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auf die Spur zweier Pferde, welche von West nach Ost führte.

      »Nun, Halef, kennst du diese Ethar, diese Fährte?«

      »Masch Allah, du hattest recht, Sihdi! Sie gehen nach Seddada.«

      Ich stieg ab und untersuchte die Eindrücke.

      »Sie sind erst vor einer halben Stunde hier vorübergekommen. Laß uns langsamer reiten, sonst sehen sie uns hinter sich.«

      Die Ausläufer des Dschebel Tarfaui senkten sich allmählich in die Ebene hernieder, und als die Sonne unterging und nach kurzer Zeit der Mond emporstieg, sahen wir Seddada zu unsern Füßen liegen.

      »Reiten wir hinab?« fragte Halef.

      »Nein. Wir schlafen unter den Oliven dort am Abhange des Berges.«

      Wir bogen ein wenig von unserer Richtung ab und fanden unter den Ölbäumen einen prächtigen Platz zum Bivouac. Wir waren beide an das heulende Bellen des Schakal, an das Gekläffe des Fennek und an die tieferen Töne der schleichenden Hyäne gewöhnt und ließen uns von diesen nächtlichen Lauten nicht im Schlafe stören. Als wir erwachten, war es mein erstes, die gestrige Fährte wieder aufzusuchen. Ich war überzeugt, daß sie mir hier in der Nähe eines bewohnten Ortes nicht mehr von Nutzen sein werde, fand aber zu meiner Überraschung, daß sie nicht nach Seddada führte, sondern nach Süden bog.

      »Warum gingen sie nicht hernieder?« fragte Halef.

      »Um sich nicht sehen zu lassen. Ein verfolgter Mörder muß vorsichtig sein.«

      »Aber wohin gehen sie denn?«

      »Jedenfalls nach Kris, um über den Dscherid zu reiten. Dann haben sie Algerien hinter sich und sind in leidlicher Sicherheit.«

      »Wir sind doch bereits in Tunis. Die Grenze geht vom Bir el Khalla zum Bir el Tam über den Schott Rharsa.«

      »Das kann solchen Leuten noch nicht genügen. Ich wette, daß sie über Fezzan nach Kufarah gehen, denn erst dort sind sie vollständig sicher.«

      »Das würde ihnen einem Konsul oder Polizei-Agenten gegenüber nicht viel nützen.«

      »Du sprichst so, trotzdem du ein freier Araber sein willst?«

      »Ja. Ich habe in Ägypten gesehen, was der Großherr vermag; aber in der Wüste fürchte ich ihn nicht. Werden wir jetzt nach Seddada gehen?«

      »Ja, um Datteln zu kaufen und einmal gutes Wasser zu trinken. Dann aber setzen wir den Weg fort.«

      »Nach Kris?«

      »Nach Kris.«

      Bereits eine Viertelstunde später hatten wir uns restauriert und folgten dem Reitwege, welcher von Seddada nach Kris führt. Zu unserer Linken glänzte die Fläche des Schott Dscherid zu uns herauf, ein Anblick, den ich vollständig auszukosten suchte.

      Die Sahara ist ein großes, noch immer nicht gelöstes Rätsel. Schon seit Virlet d’Aoust im Jahre 1845 besteht das Projekt, einen Teil der Wüste in ein Meer und dadurch die anliegenden Gebiete in ein fruchtbares Land zu verwandeln und so auch die Bewohner dieser Strecken dem Fortschritte der Civilisation näher zu bringen. Ob aber dieses Projekt ausführbar und dann auch von den beabsichtigten Erfolgen gekrönt sein wird, darüber läßt sich noch immer streiten.

      Am Fuße des Südabhanges des Dschebel Aures und der östlichen Fortsetzung dieser Bergmasse, also des Dra el Haua, Dschebel Tarfaui, Dschebel Situna und Dschebel Hadifa, dehnt sich eine einheitliche unübersehbare, hier und da leicht gewellte Ebene aus, deren tiefste Stellen mit Salzkrusten und Salzauswitterungen bedeckt sind, welche als Überreste einstiger großer Binnengewässer im algerischen Teile den Namen Schott und im tunesischen Teile den Namen Sobha oder Sebcha führen. Die Grenze dieses eigentümlichen und hochinteressanten Gebietes bilden im Westen die Ausläufer des Beni-Mzab-Plateau, im Osten die Landenge von Gabes und im Süden die Dünenregion von Ssuf und Nifzaua nebst dem langgestreckten Dschebel Tebaga. Vielleicht ist unter dieser Einsenkung der Golf von Triton zu verstehen, von welchem uns Herodot, der Vater der Geschichtschreibung, berichtet.

