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uns gesuchte sei. Omar konnte sich ja geirrt haben, was mir allerdings nicht wahrscheinlich erschien, wenn ich in Betracht zog, daß dieser Gastfreund uns angezeigt hatte. Welches Verbrechens er uns bezüchtigt hatte, ahnte ich. Jedenfalls war er ein früherer Bekannter des Wekil und benutzte dies, uns auf irgend eine Weise unschädlich zu machen.

      Der Statthalter klatschte in die Hände, und sogleich erschien ein schwarzer Diener, der sich vor ihm wie vor dem Sultan auf die Erde warf. Der Wekil flüsterte ihm einige Worte zu, worauf er sich entfernte. Nach einiger Zeit öffnete sich die Thür, und die zehn Soldaten mit ihrem Onbaschi traten ein. Sie boten einen kläglichen Anblick in ihren aus allen möglichen Fetzen zusammengesetzten Kleidern, die nicht im mindesten einer militärischen Uniform glichen; die meisten von ihnen waren barfuß, und alle trugen Gewehre, mit denen man alles eher thun konnte, als schießen. Sie warfen sich kunterbunt durcheinander vor dem Wekil nieder, der sie zunächst mit einem möglichst martialischen Blick musterte und dann seinen Befehl aussprach:

      »Kalkyn – steht auf!«

      Sie erhoben sich, und der Onbaschi riß seinen mächtigen Sarras aus der Scheide.

      »Kylyn syraji – bildet die Reihe!« brüllte er mit einer Stentorstimme.

      Sie stellten sich nebeneinander und hielten die Flinten nach Belieben in den braunen Händen.

      »Has – dur – das Gewehr über!« kommandierte er nun.

      Die Flinten flogen empor, stießen gegen einander, gegen die Mauer oder gegen die Köpfe der stattlichen Helden, kamen aber doch nach einiger Zeit glücklich auf die Achseln ihrer Besitzer zu liegen.

      »Isalam – dur – präsentiert das Gewehr!«

      Wieder bildeten die Flinten einen wirren Knäuel, bei dessen Unentwirrbarkeit es kein Wunder war, daß die eine ihren Lauf verlor. Der Soldat bückte sich gemächlich nieder, hob ihn in die Höhe, betrachtete ihn von allen Seiten, hielt ihn dann gegen das Licht, um hindurchzugucken und sich zu überzeugen, daß das Loch, aus dem geschossen wird, noch vorhanden sei, zog dann eine Palmenfaserschnur aus der Tasche und band den desertierten Lauf behutsam auf dem Orte fest, wo er hingehörte, nämlich an den Schaft. Dann endlich brachte er die restaurierte Waffe mit höchst befriedigter Miene in diejenige Lage, welche mit dem letzten Kommandoworte vorgeschrieben war.

      »Sessiz, söjle – me – niz – steht still und schwatzt nicht!«

      Bei diesem Rufe drückten sie die Lippen mit sichtlicher Kraft und Energie zusammen und ließen durch ein sehr ernsthaftes Augenzwinkern erkennen, daß es ihr unumstößlicher Wille sei, keinen Laut von sich zu geben. Sie merkten, daß sie geholt worden seien, drei Verbrecher zu bewachen, und da galt es also, uns zu imponieren.

      Ich mußte mir wirklich Mühe geben, bei diesem sonderbaren Exerzitium ernsthaft zu bleiben, und wie ich deutlich bemerkte, hatte meine heitere Laune zugleich den Erfolg, den Mut meiner beiden Begleiter zu befestigen.

      Und wieder öffnete sich die Thür. Der Erwartete trat ein. Er war es.

      Ohne uns eines Blickes zu würdigen, ging er zum Teppich, ließ sich an der Seite des Wekil nieder und nahm die Pfeife aus der Hand des Schwarzen, der mit ihm eingetreten war und sie ihm anbrannte. Dann erst erhob er das Auge und musterte uns mit einer Verachtung, die gar nicht größer gedacht werden konnte.

