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von den Hubschrauberbesatzungen und Feuerwehrleuten, die an ihnen vorbeihasteten.

      »Da vorne die Treppe runter«, sagte der Notfallsanitäter, der am Kopfende neben Harald trug.

      Unten befand sich ein weiteres Gate mit einem direkten Zugang zum Vorfeld. Draußen erwartete sie bereits der Pilot, der Marie die Trage abnahm.

      Der Doc deutete auf die Infusion, die auf dem Bauch des Patienten lag. »Zusammenpressen«, sagte er. »Ich will, dass die leer ist, wenn wir am Heli sind.«

      Marie drückte den Beutel mit beiden Händen zusammen, während sie neben der Trage über das Rollfeld lief. Als sie an dem orangefarbenen Rettungshubschrauber ankamen, schmerzten ihre Finger.

      Eine Minute später hoben Marie und Harald die Arme schützend vor das Gesicht, während der Helikopter abhob und der Wind der Rotoren an ihnen zerrte.

      Die LNA fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Kommt, lasst es. Hat keinen Zweck.«

      Mark drückte noch einige Male auf den Brustkasten des Endzwanzigers vor ihm, warf einen prüfenden Blick auf den EKG-Monitor, der eine schnurgerade Linie zeigte, und richtete sich auf. »Ach, Scheiße!« Er zog die Latexhandschuhe aus und warf sie heftig auf den Boden.

      »Kann man nichts machen«, sagte Tim.

      »Sieh an, deine neue Flamme ist wieder da.«

      »Was für eine Flamme, bitte schön?«

      »Na, die Kriminalzicke mit der engen Jeans.«

      »Na ja.«

      »Was war das vorhin?«

      »Wieso? Was soll gewesen sein?«

      »Komm schon. Da läuft doch was.«

      Tim sah Marie nach, wie sie mit ihrem Kollegen durch die Trümmer streifte und hin und wieder in die Knie ging, um etwas genauer zu untersuchen. »Schön wär’s.«

      »Mann, du hast es echt mit den Frauen«, sagte Mark.

      »Besser als du.«

      »Deshalb bleibe ich bei den Männern.«

      »Sollte ich auch mal versuchen. Würde manches vereinfachen.«

      »Nee, lieber nicht«, sagte die LNA und stand auf.

      »Was?«

      Sie grinste und ging. »Kommt ihr? Die Arbeit ruft!«

      Notärzte waren ein seltsamer Haufen.

      Langsam ließ er den Wagen ausrollen, zog die Handbremse an und drehte den Schlüssel aus dem Zündschloss.

      Er hatte es getan. Er hatte es wirklich getan.

      Es war gar nicht schwer gewesen. Koffer auf, Paket rein, Koffer zu. Was war schon dabei?

      Der Rest lag in Allahs Händen allein. Und die Wege des Allwissenden waren voller Wunder. Was der Schöpfer, der ewig Bleibende, der Glorreiche für ihn bereithielt, das hätte er niemals gedacht. Dass er ihn in seiner unendlichen Weisheit auf den gerechten Pfad führte und ihn mit Männern zusammenbrachte, die ebenso entschlossen waren, für ihren Glauben zu kämpfen, wie er. Männer, in deren Stärke, Mut und Unerschütterlichkeit er ein Vorbild gefunden hatte.

      Sie würden stolz auf ihn sein.

      Allah würde stolz auf ihn sein.

      Er blickte aus dem Fenster auf die endlos lange, beige gestrichene Betonfront der Werkshalle vor ihm. Er war spät dran, Schichtbeginn war in nicht einmal 15 Minuten.

      Aber arbeiten? Heute? Er brannte darauf, seinen Brüdern die guten Neuigkeiten zu überbringen. Er sah auf die Uhr. In ein, zwei Stunden konnte er sie in der Moschee treffen. Vorher noch zur Arbeit? Ach was. Kurz entschlossen ließ er das Auto wieder an, setzte zurück und schlitterte übermütig mit quietschenden Reifen auf die Straße.

      Kapitel 2

      20. Mai

      Marie und Harald waren die letzten, die den Konferenzraum betraten. Sie grüßten und entschuldigten sich für die Verspätung.

      »Macht nichts«, sagte Kriminaloberrat Decker. Er war heute Polizeiführer vom Dienst und hatte vor Ort den Einsatz geleitet. Ein hohes Tier, aber ein netter Mensch. Vorausgesetzt, man folgte seinen Anordnungen.