      Außer einer großen Anzahl kleinerer Sümpfe, welche im Sommer ausgetrocknet sind, besteht dieses Gebiet aus drei größeren Salzseen, nämlich, von West nach Ost verfolgt, aus den Schotts Melrir, Rharsa und Dscherid, welch letzterer auch El Kebir genannt zu werden pflegt. Diese drei Becken bezeichnen eine Zone, deren westliche Hälfte tiefer liegt, als das Mittelmeer bei Gabes zur Zeit der Ebbe.

      Die Einsenkung des Schottgebietes ist heutzutage zum großen Teile mit Sandmassen angehäuft, und nur in der Mitte der einzelnen Bassins hat sich eine ziemlich beträchtliche Wassermasse erhalten, welche durch ihr Aussehen den arabischen Schriftstellern und Reisenden Veranlassung gab, sie bald mit einem Kampferteppich oder einer Krystalldecke, bald mit einer Silberplatte oder der Oberfläche geschmolzenen Metalls zu vergleichen. Dieses Aussehen erhalten die Schotts durch die Salzkruste, mit der sie bedeckt sind und deren Dicke sehr verschieden ist, so daß sie zwischen zehn und höchstens zwanzig Centimeter variiert. Nur an einzelnen Stellen ist es möglich, sich ohne die eminenteste Lebensgefahr auf sie zu wagen. Wehe dem, der auch nur eine Hand breit von dem schmalen Pfade abweicht! Die Kruste giebt nach, und der Abgrund verschlingt augenblicklich sein Opfer. Unmittelbar über dem Kopfe des Versinkenden schließt sich alsbald die Decke wieder. Die schmalen Furten, welche über die Salzdecke der Schotts führen, werden besonders in der Regenzeit höchst gefährlich, indem der Regen die vom Flugsande überdeckte Kruste bloßlegt und auswäscht.

      Das Wasser dieser Schotts ist grün und dickflüssig und bei weitem salziger als das des Meeres. Ein Versuch, die Tiefe des Abgrundes unter sich zu messen, würde des Terrains halber zu keinem Resultate führen, doch darf wohl angenommen werden, daß keiner der Salzmoräste tiefer als fünfzig Meter ist. Die eigentliche Gefahr bei dem Einbrechen durch die Salzdecke ist bedingt durch die Massen eines flüssigen, beweglichen Sandes, welcher unter der fünfzig bis achtzig Centimeter tiefen, hellgrünen Wasserschicht schwimmt und ein Produkt der Jahrtausende langen Arbeit des Samums ist, der den Sand aus der Wüste in das Wasser trieb.

      Schon die ältesten arabischen Geographen, wie Ebn Dschobeir, Ebn Batuta, Obeidah el Bekri, El Istakhri und Omar Ebn el Wardi, stimmen in der Gefährlichkeit dieser Schotts für die Reisenden überein. Der Dscherid verschlang schon Tausende von Kamelen und Menschen, welche in seiner Tiefe spurlos verschwanden. Im Jahre 1826 mußte eine Karawane, welche aus mehr als tausend Lastkamelen bestand, den Schott überschreiten. Ein unglücklicher Zufall brachte das Leitkamel, welches an der Spitze des Zuges schritt, vom schmalen Wege ab. Es verschwand im Abgrunde des Schott, und ihm folgten alle anderen Tiere, welche rettungslos in der zähen, seifigen Masse verschwanden. Kaum war die Karawane verschwunden, so nahm die Salzdecke wieder ihre frühere Gestalt an, und nicht die kleinste Veränderung, das mindeste Anzeichen verriet den gräßlichen Unglücksfall. Ein solches Vorkommnis könnte unmöglich erscheinen, aber um es zu glauben, muß man sich nur vergegenwärtigen, daß jedes Kamel gewohnt ist, dem voranschreitenden, mit dem es ja meist auch durch Stricke verbunden ist, blind und unbedingt zu folgen, und daß der Pfad über die Schotts oft so schmal ist, daß es einem Tiere oder gar einer Karawane ganz unmöglich wird, wieder umzukehren.

      Der Anblick dieser tückischen Flächen, unter denen der Tod lauert, erinnert an einzelnen Stellen an den bläulich schillernden Spiegel geschmolzenen Bleies. Die Kruste ist zuweilen hart und durchsichtig wie Flaschenglas und klingt bei jedem Schritte wie der Boden

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