      Jetzt nahm der Statthalter das Wort, indem er mich fragte:

      »Dieser Mann ist es, den ihr sehen wolltet. Ist er ein Bekannter von dir?«

      »Ja.«

      »Du hast recht gesprochen; er ist ein Bekannter von dir, das heißt, du kennst ihn. Aber dein Freund ist er nicht.«

      »Ich würde mich auch für seine Freundschaft sehr bedanken. Wie nennt er sich?«

      »Er heißt Abu en Nassr.«

      »Das ist nicht wahr! Sein Name ist Hamd el Amasat.«

      »Giaur, wage es nicht, mich der Lüge zu zeihen, sonst erhältst du zwanzig Hiebe mehr! Allerdings heißt mein Freund Hamd el Amasat; aber wisse, du Hund von einem Ungläubigen, als ich noch als Miralai in Stambul stand, wurde ich einst des Nachts von griechischen Banditen angefallen; da kam Hamd el Amasat dazu, sprach mit ihnen und rettete mir das Leben. Seit jener Nacht heißt er Abu en Nassr, der Vater des Sieges, denn niemand kann ihm widerstehen, nicht einmal ein griechischer Bandit.«

      Ich konnte mich nicht enthalten, lachend den Kopf zu schütteln, und fragte:

      »Du willst in Stambul Miralai, also Oberst gewesen sein? Bei welcher Truppe?«

      »Bei der Garde, du Sohn eines Schakals.«

      Ich trat einen Schritt näher zu ihm heran und erhob die Rechte.

      »Wage es noch einmal, mich zu schimpfen, so gebe ich dir eine Ssille, das heißt eine solche Ohrfeige, daß du morgen deine Nase für ein Minaret ansehen sollst! Du wärst mir der Kerl, ein Oberst gewesen zu sein! So etwas darfst du wohl hier deinen Oasenhelden weismachen, nicht aber mir; verstanden!«

      Er erhob sich mit ungewöhnlicher Schnelligkeit. Das war ihm noch nie vorgekommen, das ging über alle seine Begriffe; er starrte mich an, als ob ich ein Gespenst sei, und stotterte dann, ich weiß nicht, ob vor Wut oder vor Verlegenheit:

      »Mensch, ich hätte sogar Lawi-Pascha werden können, also General-Major, wenn mir die Stelle hier in Kbilli nicht lieber gewesen wäre!«

      »Ja, du bist ein wahrer Ausbund von Mut und Tapferkeit. Du hast mit Banditen gekämpft, welche dein Freund mit bloßen Worten besiegte, hörst du es? Er ist also jedenfalls ein sehr guter Bekannter von ihnen gewesen oder gar ein Mitglied ihrer Sippe. Er hat in Algier einen Raubmord begangen; er hat im Wadi Tarfaui einen Mann getötet; er hat auf dem Schott Dscherid meinen Führer, den Vater dieses Jünglings, erschossen, weil er mich verderben wollte; er ist von mir verfolgt worden bis nach Kbilli, und ich finde diesen Menschen wieder als den Freund eines Mannes, der ein Oberst im Dienste des Großherrn gewesen zu sein behauptet. Ich klage ihn des Mordes bei dir an und verlange, daß du ihn gefangen nimmst!«

      Jetzt erhob sich auch Abu en Nassr. Er rief:

      »Dieser Mensch ist ein Giaur. Er hat Wein getrunken und weiß nicht, was er redet. Er mag seinen Rausch verschlafen und sich dann verantworten.«

      Das war mir denn doch zu viel. Im Nu hatte ich ihn gepackt, hob ihn empor und warf ihn zu Boden. Er sprang auf und zog sein Messer.

      »Hund, du hast dich an einem Gläubigen vergriffen; du mußt jetzt sterben!«

      Mit diesen Worten warf er sich mit aller Gewalt auf mich. Ich aber gab ihm einen so wohlgezielten Faustschlag, daß er niederstürzte und regungslos liegen blieb.

      »Faßt ihn!« gebot der Wekil seinen Soldaten, indem er auf mich zeigte.

      Ich erwartete, daß sie mich sofort packen würden, sah aber zu meiner Verwunderung, daß es ganz anders kam. Der Unteroffizier nämlich trat vor die Fronte der Seinigen und kommandierte:

      »Komyn silahlari – legt die Gewehre weg!«

      Alle bückten sich zugleich, legten ihre Flinten auf den Boden und kehrten dann in ihre vorige Haltung zurück.

      »Döndürmek sagha – rechts umgedreht!«

      Sie machten halbe Wendung rechts und standen nun in einer Reihe hinter einander.

      »Gityn erkek tschewresinde, koschyn – iz – nehmt den Mann in die Mitte, marsch!«

      Wie auf dem Exerzierplatze erhoben sie den linken Fuß; der Flügelmann markierte »sol – sagha, sol – sagha = links – rechts, links – rechts!« sie marschierten um mich herum und blieben, als der Kreis gebildet war, auf das Kommando des Unteroffiziers stehen.

      »Onu tutmyn – ergreift ihn!«

      Zwanzig Hände mit gerade hundert braunen, schmutzigen Fingern streckten sich von hinten und vorn, von rechts und links nach mir aus und faßten mich am Burnus. Die

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