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Ich blickte auf und bemerkte eine kleine dicke, weibliche Gestalt, welche vom Eingange her mit möglichster Anstrengung auf uns zuge – – kugelt kam.

      »Tut – halt!« rief sie mir kreischend zu. »Öldirme onu; dir benim kodscha – töte ihn nicht; er ist mein Mann!«

      Also diese dicke, runde Madame, welche unter ihrer dichten Kleiderhülle mit wahrhaft schwimmähnlichen Bewegungen auf mich zusteuerte, war die gnädige Frau Statthalterin. Jedenfalls hatte sie von dem mit einem Holzgitter versehenen Frauengemache aus der interessanten Exekution zusehen wollen und zu ihrem Entsetzen bemerken müssen, daß dieselbe jetzt an ihrem Ehegatten vollzogen werden solle. Ich fragte ihr ruhig entgegen:

      »Wer bist du?«

      »Im kary wekilün, ich bin das Weib des Wekil,« antwortete sie.

      »Ewet, dir benim awret, gül Kbillinün – ja, sie ist mein Weib, die Rose von Kbilli,« bestätigte ächzend der Statthalter.

      »Wie heißt sie?«

      »Demar-im Mersinah – ich heiße Mersinah,« berichtete sie.

      »He, demar Mersinah – ja, sie heißt Mersinah,« ertönte das Echo aus dem Munde des Wekil.

      Also sie war die »Rose von Kbilli« und hieß Mersinah, d. i. Myrte. Einem so zarten Wesen gegenüber mußte ich nachgiebig sein.

      »Wenn du mir die Morgenröte deines Antlitzes zeigst, o Blume der Oase, so werde ich meine Hand von ihm nehmen,« sagte ich.

      Sofort flog der Jaschmak, der Schleier, von ihrem Angesichte. Sie hatte lange Zeit unter den Arabern gelebt, deren Frauen unverhüllt gehen, und war also weniger zurückhaltend geworden, als unter andern Verhältnissen die Türkinnen sein müssen. Übrigens handelte es sich hier, wie sie dachte, um das kostbare Leben ihres Eheherrn.

      Ich blickte in ein farbloses, mattes, verschwommenes Frauenangesicht, welches so fett war, daß man die Augen kaum und das Stumpfnäschen beinahe gar nicht unterscheiden konnte. Madame Wekil war vielleicht vierzig Jahre alt, hatte aber die Folgen dieses Alters durch hochgemalte schwarze Augenbrauen und rotangestrichene Lippen zu paralysieren gesucht. Zwei schwarze, mittels einer Kohle je auf der Mitte der Wange hervorgebrachte Punkte gaben ihr ein pittoreskes Aussehen, und als sie jetzt die Vorderarme aus der Hülle streckte, bemerkte ich, daß sie nicht bloß die Nägel, sondern auch die ganzen Hände mit Henna rot gefärbt hatte.

      »Ich danke dir, du Sonne vom Dscherid!« schmeichelte ich. »Wenn du mir versprichst, daß der Wekil ruhig sitzen bleibt, soll ihm jetzt kein Leid geschehen.«

      »Kaladschak-dir – er wird sitzen bleiben; ich verspreche es dir!«

      »So mag er es deiner Lieblichkeit danken, daß ich ihn nicht zerdrücke wie eine Indschir, wie eine Feige, die in der Presse liegt, um getrocknet zu werden. Deine Stimme gleicht der Stimme der Flöte; dein Auge glänzt wie das Auge der Sonne; deine Gestalt ist wie die Gestalt von Scheherezade. Nur dir allein bringe ich das Opfer, daß ich ihn leben lasse!«

      Ich nahm die Hand von ihm; er richtete sich auf, indem er erleichtert stöhnte, blieb aber gehorsam in seiner sitzenden Stellung. Sie betrachtete mich sehr aufmerksam vom Kopfe bis zu den Füßen herab und fragte dann mit freundlichem Tone:

      »Wer bist du?«

      »Ich bin ein Nemsi, ein Fremdling, dessen Heimat weit drüben über dem Meere liegt.«

      »Sind eure Frauen schön?«

      »Sie sind schön, aber sie gleichen doch nicht den Frauen am Schott El Kebihr.«

      Sie nickte, befriedigt lächelnd, und ich sah es ihr an, daß ich Gnade vor ihren Augen gefunden hatte.

