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fragte Halef.

      »Nein. Siehst du nicht die Wunde am Halse und das Loch am Hinterhaupte? Er ist ermordet worden.«

      »Allah verderbe den Menschen, der dies gethan hat! Oder sollte der Tote in einem ehrlichen Kampfe gefallen sein?«

      »Was nennst du ehrlichen Kampf? Vielleicht ist er das Opfer einer Blutrache. Wir wollen seine Kleider untersuchen.«

      Halef half dabei. Wir fanden nicht das Geringste, bis mein Blick auf die Hand des Toten fiel. Ich bemerkte einen einfachen Goldreif von der gewöhnlichen Form der Trauringe und zog ihn ab. In seine innere Seite war klein, aber deutlich eingegraben: »E. P. 15. juillet 1830.«

      »Was findest du?« fragte Halef.

      »Was sonst?«

      »Ein Franzose.«

      »Ein Franke, ein Christ? Woran willst du dies erkennen?«

      »Wenn ein Christ sich ein Weib nimmt, so tauschen beide je einen Ring, in welchem der Name und der Tag eingegraben ist, an dem die Ehe geschlossen wurde.«

      »Und dies ist ein solcher Ring?«

      »Ja.«

      »Es sind französische Zeichen, welche ich hier lese.«

      »Er kann dennoch zu einem anderen Volke gehören. Meinst du nicht, Effendi, daß man einen Ring finden oder auch stehlen kann?«

      »Das ist wahr. Aber sieh das Hemde, welches er unter seiner Kleidung trägt. Es ist dasjenige eines Europäers.«

      »Wer hat ihn getötet?«

      »Seine beiden Begleiter. Siehst du nicht, daß der Boden hier aufgewühlt ist vom Kampfe? Bemerkst du nicht, daß – – –«

      Ich hielt mitten im Satze inne. Ich hatte mich aus meiner knieenden Stellung erhoben, um den Erdboden zu untersuchen, und fand nicht weit von der Stelle, an welcher der Tote lag, den Anfang einer breiten Blutspur, welche sich seitwärts zwischen die Felsen zog. Ich folgte ihr mit schußbereitem Gewehre, da die Mörder sich leicht noch in der Nähe befinden konnten. Noch war ich nicht weit gegangen, so stieg mit lautem Flügelschlage ein Geier empor und ich bemerkte an dem Orte, von welchem er sich erhoben hatte, ein Kamel liegen. Es war tot; in seiner Brust klaffte eine tiefe, breite Wunde. Halef schlug die Hände bedauernd ineinander.

      »Ein graues Hedjihn, ein graues Tuareg-Hedjihn, und diese Mörder, diese Schurken, diese Hunde haben es getötet!«

      Es war klar, er bedauerte das prächtige Reittier viel mehr als den toten Franzosen. Als echter Sohn der Wüste, dem der geringste Gegenstand kostbar werden kann, bückte er sich nieder und untersuchte den Sattel des Kameles. Er fand nichts; die Taschen waren leer.

      »Die Mörder haben bereits alles hinweggenommen, Sihdi. Mögen sie in alle Ewigkeit in der Dschehennah braten. Nichts, gar nichts haben sie zurückgelassen, als das Kamel – und die Papiere, welche dort im Sande liegen.«

      Durch diese Worte aufmerksam gemacht, bemerkte ich in einer Entfernung von uns allerdings einige mit den Händen zusammengeballte und wohl als unnütz weggeworfene Papierstücke. Sie konnten mir vielleicht einen Anhaltspunkt bieten, und ich ging, um sie aufzuheben. Es waren mehrere Zeitungsbogen. Ich glättete die zusammengeknitterten Fetzen und paßte sie genau aneinander. Ich hatte zwei Seiten der »Vigie algérienne« und ebenso viel vom »L’Indépendant« und der »Mahouna« in den Händen. Das erste Blatt erscheint in Algier, das zweite in Constantine und das dritte in Guelma. Trotz dieser örtlichen Verschiedenheit bemerkte ich bei näherer Prüfung eine mir auffällige Übereinstimmung bezüglich des Inhaltes der drei Zeitungsfetzen: Sie enthielten nämlich alle drei einen Bericht über die Ermordung eines reichen französischen Kaufmannes in Blidah. Des Mordes dringend verdächtig war ein armenischer Händler, welcher die Flucht ergriffen hatte und steckbrieflich verfolgt wurde. Die Beschreibung seiner Person stimmte in allen drei Journalen ganz wörtlich überein.

