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      Der Gesichtsausdruck des niederländischen Offiziers wurde sehr ernst.

      »Von dem vielen Militär wissen wir. Aber ein Panzerzug bei den Deutschen? Und Sie versichern mir auf Ehre und Gewissen, dass dies stimmt?«

      »Ja, was glauben Sie, weshalb ich unbedingt mit einem Offizier sprechen wollte und warum ich so aussehe?« Sie wies auf ihre Schrammen im Gesicht und an den Händen.

      Der Offizier griff zum Telefon und ließ sich mehrfach durchstellen: »Ja, Colonel Weemstra, snell!« Endlich hatte er den Gesuchten erreicht und gab den Bericht des Mädchens einschließlich ihres Namens weiter. Gleich darauf drückte er der überraschten Marijke den Hörer in die Hand.

      »Colonel Weemstra, Koninklijke Landmacht … Marijke Dijkstra ut Nieuweschans?«

      Das Mädchen bejahte. Der Offizier wollte auch die letzten Details wissen, ob die Lokomotive unter Dampf gestanden habe … und … und … und.

      Marijke versuchte, alle Fragen so gut wie möglich zu beantworten.

      »Sei vielmals bedankt. Das war sehr wichtig für uns!«

      Das Mädchen war regelrecht erschöpft, endlich lag der Telefonhörer wieder auf der Gabel.

      Schließlich traf sie zu Hause ein.

      »Marijke, endlich, da bist du ja wieder. Wir waren so besorgt!«

      *

      Unter dem Eindruck der furchtbaren Ereignisse im Deutschen Reich am 9. November 1938 verfasste der niederländische Dichter Eduard Hoornik (1910–1970) wenige Tage später das Gedicht »Pogrom«.

      Er, der Deutschland, und vor allem Berlin, gut kannte, thematisierte darin die antisemitischen Ausschreitungen und die brennenden Synagogen. Dem Leser, der sich zunächst in Berlin wähnt, wird in ebenso erschreckender wie hellsichtiger Art und Weise das Schicksal vor Augen geführt, welches den niederländischen Juden droht, denn …

      … Amsterdam liegt nur zehn Zugstunden von Berlin entfernt!

      11 – Nieuweschans

      Am Freitag, dem 10. Mai 1940, begann der als »Fall Gelb« bezeichnete deutsche Angriff auf die Beneluxstaaten und Nordfrankreich. Ab dem 5. Juni schloss sich der »Fall Rot«, der Vorstoß auf Südfrankreich und in Richtung der Schweizer Grenze an.

      *

      Sergeant Major Mulder schaute in den nächtlichen Himmel. Flugzeuge in großer Höhe. Man konnte nur ihre Motoren hören. Richtung Westen zogen sie, flogen über die Niederlande. Das Telefon, die Leitung war tot, er konnte das Oberkommando nicht mehr erreichen. Er war auf sich allein gestellt. Geräusche aus östlicher Richtung, vom anderen Ufer der Aa. Lastwagen? Panzer? Ganz deutlich aber Pferdegetrappel. Er legte den Schalter des großen Scheinwerfers um. Die Brücke und das andere Ufer wurden in gleißendes Licht getaucht. Deutsche Kavallerie! Und Soldaten, die ein Maschinengewehr schleppten! Den ersten Posten in Nieuweschans hatten sie also schon überrannt. Kein Schuss war gefallen, keinen Alarm hatte es gegeben.

      Er legt den zweiten Schalter für die Alarmsirene um. Schaurig heulte sie durch die Nacht. Schüsse peitschten. Es knallte, Splitter regneten und der Scheinwerfer erlosch. Mulder und seine Männer gingen hinter der Sandsackbarriere in Deckung. Eine Maschinengewehrsalve fegte über die Stellung. Gebückt rannte der Sergeant Major in den Unterstand. Er griff die Zündermaschine, kurbelte wie wild daran und drückte den Griff herunter. Mit einem gewaltigen Knall flog die Straßenbrücke in die Luft.

