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nickte.

      »Dem Himmel sei Dank. Da drüben, die dritte Trage in der zweiten Reihe. Dem geht’s richtig mies. Tut, was ihr könnt.«

      Ein anderer Retter kam heran und griff ihren Arm. »Doc, schnell!« Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern zog sie davon.

      »Kriegen wir keinen Arzt?«, rief Tim ihr nach.

      »Sobald ich einen frei habe«, rief sie zurück.

      »Dann wollen wir mal«, sagte Mark.

      Sie liefen zu ihrem Patienten. Der Mann war bewusstlos. Ruß und Blut bedeckten Gesicht und Körper, Haare und Gesicht waren auf der linken Kopfseite verbrannt. Auch sonst hatte es ihn auf dieser Seite schlimm erwischt. Es war schwer zu unterscheiden, was verkohlte Kleidung und was Hautfetzen waren. Rechts sah es besser aus, aber nicht viel.

      Die Atmung des Mannes war flach und angestrengt. Jemand hatte ihm eine Infusion angelegt, die Plastikflasche lag in Ermangelung eines Infusionsständers auf seiner Brust. Ansonsten war er, wie es schien, unversorgt.

      Tim und Mark schauten sich an. Mark verzog das Gesicht. Sah nicht gut aus.

      Sie zogen Einmalhandschuhe an. Tim horchte die Lungen ab, Mark steckte den Sensor des Pulsoxymeters auf einen Finger des Patienten und klebte die EKG-Elektroden auf. »Sauerstoffsättigung bei 88«, sagte er. Kein guter Wert.

      »Atemgeräusche seitenungleich«, stellte Tim fest. »Pneumothorax?«

      »Kann nach einer Explosion gut sein.«

      Wenn sie recht hatten, war Luft in den Brustraum geraten und drückte die Lunge zusammen.

      Mark sah auf das Display. »Sättigung jetzt noch 86. Er braucht eine Druckentlastung.«

      Tim richtete sich auf. »Doc?«, rief er. »Irgendeiner? Wir brauchen hier einen Arzt für eine Thoraxdrainage!«

      »Mach selber«, rief die leitende Notärztin aus einiger Entfernung. »Schaffst du schon.«

      »Na gut«, knurrte Tim. »Du hast es gehört: Wir haben die offizielle Anweisung einer Ärztin.« Er zog eine Kanüle aus dem Notfallrucksack. Normalerweise war sie für Infusionen gedacht, aber das spielte keine Rolle. Die Reste des Hemds riss er kurzerhand ab, dann reinigte und desinfizierte er die Einstichstelle zwischen der zweiten und dritten Rippe, zog die Plastikkappe der Kanüle mit den Zähnen ab und spuckte sie beiseite. Danach stach er sie wenige Zentimeter tief in den Brustkorb ein und zog die innere Stahlnadel ein Stück zurück. Nichts. Er schob weiter vor und probierte es erneut. Diesmal zischte es. Er zog die Stahlnadel heraus und fixierte die Kunststoffkanüle mit einem Pflasterstreifen auf der Haut, während die aufgestaute Luft weiter aus dem Brustraum entwich.

      Rasch wurde die Atmung des Mannes ruhiger und tiefer.

      »Weiter im Programm«, murmelte Tim. Sie prüften Blutdruck und Pupillen, suchten Blutungsquellen und tasteten den Patienten nach weiteren Verletzungen ab.

      »Unglaublich«, sagte Tim, »nichts gebrochen.«

      »Aber Blutdruck und Sättigung gehen weiter in den Keller. Puls ist bei 140.«

      »Innere Blutung?«

      »Könnte sein. Und Schädel-Hirn-Trauma, sonst müsste er längst wieder wach sein.«

      Wie auf Kommando stöhnte der Mann und begann, schwach mit den Armen zu rudern.

      »Gut, vielleicht doch nichts Dramatisches am Kopf.«

      Tim nahm vorsichtig die blutige Hand des Patienten. »Sie sind verletzt. Wir kümmern uns um Sie, machen Sie sich keine Sorgen.«

      Der Mann öffnete die Augen und sah sich mit flatterigem Blick um. »Wo bin ich?«, krächzte er.

