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wird ihn der Stamm beleidigt haben, zu welchem Sadek gehörte.«

      »Auch das ist nicht der Fall. Wekil, ich will dir sagen, daß ich meinerseits mit diesem Abu en Nassr, der eigentlich Hamd el Amasat heißt und schon vorher wohl auch noch einen armenischen Namen getragen hat, gar nichts zu schaffen haben mag, sobald er mich in Ruhe läßt. Aber er hat den Führer Sadek erschlagen, dessen Sohn Omar Ben Sadek ist, und dieser letztere hat also, wie du vorhin selbst erklärtest, ein Recht auf das Leben des Mörders. Mache es mit ihm ab, doch sorge auch dafür, daß mir dieser Vater der Sieger nicht wieder begegnet, sonst rechne ich mit ihm ab!«

      »Sihdi, jetzt trieft deine Rede von Weisheit. Ich werde mit Omar sprechen, der ihn freigeben soll; du aber bist mein Gast, so lange es dir gefällt.«

      Er erhob sich und schritt nach dem Hofe. Ich wußte voraus, daß alle seine Bemühungen bei Omar vergeblich sein würden. Wirklich kehrte er nach einer Zeit mit finsterer Miene zurück und blieb auch schweigsam, als der am Spieße gebratene Hammel aufgetragen wurde, den die lieblichen Hennafinger der »Rose von Kbilli« zubereitet hatten. Ich und Halef, wir langten wacker zu, und eben hatte mir der Wekil gesagt, daß Omar seine Mahlzeit hinaus in den Hof bekommen solle, da er nicht zu bewegen sei, von seinem Gefangenen fortzugehen, als draußen ein lauter Schrei erscholl. Ich horchte auf, und der Ruf wiederholte sich: »Breh, Effendina, zu Hilfe!«

      Dieser Ruf galt mir. Ich sprang auf und eilte hinaus. Omar lag an der Erde und balgte sich mit den Soldaten herum, der Gefangene aber war nicht zu sehen. Am andern Ausgange aber stand der Schwarze und grinste mir mit schadenfroher Miene entgegen:

      »Fort, Sihdi – dort reiten!«

      Drei Schritte brachten mich vor das Haus, und ich sah Abu en Nassr eben zwischen den Palmen verschwinden. Er ritt ein Eilkamel, welches einen ganz famosen Schritt zu haben schien. Ich erriet alles. Der Wekil war erfolglos im Hofe gewesen, aber er wollte Abu en Nassr retten; er hatte dem Schwarzen den Befehl gegeben, das Kamel bereit zu halten, und den Soldaten befohlen, Omar zu halten und den Gefangenen loszuschneiden. Die elf mutigen Helden hatten sich an diesen Einen gewagt, und der Streich war gelungen.

      Freilich hatten sie dieses Gelingen teuer bezahlt. Omar hatte sein Messer gebraucht, und als ich den Knäuel, den die Kämpfenden bildeten, auseinanderbrachte, sah ich, daß mehrere von ihnen bluteten.

      »Er ist fort, Sihdi!« keuchte der junge Führer vor Wut und Anstrengung.

      »Ich sah es.«

      »Wohin?«

      »Dorthin.«

      Ich deutete mit der Hand die Himmelsrichtung an.

      »Strafe du diese hier, Effendi, ich aber werde dem Entflohenen nachjagen.«

      »Er saß auf einem Reitkamele.«

      »Ich werde ihn dennoch ereilen.«

      »Du hast kein Tier!«

      »Sihdi, ich habe hier Freunde, welche mir ein edles Tier geben werden, und Datteln und Wasserschläuche. Ehe er am Horizonte verschwindet, werde ich auf seiner Spur sein. Du wirst auch die meinige finden, wenn du mir nachkommen willst.«

      Er eilte von dannen.

      Halef hatte alles gesehen und mir auch geholfen, Omar aus den Händen der Soldaten zu befreien. Er glühte vor Zorn.

      »Warum habt ihr diesen Menschen befreit, ihr Hunde, ihr Abkömmlinge von Mäusen und Ratten – – –«

      Er hätte sicherlich seine Strafpredigt fortgesetzt, wenn nicht die Wekila auf dem Platze erschienen wäre. Sie war wieder dicht verschleiert.

      »Was ist geschehen?« fragte sie mich.

      »Deine Truppen sind über meinen Führer hergefallen –«

      »Ihr Schurken, ihr Buben!« rief sie, mit dem Fuße stampfend und die roten Fäuste durch die Hülle zwängend.

