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festzustellen.

      Durch die Frage nach der Rezeption Brochs im Gesamtbriefwechsel ist vor allem das gesellschaftliche Dispositiv der Nachkriegszeit berührt und damit auch Fickers spezifische, in der ostentativen Überbetonung des Katholischen in Zeiten zunehmender Ent-Säkularisierung fast schon als anachronistisch zu bezeichnende Position innerhalb dieses kulturellen Feldes. Denn die Paradoxie bzw. die offensichtliche Schieflage zwischen der Nicht-Wahrnehmung Brochs im Brenner-Umfeld der Zwischenkriegszeit und der sukzessiven Re-Integration Brochs in die (im besten Fall als konservativ zu bezeichnende) kulturelle Landschaft im Nachkriegsösterreich besteht gerade darin, dass die Position Fickers diffus bleibt. Durch den Kulturbetrieb wurden ab 1950 Ehrungen und Auszeichnungen an Ficker herangetragen, die ihn dadurch in der Rolle des Kulturvermittlers und Vertreters der intellektuellen österreichischen Speerspitze legitimierten. Dieser Prozess vollzog sich trotz der im Nachkriegs-Brenner sichtbaren, nicht mehr zeitgemäßen ästhetisch-kunsttheoretischen Fundierung und der damit verbundenen ideologischen Uneindeutigkeit (wenn man vom allgemein-humanistischen Impetus absieht). Die Person Broch hat für Ficker in dieser Situation zunächst wenig Bedeutung, sie gibt aber Impulse an Andere weiter, die mit diesem Input arbeiten, ihn perpetuieren und dadurch produktiv werden, was sich wahrnehmbar im kulturellen Diskurs niederschlägt. Das Interesse, das ein Kreis von Intellektuellen an der frühen Phase des Brenner bekundete, in welcher auch Hermann Broch als Teil des Autor*innenkreises der Zeitschrift gewirkt hatte, veränderte zum einen die Wahrnehmung Ludwig von Fickers hinsichtlich der Person Brochs wie zum anderen ex post seine Wahrnehmung hinsichtlich des Einflusses des Brenner auf Broch. Wenngleich die Zusammenarbeit aus einer Reihe von Gründen nach 1914 eingestellt und auch nach dem Versuch eines neuerlichen Anlaufs zwischen 1935 und 1937 nicht fortgesetzt worden war, blieben doch latente Impulse bestehen, die erst nach dem Zweiten Weltkrieg ihre vollen Wirkungen zeitigten.

      Anmerkungen

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