      Mit Decker am runden Besprechungstisch saß ihr Team der dritten Mordbereitschaft: Leiter Arthur Thewes und die Kollegen Markus Schnittgereit und Johannes Tritscher. Außerdem ein Kollege und eine Kollegin, die Marie vom Sehen kannte, aber nicht einordnen konnte, und ein uniformierter Polizist, dessen fünf silberne Sterne an der Schulter ihn als Ersten Kriminalhauptkommissar auswiesen. Seinen Ärmel zierte ein Wappen mit dem Bundesadler. Bundespolizei also. Er war um die 50, hatte einen kahlgeschorenen Schädel und ausgeprägte Lachfalten. Es war nicht ein Staubkorn auf der Uniform, und er war der Einzige, der nicht nach Rauch und Tod stank wie alle anderen am Tisch, Decker eingeschlossen.

      Marie und Harald setzen sich.

      Decker räusperte sich. »Gut, dann können wir ja anfangen.« Er griff zu einer Fernbedienung und schaltete den Beamer ein, der unter der Decke hing.

      »Sie alle wissen, warum wir hier sind: Heute Morgen um 7.37 Uhr ist eine Bombe im Check-in-Bereich des Terminals 1 im Helmut-Schmidt-Flughafen Hamburg explodiert. Die Anzahl der Todesopfer beläuft sich derzeit auf 17, die Anzahl der Verletzten auf rund 140. Wir müssen damit rechnen, dass noch einige von ihnen ihren schweren Verletzungen erliegen werden. Der Ort der Explosion war genau hier.«

      Decker drückte auf eine Taste an seinem Notebook. Der Beamer warf einen Grundriss des Terminals auf die Leinwand. Links schlossen sich die Sicherheitskontrollbereiche an, oben der Ladenbereich mit den Rolltreppen zu den Restaurants und unten die Zufahrt. In der rechten unteren Ecke war eine rote Markierung, auf die Decker jetzt deutete.

      »Wie Sie sehen – und die meisten von Ihnen auch vor Ort feststellen konnten – ist der Bereich in unmittelbarer Nähe des Infoschalters vor Check-in-Bereich drei. Dieser wird von einer Reihe von Fluggesellschaften, unter anderem Turkish Airlines, genutzt. Der Bereich wird natürlich videoüberwacht, aber leider sind die Kameras ziemlich weit weg, sodass die Bildqualität nicht optimal ist. Die folgenden Aufnahmen setzen etwa 30 Sekunden vor der Detonation ein.«

      Der Grundriss auf der Leinwand machte einem Videobild Platz. Die Kamera musste ungefähr in der Mitte der verglasten Hallenfront in einigen Metern Höhe montiert sein, sie zeigte den Check-in-Bereich schräg von oben. Noch war eine Totale des Bereichs zu sehen, aber einige Sekunden nach dem Start des Videos schwenkte und zoomte sie näher an die Szene. Offenbar hatte etwas die Aufmerksamkeit des Operators erregt.

      »Bitte beachten Sie diese beiden Männer«, sagte Decker und markierte mit einem Laserpointer zwei Gestalten, die beide eine Hand am Ausziehgriff desselben Rollkoffers hatten.

      Die Männer gestikulierten, offensichtlich im Streit. Die Gesten wurden ausladender, beide zerrten an dem Koffer, der zwischen ihnen hin und her gerissen wurde. Die Kamera ging nahe heran und folgte der Auseinandersetzung.

      Einer der Männer ließ den Koffer los und fiel nach hinten, aus dem Sichtbereich der Kamera heraus.

      Keine zwei Sekunden später wurde die Leinwand übergangslos grellweiß. Als das Bild zurückkehrte, zeigte es nur Rauch und Staub. Decker stoppte die Wiedergabe, bevor die Wolke sich gelegt hatte, und ersparte ihnen die grausigen Bilder, die sie ohnehin alle kannten und die sie noch lange mit sich herumtragen würden.

      »Wie Sie sehen, können wir auf den Aufnahmen nicht unmittelbar erkennen, ob der Koffer, um den die beiden sich stritten, der Ausgangspunkt der Explosion war. Unsere Spezialisten hegen daran aber kaum Zweifel. Über die Machart der Bombe wissen wir noch nichts. Bei den Männern handelt es sich vermutlich um einen Wolfgang Boskop, deutscher Staatsbürger, und um einen Deutschtürken namens Ibrahim Kabaoglu. Boskop lebt, ist jedoch in kritischem Zustand. Kabaoglu ist tot. Er hinterlässt eine Frau und eine Tochter, die ebenfalls am Flughafen waren und derzeit psychologisch betreut werden, sowie einen Sohn. Sie alle

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