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Dörfer und über fünfzehnhundert Städte zerstört haben. Böhmen verlor fünf Sechstel seiner Dörfer und drei Viertel seiner Bevölkerung. Die Bevölkerung von Colmar sank auf die Hälfte, die von Wolfenbüttel auf ein Achtel, die von Magdeburg auf ein Zehntel, die von Hagenau auf ein Fünftel und die von Olmütz auf weniger als ein Fünfzehntel. Auch wenn manche Historiker die Exaktheit dieser Zahlen bezweifeln, der Aderlass war gewaltig. Die Bevölkerung Marburgs, das zwölf Mal besetzt war, schrumpfte auf die Hälfte zusammen, die städtischen Schulden vergrößerten sich auf das Siebenfache; zweihundert Jahre später zahlten die Bürger noch immer Zinsen für die während des Krieges aufgelegten Anleihen. Bis zu zweihundert Schiffe waren vor 1621 jährlich aus den Häfen Ostfrieslands über den Sund gesegelt; im letzten Jahrzehnt des Krieges war der Jahresdurchschnitt zehn.

      Zwar bringt auch dieser Krieg einige große Gestalten hervor, so den von den Protestanten als Licht des Nordens verehrten Schwedenkönig oder den düster-melancholischen Glücksritter Wallenstein, dessen Palais in Prag noch heute von seinem erlesenen Geschmack zeugt und dessen undurchsichtiges, von Sterndeutern beeinflusstes Verhalten vor und nach seinem Tod Anlass bot für allerlei Spekulationen über einen dritten Weg zwischen Habsburg und französischem Geld, über ein deutsches Nationalkönigtum mit ihm als dem ersten einer neuen Dynastie. Doch für die leidenden Menschen ist der Krieg so grausam und sinnlos wie ihn Grimmelshausen in seinem Simplicissimus geschildert hat oder später mit neuen, aber ganz ähnlichen Erfahrungen Bertolt Brecht in seiner Mutter Courage. Zu guter letzt wird Frieden geschlossen, weil die Erschöpfung allgemein ist, weil nichts mehr da ist zu plündern, weil nicht bestellte Felder und verlassene Dörfer die Soldaten nicht ernähren können.

      Am Ende dieses gnadenlosen Ringens steht ein Friede, der die Verfassung des Reiches zu einer von Frankreich und Schweden garantierten europäischen Angelegenheit macht. Im Inneren erhalten die Fürsten die volle Landeshoheit und können Bündnisse untereinander und mit ausländischen Mächten schließen. Die Reichsinstitutionen werden paritätisch von Katholiken und Protestanten besetzt, die getrennt über die Reichsangelegenheiten beraten und folglich nicht mehr majorisiert werden können. Das Reich – so hat es der schwedische Kanzler Oxenstierna, einer der Architekten der neuen Ordnung, ausgedrückt – ist künftig eine Anarchie, die durch die Hand des Herren erhalten wird. Es ist der weiche Kern des europäischen Staatensystems, dessen Glieder wie die Gewichte auf der Waage das Gleichgewicht zwischen den Flügelmächten England, Frankreich, Schweden, Russland und dem Osmanischen Reich ausbalancieren.

      All diese Staaten konnten an einer starken Mitte, einer staufischen oder habsburgischen Wiedergeburt kein Interesse haben, weshalb der spätere französische Ministerpräsident Thiers noch 1866 formulierte, dass das oberste Prinzip europäischer Politik darin besteht, dass sich Deutschland aus unabhängigen Staaten zusammensetzt, die nur durch einen losen föderativen Faden verbunden sind. Es ist deshalb nur zu verständlich, wenn der britische Premier Disraeli am Ende des 19. Jahrhunderts die Bismarck’sche Reichsgründung, also die Überwindung der völkerrechtlichen Ordnung von 1648, als die größte Revolution im 19. Jahrhundert bezeichnet hat, größer als die französische. Aber das allergrößte Wunder ist die Tatsache, dass diese Ordnung bis zum Jahre 1806 hielt, von den Juristen ehrfürchtig als ein Monstrum bewacht. »Das liebe heilige Römische Reich, wie hält’s nur noch zusammen«, singen in Goethes Faust die Studenten in Auerbachs Keller. Es hielt, weil alle anderen wollten, dass es halte. Erst Napoleon beendete mit einem Federstrich das vertraute Gebilde. Er glaubte, es nicht mehr nötig zu haben, da er selbst die Rolle Karls des Großen, Friedrichs von Hohenstaufen und Karls V. zu Ende spielen wollte. Dass er damit die Grundlage für die deutsche Einheit unter Preußens Führung legte, hat ihm ein berühmter französischer Geschichtsschreiber – Jacques Bainville – im Jahre 1915 vorgehalten, als Frankreich gegen das neue Deutschland um sein Überleben kämpfte und sich nach der in Münster und Osnabrück begründeten Ordnung zurücksehnte.

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