      Die Eisenbahnbrücke! Sie lag nur etwa zweihundertfünfzig Meter nördlich. Doch auch diese Telefonleitung war tot. In der Ferne war ein gleichmäßiges Schnaufen zu hören. De pantsertrein! Nur gut, dass man noch rechtzeitig gewarnt worden war. Etwa vier Kilometer westlich gab es eine weitere kleine Eisenbahnbrücke.

      Wieder der Griff zum Telefon. Verblüffenderweise kam die Verbindung sofort zustande.

      »Posten einundzwanzig!«

      »Hier Posten drei! Brücke über das buiskool diep sofort sprengen! De moffen komen!«

      »Verstanden!«

      Ein dumpfer Schlag war in der Ferne zu hören.

      »Posten einundzwanzig! Brücke gesprengt!«

      Als Sergeant Major Mulder sich umdrehte, blickte er in eine Gewehrmündung. Langsam hob er die Hände.

      Der deutsche Kommandotrupp hatte an der Eisenbahnbrücke in Nieuweschans bereits ganze Arbeit geleistet, den dortigen Posten überrumpelt, die Zündkabel durchgeschnitten und die Hindernisse auf den Gleisen beseitigt. Der Panzerzug raste zunächst ungehindert durch den Ort und weiter gen Westen, bis er vor der gesprengten Brücke zum Stehen kam.

      *

      Viele strategisch wichtige Bauwerke wie die erwähnte Eisenbahnbrücke in Nieuweschans waren bereits von Vorauskommandos in deutsche Hand gebracht worden. Teils waren diese Trupps schon Tage zuvor in manch abenteuerlicher Verkleidung in das Nachbarland eingesickert, teils mit Fallschirmen abgesprungen. Die Brücke über das »buiskool diep« war bereits nach wenigen Stunden von Pionieren repariert worden. Der Panzerzug kam noch bis Winschoten, wo er durch eine quer gestellte Drehbrücke endgültig gestoppt und die Besatzung von den Verteidigern in ein schweres Feuergefecht verwickelt wurde. Die gesprengte Straßenbrücke in Nieuweschans wurde durch eilends herangeholte Lastkähne und eine darübergelegte Bohlenbrücke ersetzt.

      Die Invasion ließ sich durch nichts mehr aufhalten. Der Brutalität und Geschwindigkeit des deutschen Vormarsches waren die Streitkräfte des kleinen Landes nicht gewachsen. An manchen Orten tobten schwerste Kämpfe. Aber auch Tausende niederländischer Soldaten, in der Kriegsführung ungeübt und demoralisiert, gingen in deutsche Gefangenschaft, ohne einen Schuss abgegeben zu haben. Am 13. Mai 1940 wurden die niederländische Königsfamilie und einige Regierungsmitglieder an Bord eines Zerstörers der Royal Navy ins Exil nach Großbritannien gebracht. Die Kämpfe fanden am 14. Mai 1940 ihren schaurigen Höhepunkt in der Bombardierung Rotterdams durch die Luftwaffe, um den anhaltenden Widerstand der Niederländer endgültig zu brechen. Etwa neunhundert Tote, überwiegend Zivilisten, und die Zerstörung der gesamten Altstadt waren die Folge. Der Angriff überschnitt sich mit dem Beginn der Kapitulationsverhandlungen. Nur ein Teil der Bomber hatte noch zurückgerufen werden können.

      Am Abend des 14. Mai kapitulierten die Niederlande. Am 28. Mai streckten die Belgier die Waffen, am 10. Juni Norwegen, gefolgt von Frankreich am 25. Juni. Die lange Zeit der Besetzung begann.

      Bekanntmachung für das besetzte Gebiet

      vom 10.5.1940

      Auf Grund der mir vom Oberbefehlshaber des Heeres erteilten Ermächtigung mache ich bekannt:

      I. Die deutsche Wehrmacht gewährleistet den Einwohnern volle Sicherheit ihrer Person und ihres Eigentums. Wer sich ruhig und friedlich verhält, hat nichts zu befürchten.

      II. Gewalttaten und Sabotageakte sind mit den schwersten Strafen bedroht. Als Sabotage wird auch jede Beschädigung oder Entziehung von Ernteerzeugnissen,

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