der amtierende Monarch im Stadion blicken.

      Lancashire war allerdings auf den Beinen. Insgesamt 17 Sonderzüge brachten die Fans in die Hauptstadt, zwölf von ihnen verließen Liverpool. Für die Fans der „Reds“ endete das Finale mit einer herben Enttäuschung, denn Burnley behielt mit 1:0 die Oberhand.

      Der erste Skandal

      Der erste große Skandal in der Geschichte der „Reds“ ereignete sich in der Saison 1914/15: Liverpool war Teil einer Spielmanipulation. Bereits 1911 und 1913, nach Spielen gegen Newcastle bzw. Chelsea, standen Kicker des LFC im Verdacht, Ergebnisse manipuliert zu haben, nachgewiesen werden konnte es ihnen jedoch nicht. Anders im Jahr 1915: Am Karfreitag 1915 musste Liverpool beim abstiegsbedrohten Manchester United antreten. Zunächst lief alles ganz normal ab, der Reporter des Manchester Chronicle hatte eine gute erste Halbzeit gesehen, aber nach Uniteds 2:0-Führung hätten plötzlich beide Mannschaften das Fußballspielen eingestellt: „Keines der beiden Teams unternahm mehr irgendwelche Anstrengungen. (…) Der Fußball in der Schlussphase war der armseligste, den man in diesem Stadion in dieser Saison gesehen hat.“ Liverpool verschoss einen Elfmeter, und als Mittelstürmer Fred Pagnam die Torlatte traf, ermahnten ihn seine Mitspieler zur Mäßigung. Am Ende blieb es beim 2:0-Erfolg für die „Red Devils“.

      Buchmacher registrierten, dass auffällig viele Wetten und hohe Summen auf einen 2:0-Sieg für United abgeschlossen worden waren. Eine Wette, die allein schon aufgrund ihrer Form ungewöhnlich war, denn in der Regel setzten die Wetter schlicht auf Sieg, Niederlage oder Unentschieden. Die Buchmacher verweigerten deshalb die Auszahlung der Gewinne.

      Die Football League startete eine Untersuchung, zumal Liverpool bereits in den Jahren zuvor der Spielmanipulation verdächtigt worden war. 1915 kam die Wahrheit ans Tageslicht: Bei den Befragungen sagte Fred Pagnam, der sich einem dreisten Komplott verweigert hatte, gegen die eigenen Teamkameraden aus. Spieler beider Teams hatten sich in einem Pub in Manchester getroffen, das Spielergebnis ausgehandelt und anschließend im ganzen Land Wetten darauf platziert. Ihr Anführer war der Liverpooler Linksaußen Jackie Sheldon, der 1911 noch zu Uniteds Meisterteam gehört hatte.

      Gegen acht Spieler, je vier aus Liverpool (außer Sheldon noch Tom Fairfoul, Tom Miller, Bob Pursell) und Manchester, wurde eine lebenslange Sperre verhängt, die sogar den Besuch eines Fußballstadions einschloss. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Delinquenten allerdings begnadigt, da sie den „Dienst fürs Vaterland“ geleistet hatten. Nur Uniteds James West, der weiterhin seine Unschuld beteuerte, blieb bis 1945 gesperrt, zu diesem Zeitpunkt war er 59. Manchester United verurteilte die Spielmanipulation, obwohl der Klub am Ende deren einziger Nutznießer war. Unter normalen Umständen wäre die Partie gegen Liverpool wohl verloren gegangen und United sang- und klanglos in die Second Division abgestiegen.

      Dass die Städte Liverpool und Manchester im Zentrum des ersten großen Wettskandals standen, war kein Zufall. Lancashire war nicht nur die Wiege des professionellen Fußballs, sondern auch der Fußballwette. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg existierte ein inoffizielles Wettsystem. 1921 begann sich die Fußballwette dann Schritt für Schritt als populärste Art der Sportwetten zu etablieren, und 1923 gründete John Moores mit Colin Askham (geboren als Colin Littlewood) und Bill Hughes (die drei hatten sich während ihrer Zeit als Boten im Postamt von Manchester kennengelernt) ein Unternehmen für Fußballwetten: „Littlewood Football Pool“. Das Trio eröffnete in Liverpools Church Street sein erstes kleines Büro. Das Unternehmen schuf in Liverpool Tausende von Arbeitsplätzen für weibliche Arbeitskräfte. Und die Fußballwetten führten dazu, dass sich nun auch Frauen dafür interessierten, wie es am Wochenende um die Chancen des FC Liverpool oder von Manchester United bestellt war. In den 1930ern kam eine Schätzung zu dem Ergebnis, dass sich 16-mal mehr Menschen an den Wetten beteiligen, als die Fußballstadien betreten würden. 1932 baute Moores mit seinen Gewinnen den Versandhandel Littlewoods Mail Order Store auf, 1937 eröffnete schließlich die erste Filiale der Littlewoods-Kaufhauskette. Die Moores stiegen zu einer der reichsten Familien Englands auf. 1960 übergab John Moores die Leitung seines Wettunternehmens an seinen Bruder Cecil, um Vorsitzender des FC Everton zu werden. John Moores, als junger Mann wie sein Vater Fan von Manchester United und regelmäßiger Besucher im Old Trafford, führte den Klub von Juni 1960 bis Juli 1965 und von August 1968 bis August 1973. Moores, nach dem eine der Liverpooler Universitäten benannt wurde, hatte aber auch beim FC Liverpool seine Finger im Spiel, denn er wollte zwei erfolgreiche Klubs in seiner Stadt. Doch dazu später in diesem Buch.

      EINWURF

      Liverpool und Walther Bensemann

       von Bernd Beyer und Dietrich Schulze-Marmeling

      Bensemann, der beim Vorläufer des FC Bayern, der 1897 gegründeten Fußballabteilung des Münchener Männer-Turn-Vereins von 1879 (MTV 1879) mit von der Partie war, stammte aus einer wohlhabenden jüdischen Familie in Berlin, Vater Berthold war Bankier. Der Sohn wuchs in einer weltoffenen, intellektuell wie kulturell anregenden Atmosphäre auf; seine Mutter soll Musikabende im heimischen Salon organisiert haben, und die verwandtschaftlichen Kontakte der Familie reichten bis nach Schottland. Walther Bensemann wurde im Alter von zehn Jahren auf eine englische Schule in Montreux geschickt, wo ihn die englischen Mitschüler mit dem Spiel infizierten. Am Genfer See entwickelte Bensemann eine Begeisterung für alles, was er für typisch englisch hielt: das Ideal des Fair Play, die vorurteilsfreie Offenheit eines Weltbürgers, die Selbstdisziplin und die Philanthropie des Gentleman, die Erziehung zum „sportsman“.

      1887 gründete Bensemann gemeinsam mit englischen Schülern seinen ersten

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