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tipptopp! Solange ich hier wohne, putze ich allerdings selber.“

      „Wie du möchtest, Liebes.“

      Das Wohnzimmer war mit einer anthrazitfarbenen Couchlandschaft und einem Glastisch sowie einem dunklen Büfettschrank ausgestattet. In einer Ecke gab es eine Essgruppe. Die Stühle waren weiß gepolstert. Auf dem Tisch stand ein Tulpenstrauß in einer Kugelvase. Der hellgrau geflieste Boden wurde von zwei großen lachsfarbenen Teppichen bedeckt. Vanessa betrachtete das Bild Amaryllis von Bruno Bruni, ein Aquarell auf Bütten im Silberrahmen. Evelyn hatte ihr vor einem Jahr von dem Kauf erzählt. Sie öffnete eine Tür. Bettbezüge aus rotem Satin fielen Vanessa ins Auge. Die Fenster waren von rosa Seidenstores umrahmt.

      „Wunderbar“, stammelte sie.

      Die Küche sah aus wie aus einem Katalog. Nagelneue Kochzeile, hochmoderne Geräte. „Linn, das ist perfekt“, sagte sie. „Aber jetzt würde ich wirklich gerne etwas Luft schnappen. Der Flug war zwar nicht besonders lang, aber ich brauche Bewegung.“

      „Gut. Ich muss mich erst noch umziehen. Wir treffen uns in einer Viertelstunde vorm Haus.“

      Vanessa betrat das Bad. Es wirkte, als hätte es noch nie jemand benutzt, was wahrscheinlich der Fall war. Die Armaturen glänzten und die Kacheln waren so blank, dass man sich darin spiegeln konnte. Sie machte sich frisch, wechselte das T-Shirt und zog Turnschuhe an.

      Evelyn erschien etwas später als vereinbart. Sie trug Jeans und ein beiges Poloshirt sowie Trekkingschuhe. Sie hatte den Pony frisch toupiert.

      „Linn, ich wusste gar nicht, dass du so robuste Kleidung im Schrank hast! Willst du mit mir auf den Drachenfels?“

      „Wer weiß?“ Sie zwinkerte verheißungsvoll.

      Sie spazierten zur Rodenkirchener Riviera mit ihren zahlreichen kleinen Buchten. Die Sträucher zeigten bereits zarte Triebe und die Amseln überboten sich gegenseitig mit ihrem Gesang.

      Nachdem sie, ganz ins Gespräch über die letzten Jahre vertieft, immer weiter flussaufwärts gelaufen waren, kehrten sie um.

      Kurze Zeit später saßen sie auf Evelyns Ecksofa aus braunem Veloursleder. Sie hatten sich eine große Spinatpizza geteilt und stießen nun auf die Zukunft an. Im Duty-free-Shop hatte Vanessa einen hochwertigen Sherry erstanden. Der blieb unangetastet. Evelyn goss soeben Champagner nach.

      „Erzähl mal. Was hast du letzte Woche denn so gemacht?“

      „Nach Tonis Outing habe ich mich total betrunken und als ich wieder nüchtern war, habe ich über mein Leben nachgedacht. Ich habe mich oft in dieser zauberhaften Bucht aufgehalten und aufs Meer geschaut. Geschwommen bin ich natürlich auch.“

      Evelyn rollte mit den Augen. „Hör auf mit dem Theater. Du weißt, was ich meine!“

      „Nee, weiß ich ehrlich gesagt nicht.“

      „Ich spreche von Männerbekanntschaften. Du kannst mir nicht erzählen, dass eine attraktive Frau wie du im Urlaub lange allein bleibt. Der Kellner oder der Höhlenmensch?“

      „Liebe Linn, Gastrokritikerinnen dürfen alles essen, aber nicht alles wissen.“

      *

      13

      Keckernd, miauend, klagend, gurrend und lachend begrüßten die Möwen die Sonne, die feuerrot aus dem Meer auftauchte. Der Wind war abgeflaut und der Atlantik kräuselte sich nur noch gelegentlich. Trotzdem fröstelte Leon. Seit dem Fortgang der Frau war jegliche Wärme aus der Bucht gewichen.

      Er erinnerte sich an den Vorabend. In der hintersten Ecke der Höhle hatte er gegen düstere Gedanken angekämpft. Das Meer toste. Aus Angst, der Traum vom herannahenden Zug und die furchtbaren Schreie könnten wiederkehren, konnte er nicht einschlafen. Doch dann spürte er wieder diese Euphorie. Das Gefühl, alles würde gut werden.