      »Und haben den Gefangenen befreit – – –«

      »Ihr Spitzbuben, ihr Betrüger!« fuhr sie fort, und es hatte allen Anschein, als ob sie sich an ihnen vergreifen werde.

      »Auf Befehl des Wekil,« fügte ich hinzu.

      »Des Wekil? – Der Wurm, der Ungehorsame, der Unnütze, der Trotzkopf! Meine Hand soll über ihn kommen, und zwar sogleich, in diesem Augenblick!«

      Sie wandte sich um und ruderte in vollem Zorne nach dem Selamlük.

      O du beglückende Pantoffelherrschaft, dein Zepter ist ganz dasselbe im Norden wie im Süden, im Osten wie im Westen!

      Halef machte ein sehr befriedigtes Gesicht und meinte:

      »Sie ist der Wekil und er die Wekila, und wir stehen uns hier besser am Giölgeda wekilanün, im Schatten der Statthalterin, als wenn wir ein Bu-Djeruldu hätten und der Giölgeda padischahnün, der Schatten des Großherrn, uns beschützte. Hamdulillah, Preis sei Allah, daß ich nicht so glücklich bin, der Wekil dieser Statthalterin zu sein!« – – –

       Im Harem.

       Inhaltsverzeichnis

      Es war um die Zeit, in welcher die ägyptische Sonne ihre Strahlen mit der gesteigertsten Glut auf die Erde sendet und ein jeder, den nicht die Not hinaus unter den freien Himmel treibt, sich unter den Schutz seines Daches zurückzieht und nach der möglichsten Ruhe und Kühlung strebt.

      Auch ich lag auf dem weichen Diwan meiner gemieteten Wohnung, schlürfte würzigen Mokka und schwelgte im Dufte des würzigen Djebeli, welcher meiner Pfeife entströmte. Die starken, nach außen fensterlosen Mauern boten dem Sonnenbrande Einhalt, und die aufgestellten porösen Thongefäße, durch deren Wände das Nilwasser verdunstete, machten die Atmosphäre so erträglich, daß ich von der während der Mittagszeit hier so gewöhnlichen Abspannung des Menschen wenig oder gar nichts bemerkte.

      Da erhob sich draußen die scheltende Stimme meines Dieners Halef Agha.

      Halef Agha? Ja, mein guter, kleiner Halef war ein Agha, ein Herr geworden, und wer hat ihn dazu gemacht? Spaßhafte Frage! Wer denn sonst als er selbst!

      Wir waren über Tripolis und Kufarah nach Ägypten gekommen, hatten Kairo besucht, welches der Ägypter schlechtweg el Masr, die Hauptstadt, oder noch lieber el Kahira, die Siegreiche, nennt, waren den Nil, so weit es mir meine beschränkten Mittel erlaubten, hinaufgefahren und hatten uns dann zum Ausruhen die Wohnung genommen, in welcher ich mich ganz wohl befunden hätte, wenn nicht mein sonst ganz prächtiger Diwan und alle Teppiche sehr dicht von jenen springfertigen, stechkundigen Geschöpfen heimgesucht worden wären, von welchen der alte, gute Fischart dichtete:

      »Mich bizt neizwaz, waz mag daz sein?«

      und von denen man außer dem großäugigen Pulex canis und dem rötlichen Pulex musculi noch den allbeliebten Pulex irritans und den wütenden Pulex penetrans kennen gelernt hat. Leider muß ich sagen, daß Ägypten nicht das Jagdgefilde des »irritans«, sondern des »penetrans«, also nicht des »reizenden« sondern des »durchdringenden« Pulex ist, und so brauche ich wohl nicht hinzuzufügen, daß mein Kef, meine Mittagsruhe, nicht ganz ohne alle Belästigung geblieben war.

      Also draußen erhob sich die scheltende Stimme meines Dieners Halef Agha, die mich aus meinen Träumen weckte:

      »Was? Wie? Wen?«

      »Den Effendi,« antwortete es schüchtern.

      »Den Effendi el kebihr, den großen Herrn und Meister willst du stören?«

      »Ich muß ihn sprechen.«

      »Was? Du mußt? Jetzt, in seinem Kef? Hat dir der Teufel – Allah beschütze mich vor ihm! – den Kopf mit Nilschlamm gefüllt, so daß du nicht begreifen kannst, was ein Effendi, ein Hekim, zu bedeuten

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