      »Am Flughafen. Wir werden Sie, so schnell es geht, in ein Krankenhaus bringen.«

      Ihr Patient schloss die Augen wieder und stöhnte. »Alles ist … falsch. Sollte … nicht passieren.«

      »Können Sie mir Ihren Namen sagen?«

      »Der Koffer … Er hat … gekämpft … umgeworfen …«

      »Ihr Name? Können Sie ihn mir sagen?«

      Der Mann fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Wolfgang … Boskop.«

      »Wissen Sie, welchen Tag wir heute haben?«

      Wolfgang Boskop stöhnte und zog schwach die Beine an.

      »Haben Sie Schmerzen?«

      Er nickte ein wenig. »Bauch«, flüsterte er. »Gesicht.«

      Tim drückte auf den linken Oberbauch, der Mann stöhnte auf. Tim und Mark sahen einander an und waren sich einig. Verdacht auf Milzriss. Das bedeutete, dass der Mann in kurzer Zeit verbluten konnte, ohne dass ein Tropfen nach außen trat.

      »Wir werden Ihnen etwas gegen die Schmerzen geben«, sagte Tim. »Keine Angst, das wird wieder.« Er winkte die LNA heran.

      »Drainage liegt?«, fragte sie. »Gut gemacht.«

      »Wenn er hier nicht bald wegkommt, nützt ihm das nichts.« Tim zählte leise die Symptome auf. Die Ärztin nickte und legte dem Patienten ein rotes Armband ums Handgelenk. »Hohe Transportprio. Aber ihr fahrt ihn nicht, ich brauche euch hier. Gebt ihm Ketanest und Dormicum, dann meldet euch bei mir.«

      Ein Feuerwehrmann kam heran. Auf den Armen trug er den leblosen Körper einer jungen Frau. Kopftuch und Kleid waren blutdurchtränkt. »Leichenablage?«

      Die Ärztin wies flüchtig zur Rückseite der Halle und lief zu einem anderen Team, das mit einer Wiederbelebung beschäftigt war. »Lasst das«, rief sie. »Die Zeit haben wir nicht. Da, kümmert euch um den!«

      Der Kollege mit der Toten ging. Tim sah ihm nach, wie er die Leiche zu einer Reihe anderer legte und einen Moment verharrte, bevor er aufstand und zur Einsatzstelle zurückkehrte.

      »Wenig Todesopfer«, sagte er.

      »Das bedeutet viele Verletzte. Los, mach hin!«

      Tim zog die Medikamente auf, während Mark Wundauflagen aus ihren sterilen Verpackungen riss, sie auf die Brandwunden legte und Kochsalzlösung aus einem Infusionsbeutel darüber goss, um die verbrannte Haut feucht zu halten.

      »Halt!«, rief eine Frauenstimme.

      Mark sah kurz auf. Eine Gruppe stand vor ihm, teils uniformierte Polizisten, teils in Zivil. Tim ignorierte sie und steckte die Spritze an den Adapter der Infusionskanüle.

      »Ist er das?«, fragte die Frau.

      »Ja, ich glaube schon«, sagte eine andere Frau.

      »Sie beide, wir müssen mit dem Mann reden.«

      »Habt ihr sie noch alle?«, fragte Mark. »Ihr könnt uns doch nicht einfach in die Behandlung pfuschen.«

      »Wollen Sie den Mann gerade in Narkose legen?«

      »Was dagegen?«, fragte Tim und drückte auf den Kolben der Spritze. Langsam ließ er die Medis in die Vene des Patienten laufen.

      »Stopp!«, rief die Frau.

      Nun schaute auch Tim auf – und blickte in ein sommersprossiges Gesicht unter rotblonden Locken. Dieses Gesicht so schnell wiederzusehen, hatte er nicht erwartet.

      »Oh nein«, sagte sie. Schon wieder.

      »Oh doch«, antwortete er und drückte den Kolben ganz durch. Die Unruhe des Patienten legte sich, der Kopf fiel zur Seite.

      »Das kannst du …« Sie schloss die Augen und schüttelte den Kopf. »Das können Sie …«

      Tim stand auf. »Hör mal, erzähl uns nicht, wie wir unsere Patienten behandeln sollen, okay? Wir sagen euch auch nicht, wie man Strafzettel schreibt.«

      Die LNA stellte sich zu ihm. »Gibt’s Probleme?«

      »Ich weiß nicht«, sagte Tim und schaute die Polizistin an. »Gibt

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