      Sparky sprang auf, lief zum Höhlenausgang und beobachtete offenbar den Strand. Leon konnte von seinem Platz aus nichts erkennen. War zu träge nachzuschauen, was den Hund beunruhigte. Irgendwann hatte Sparky sich wieder hingelegt und Leon war eingeschlafen.

      An diesem Morgen war die unermessliche Trauer, die seinen Geist lähmte und wie ein heißer Lavastrom durch seinen Körper floss, zurück. Er zitterte trotz warmer Kleidung. Der Hund drückte sich an ihn und leckte ihm die Hand. Leon schluckte. „So kann es nicht weitergehen. Mir fehlt eine Perspektive.“ Er dachte an seine Familie, die Freunde, die Uni. Sein Studium war fast abgeschlossen. Sein Leben hätte glücklicher nicht sein können. Doch dann war etwas Furchtbares passiert und er war abgehauen. Keiner daheim wussten, wo er sich aufhielt. Sein Smartphone hatte Leon zu Hause in einer Schublade vergraben, nachdem er vorher die Speicherkarte und damit alle Daten vernichtet hatte. Zwischen Vergangenheit und Zukunft klaffte ein tiefer Graben. Um diesen zu überwinden, musste er Anlauf nehmen. Er hockte nun schon seit Wochen in dieser Grotte und klammerte sich an einen kleinen Hund. Wo war der ehrgeizige Leon geblieben? Der Kumpel? Der Familienmensch?

      „Sparky, so kann es nicht weitergehen. Eins verspreche ich dir: Wenn ich nach Deutschland zurückreise, nehme ich dich mit.“ Er dachte an sein Elternhaus mit dem liebevoll gestalteten Garten. Konnte sich gut vorstellen, wie Sparky darin herumtobte.

      Leon ballte die Faust. „Ich werde für unsere Zukunft kämpfen!“

      *

      14

      Vanessa träumte wirres Zeug. Erst knutschte sie mit Isolino. Dann hielt sie die Hand des Höhlenbewohners. Als sie wach wurde, wusste sie nicht, wo sie sich befand. Allmählich dämmerte es ihr. Das Bett mit der hochwertigen Matratze, in dem sie sich rekelte, stand in Evelyns Einliegerwohnung.

      „Hier werde ich erst einmal bleiben“, dachte sie zufrieden.

      Am Vorabend hatte sie mit Evelyn die Vor- und Nachteile der Beziehung zu Toni gegeneinander aufgewogen. Wobei sich die Vorteile darauf beschränkten, dass Vanessa viel Geld verdient und wenig davon wieder ausgegeben hatte. Und nun in jeder Hinsicht reicher an Erfahrung war. Alles zusammen genommen machte es die Nachteile, mehr als ein Jahr an einen Workaholic vergeudet zu haben, der nicht auf Frauen stand, wieder wett.

      Vermutlich düste Evelyn bereits Richtung Westen zu den Aufnahmestudios. Die Maske würde Höchstleistung erbringen müssen, um die Augenringe zu überschminken.

      Evelyn war stets bemüht, ihr Geburtsjahr unter den Tisch zu kehren. Vanessa wusste aber, sie war ihr altersmäßig vier Jahre voraus.

      Das Smartphone vibrierte. Eine SMS mit dem Text Wir müssen reden. Melde Dich! ging ein.

      Das klang gar nicht nach Toni.

      Nach einem arbeitsreichen Wochenende war ihm bestimmt bewusst geworden, dass seine engste Mitarbeiterin beharrlich schwieg.

      Bin um 14 Uhr in der Wohnung, antwortete Vanessa. Da sie keinen Widerspruch erhielt, sah sie den Termin als bestätigt an.

      Toni erkundigte sich nicht einmal, wie es ihr ging. Vanessas Entschluss stand fest. Sie wollte den sofortigen Ausstieg aus dem Arbeitsvertrag!

      Gegen Mittag fuhr sie im Coupé nach Düsseldorf. Evelyn hatte ihr den Schlüssel am Vorabend feierlich überreicht. Das Wetter war erstaunlich stabil für einen Apriltag. Stabil schlecht! Die Wolken hingen tief und das Verdeck musste schon aufgrund der niedrigen Temperaturen geschlossen bleiben. Die Autobahn quoll vor LKW über und sie kam sich wie eine Sardine in der Büchse vor.

      „Ich nehme nur das Nötigste mit. Das Cabrio bietet sowieso nicht viel Stauraum. Was nicht in zwei Umzugskartons und meine Tasche passt, bleibt da“, hatte sie Evelyn erklärt.

      Als sie vor der Tür ihres ehemaligen Zuhauses stand, spürte sie einen Kloß im Hals. „Es kommt mir vor, als wäre ich Jahre nicht mehr hier gewesen“, dachte sie.

      Ihr Schlüssel lag

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