      »Die Nemsi sind sehr kluge, sehr tapfere und sehr höfliche Leute, das habe ich schon oft gehört,« entschied sie. »Du bist uns willkommen! Doch warum hast du diesen Mann gebunden; warum fliehen unsere Soldaten vor dir, und warum wolltest du den mächtigen Statthalter töten?«

      »Ich habe diesen Mann gebunden, weil er ein Mörder ist; deine Soldaten flohen vor mir, weil sie merkten, daß ich sie alle elf besiegen würde, und den Wekil habe ich gebunden, weil er mich schlagen und dann vielleicht sogar zum Tode verurteilen wollte, ohne mir Gerechtigkeit zu geben.«

      »Du sollst Gerechtigkeit haben!«

      Da wollte sich mir die Überzeugung aufdrängen, daß der Pantoffel im Oriente dieselbe zauberische Kraft besitzt, wie im Abendlande. Der Wekil sah seine Autorität bedroht und machte einen Versuch, sie wieder herzustellen:

      »Ich bin ein gerechter Richter und werde – – –«

      »Sus-olmar-sen – du wirst schweigen!« gebot sie ihm. »Du weißt, daß ich diesen Menschen kenne, der sich Abu en Nassr, Vater der Sieger, nennt; er sollte sich aber Abu el Jalani, Vater der Lügner, nennen. Er war schuld, daß man dich nach Algier schickte, grad als du Mülasim werden konntest; er war schuld, daß du dann nach Tunis kamst und hier in dieser Einsamkeit vergraben wurdest, und so oft er hier bei dir war, mußtest du etwas thun, was dir Schaden brachte. Ich hasse ihn, ich hasse ihn und habe nichts dagegen, daß dieser Fremdling hier ihn tötet. Er hat es verdient!«

      »Er kann nicht getötet werden; er ist ein Giölgeda padischahnün!«

      »Tut aghyzi, halte den Mund! Er ist ein Giölgeda padischahnün, das heißt, er steht im Schatten des Padischah; dieser Fremdling aber ist ein Giölgeda wekilanün, das heißt, er steht im Schatten der Statthalterin, in meinem Schatten, hörst du? Und wer in meinem Schatten steht, den soll deine Hitze nicht verderben. Steh auf und folge mir!«

      Er erhob sich; sie wandte sich zum Gehen, und er machte Miene, sich ihr anzuschließen. Das war natürlich ganz gegen meine Absicht.

      »Halt!« gebot ich, indem ich ihn nochmals beim Genick faßte. »Du bleibst da!«

      Da wandte sie sich um.

      »Hast du nicht gesagt, daß du ihn freigeben willst?« fragte sie.

      »Ja, doch nur unter der Bedingung, daß er an seinem Platze bleibt.«

      »Er kann doch nicht in alle Ewigkeit hier sitzen bleiben!«

      »Du hast recht, o Perle von Kbilli; aber er kann jedenfalls so lange hier bleiben, bis meine Angelegenheit erledigt ist.«

      »Die ist bereits erledigt.«

      »Inwiefern?«

      »Habe ich dir nicht gesagt, daß du uns willkommen bist?«

      »Das ist richtig.«

      »Du bist also unser Gast und sollst mit den Deinen so lange bei uns wohnen, bis es dir gefällig ist, uns wieder zu verlassen.«

      »Und Abu en Nassr, den du Abu el Jalani genannt hast?«

      »Er bleibt dein, und du kannst mit ihm machen, was du willst.«

      »Ist das wahr, Wekil?«

      Er zögerte, eine Antwort zu geben, doch ein strenger Blick aus den Augen seiner Herrin zwang ihn, zu sprechen:

      »Ja.«

      »Du schwörst es mir?«

      »Ich schwöre es.«

      »Bei Allah und seinem Propheten?«

      »Muß ich?« fragte er Madame, die Rose von Kbilli.

      »Du mußt!« antwortete sie sehr entschieden.

      »So schwöre ich es bei Allah und dem Propheten.«

      »Nun darf er mit mir gehen?« fragte sie mich.

      »Er darf,« antwortete ich.

      »Du wirst nachkommen und mit uns einen Hammel mit Kuskussu speisen.«

      »Hast du einen Ort, an dem ich Abu en Nassr sicher aufbewahren kann?«

      »Nein. Binde ihn an den Stamm der Palme dort an der Mauer.

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