      Aus welchem Grunde hatte der Tote, welchem dieses Kamel gehörte, diese Blätter bei sich geführt? Ging ihn der Fall persönlich etwas an? War er ein Verwandter des Kaufmanns in Blidah, war er der Mörder, oder war er ein Polizist, der die Spur des Verbrechers verfolgt hatte?

      Ich nahm die Papiere an mich, wie ich auch den Ring an meinen Finger gesteckt hatte, und kehrte mit Halef zu der Leiche zurück. Über ihr schwebten beharrlich die Geier, welche sich nun nach unserer Entfernung auf das Kamel niederließen.

      »Was gedenkest du nun zu thun, Sihdi?« fragte der Diener.

      »Es bleibt uns nichts übrig, als den Mann zu begraben.«

      »Willst du ihn in die Erde scharren?«

      »Nein; dazu fehlen uns die Werkzeuge. Wir errichten einen Steinhaufen über ihm; so wird kein Tier zu ihm gelangen können.«

      »Und du denkst wirklich, daß er ein Giaur ist?«

      »Er ist ein Christ.«

      »Es ist möglich, daß du dich dennoch irrst, Sihdi; er kann trotzdem auch ein Rechtgläubiger sein. Darum erlaube mir eine Bitte!«

      »Welche?«

      »Laß uns ihn so legen, daß er mit dem Gesichte nach Mekka blickt!«

      »Ich habe nichts dagegen, denn dann ist es zugleich nach Jerusalem gerichtet, wo der Weltheiland litt und starb. Greife an!«

      Es war ein trauriges Werk, welches wir in der tiefen Einsamkeit vollendeten. Als der Steinhaufen, welcher den Unglücklichen bedeckte, so hoch war, daß er der Leiche vollständigen Schutz gegen die Tiere der Wüste gewährte, fügte ich noch so viel hinzu, daß er die Gestalt eines Kreuzes bekam, und faltete dann die Hände, um ein Gebet zu sprechen. Als ich damit geendet hatte, wandte Halef sein Auge gegen Morgen, um mit der hundertundzwölften Sure des Korans zu beginnen:

      »Im Namen des allbarmherzigen Gottes! Sprich: Gott ist der einzige und ewige Gott. Er zeugt nicht und ist nicht gezeugt, und kein Wesen ist ihm gleich. Der Mensch liebt das dahineilende Leben und lässet das zukünftige unbeachtet. Deine Abreise aber ist gekommen, und nun wirst du hingetrieben zu deinem Herrn, der dich auferwecken wird zum neuen Leben. Möge dann die Zahl deiner Sünden klein sein und die Zahl deiner guten Thaten so groß wie der Sand, auf dem du einschliefst in der Wüste!«

      Nach diesen Worten bückte er sich nieder, um seine Hände, die er mit der Leiche verunreinigt hatte, mit dem Sande abzuwaschen.

      »So, Sihdi, jetzt bin ich wieder tahir, was die Kinder Israel kauscher nennen, und darf wieder berühren, was rein und heilig ist. Was thun wir jetzt?«

      »Wir eilen den Mördern nach, um sie einzuholen.«

      »Willst du sie töten?«

      »Ich bin ihr Richter nicht. Ich werde mit ihnen sprechen und dann erfahren, warum sie ihn getötet haben. Dann weiß ich, was ich thun werde.«

      »Es können keine klugen Männer sein, sonst hätten sie nicht ein Hedjihn getötet, welches mehr wert ist, als ihre Pferde.«

      »Das Hedjihn hätte sie vielleicht

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