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tragen kann.«

      »Willst du uns führen?«

      »Ja, Effendi.«

      »So laß uns zunächst den Schott besehen!«

      »Du hast noch keinen Schott überschritten?«

      »Nein.«

      »So komm! Du sollst den Sumpf des Todes sehen, den Ort des Verderbens, das Meer des Schweigens, über welches ich dich hinwegführen werde mit sicherem Schritte.«

      Wir verließen die Hütte und wandten uns nach Osten. Nachdem wir einen breiten, sumpfigen Rand überschritten hatten, gelangten wir an das eigentliche Ufer des Schott, dessen Wasser vor der Salzkruste, die es deckte, nicht zu sehen war. Ich stach mit meinem Messer hindurch und fand das Salz vierzehn Centimeter dick. Dabei war es so hart, daß es einen mittelstarken Mann zu tragen vermochte. Es wurde verhüllt von einer dünnen Lage von Flugsand, welcher an vielen Stellen weggeweht war, die dann in bläulich weißem Schimmer erglänzten.

      Noch während ich mit dieser Untersuchung beschäftigt war, ertönte hinter uns eine Stimme:

      »Sallam aaleïkum, Friede sei mit euch!«

      Ich wandte mich um. Vor uns stand ein schlanker, krummbeiniger Beduine, dem irgend eine Krankheit oder wohl auch ein Schuß die Nase weggenommen hatte.

      »Aaleïkum!« antwortete Sadek. »Was thut mein Bruder Arfan Rakedihm hier am Schott? Er trägt die Reisekleider. Will er fremde Wanderer über die Sobha führen?«

      »So ist es,« antwortete der Gefragte. »Zwei Männer sind es, die gleich kommen werden.«

      »Wohin wollen sie?«

      »Nach Fetnassa.«

      Der Mann hieß Arfan Rakedihm und war also der andere Führer, von welchem Sadek gesprochen hatte. Er deutete jetzt auf mich und Halef und fragte:

      »Wollen diese zwei Fremdlinge auch über den See?«

      »Ja.«

      »Wohin?«

      »Auch nach Fetnassa.«

      »Und du sollst sie führen?«

      »Du errätst es.«

      »Sie können gleich mit mir gehen; dann ersparst du dir die Mühe.«

      »Es sind Freunde, die mir keine Mühe machen werden.«

      »Ich weiß es: du bist geizig und gönnst mir nichts. Hast du mir nicht stets die reichsten Reisenden weggefangen?«

      »Ich fange keinen weg; ich führe nur die Leute, welche freiwillig zu mir kommen.«

      »Warum ist Omar, dein Sohn, Führer nach Seftimi geworden? Ihr nehmt mir mit Gewalt das Brot hinweg, damit ich verhungern soll; Allah aber wird euch strafen und eure Schritte so lenken, daß euch der Schott verschlingen wird.«

      Es mochte sein, daß die Konkurrenz hier eine Feindschaft entwickelt hatte, aber dieser Mann besaß überhaupt keine guten Augen, und so viel war sicher, daß ich mich ihm nicht gern anvertraut hätte. Er wandte sich von uns und schritt am Ufer hin, wo in einiger Entfernung die zwei Reiter erschienen, welche er führen sollte. Es waren die beiden Männer, welche wir in der Wüste getroffen und dann verfolgt hatten.

      »Sihdi,« rief Halef. »Kennst du sie?«

      »Ich kenne sie.«

      »Wollen wir sie ruhig ziehen lassen?«

      Er hob bereits das Gewehr zum Schusse empor. Ich hinderte ihn daran.

      »Laß! Sie werden uns nicht entgehen.«

      »Wer sind die Männer?« fragte unser Führer.

      »Mörder,« antwortete Halef.

      »Haben sie jemand aus deiner Familie oder aus deinem Stamme getötet?«

      »Nein.«

      »Hast du über Blut mit ihnen zu richten?«

      »Nein.«

      »So laß sie ruhig ziehen! Es taugt nicht, sich in fremde Händel zu mischen.«

      Der Mann sprach wie ein echter Beduine. Er hielt es nicht einmal für nötig, die Männer, welche ihm als Mörder geschildert worden waren, mit einem Blick zu betrachten. Auch sie hatten uns bemerkt und erkannt. Ich sah, wie sie sich beeilten, auf die Salzdecke zu kommen. Als dies geschehen war, hörten wir ein verächtliches Lachen, mit welchem sie uns den Rücken kehrten.

      Wir gingen in die Hütte zurück, ruhten noch bis Mittag aus, versahen uns dann mit dem nötigen Proviante und traten die gefährliche Wanderung an.

      Ich habe auf fremden, unbekannten Strömen zur Winterszeit mit Schneeschuhen meilenweite Strecken zurückgelegt und mußte jeden Augenblick gewärtig sein, einzubrechen, habe aber dabei niemals die Empfindung wahrgenommen, welche mich beschlich, als ich jetzt den heimtückischen Schott betrat. Es war nicht etwa Furcht oder Angst, sondern es mochte ungefähr das Gefühl eines Seiltänzers sein, der nicht genau weiß, ob das Tau, welches ihn trägt, auch gehörig befestigt worden ist. Statt des Eises eine Salzdecke – das war mir mehr als neu. Der eigentümliche Klang, die Farbe, die Krystallisation dieser Kruste – das alles erschien mir zu fremd, als daß ich mich hätte sicher fühlen können. Ich prüfte bei jedem Schritte und suchte nach sicheren Merkmalen für die Festigkeit unseres Fußbodens. Stellenweise war derselbe so hart und glatt, daß man Schlittschuhe hätte benutzen können, dann aber hatte er wieder das schmutzige, lockere Gefüge von niedergetautem Schnee und vermochte nicht, die geringste Last zu tragen.

      Erst nachdem ich mich über das so Ungewohnte einigermaßen orientiert hatte, stieg ich zu Pferde, um mich nächst dem Führer auch zugleich auf den Instinkt meines Tieres zu verlassen. Der kleine Hengst schien gar nicht zum erstenmale einen solchen Weg zu machen. Er trabte, wo Sicherheit vorhanden war, höchst wohlgemut darauf los und zeigte dann, wenn sein Vertrauen erschüttert war, eine ganz vorzügliche Liebhaberei für die besten Stellen des oft kaum fußbreiten Pfades. Er legte dann die Ohren vor oder hinter, beschnupperte den Boden, schnaubte zweifelnd oder überlegend und trieb die Vorsicht einigemale so weit, eine zweifelhafte Stelle erst durch einige Schläge mit dem Vorderhufe zu prüfen.

      Der Führer schritt voran; ich folgte ihm, und hinter mir ritt Halef. Der Weg nahm unsere Aufmerksamkeit so in Anspruch, daß nur wenig gesprochen wurde. So waren wir bereits über drei Stunden unterwegs, als sich Sadek zu mir wandte:

      »Nimm dich in acht, Sihdi! Jetzt kommt die schlimmste Stelle des ganzen Weges.«

      »Warum schlimm?«

      »Der Pfad geht oft durch hohes Wasser und wird dabei auf eine lange Strecke so schmal, daß man ihn mit zwei Händen bedecken kann.«

      »Bleibt der Boden stark genug?«

      »Ich weiß es nicht genau; die Stärke unterliegt oft großen Veränderungen.«

      »So werde ich absteigen, um die Last zu halbieren.«

      »Sihdi, thue es nicht. Dein Pferd geht sicherer als du.«

      Hier war der Führer Herr und Meister; ich gehorchte ihm also und blieb sitzen. Doch noch heute denke ich mit Schaudern an die zehn Minuten, welche nun folgten; zehn Minuten nur, aber unter solchen Verhältnissen sind sie eine Ewigkeit.

      Wir hatten ein Terrain erreicht, auf welchem Thal und Hügel wechselte. Die wellenförmigen Erhebungen bestanden zwar aus hartem, haltbarem Salze, die Thalmulden aber aus einer zähen, breiartigen Masse, in welcher sich nur einzelne schmale Punkte befanden, auf denen Mensch und Tier nur unter höchster Aufmerksamkeit und mit der größten Gefahr zu fußen vermochten. Und dabei ging mir, trotzdem ich auf dem Pferde saß, das grüne Wasser oft bis an die Oberschenkel heran, so daß die Stellen, auf denen man fußen konnte, erst unter der Flut gesucht werden mußten. Dabei war das allerschlimmste, daß der Führer und dann wieder auch die Tiere diese Stellen erst suchen und dann probieren mußten, ehe sie sich mit dem ganzen

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