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der Kraus’schen satirischpolemischen Zeitkritik durch Ficker reichte), die ebenfalls zur Mitarbeit Brochs an der Innsbrucker Kunst- und Kulturzeitschrift beitrug.

      Die Literat*innen (Julius Kiener und Paula Schlier)

      In dieser Aussage lässt sich eine der im Briefwechsel sehr seltenen, direkten Stellungnahmen Fickers zum Autor Hermann Broch ablesen. Relevant erscheint neben der Tatsache, dass sie von Ficker selbst stammt, und dem Verweis auf Joyce insbesondere die Wendung des „intuitive[n] Erfassen[s]“ von Schliers Brenner- Beiträgen, das Ficker an dieser Stelle Broch (in sehr hypothetischer Konstruktion) zuschreibt. Damit rückt er Broch in denselben Interpretationsrahmen, in den er schon Trakl (und später sogar Ludwig Wittgenstein oder Else Lasker-Schüler) verortet hat. Wie die Charakteristik dieses „Erfassens“ beschaffen ist, liest sich entsprechend in den folgenden Ausführungen:

      Der christlich-mystizistische Impetus, den Ficker in diese Worte legt, wenn er vom „Sehertum“ spricht, ist evident. Aufgrund dessen kann angenommen werden, dass es sich weniger um eine Aussage handelt, bei der es darum bestellt war, die tatsächliche Haltung Brochs explizieren zu wollen. Vielmehr erscheint es als eine subjektive Projektion in Form eines Selbstoffenbarung. Ob Broch mit einer solchen Zuschreibung (von der er mit Sicherheit keine Kenntnis haben konnte) einverstanden gewesen wäre, sei dahingestellt. Was allerdings außer Zweifel steht, ist die Tatsache, dass Ficker hier eine positive Werthaltung gegenüber Broch bewies; die persönliche Ebene blieb von der divergenten Kunstauffassung unberührt. Weil die Korrespondenz mit Schlier aufgrund des persönlichen Naheverhältnisses, das die Autorin mit dem Brenner-Herausgeber verband, um einiges offener gestaltet ist als mit anderen Korrespondenzpartner*innen, kann davon ausgegangen werden, dass es sich hierbei um ein ehrliches Urteil handelte.

      Fazit

      Der makroskopische Blick auf den Gesamtbriefwechsel Ludwig von Fickers, kombiniert mit mikroperspektivischen Schlaglichtern, offenbart in der Frage nach direkten und indirekten Referenzen auf Hermann Broch kulturelle Entwicklungen und Interdependenzen, die sich nicht auf den ersten Blick erschließen. Es wird damit deutlich, dass es nach Kriegsende 1945 in erster Linie Außenstehende waren, die sich aktiv an Ficker wandten. Sie erinnerten ihn an die frühe Phase des Brenner und die Zusammenarbeit mit Hermann Broch bzw. apostrophierten Fickers Rolle als dessen Entdecker und Förderer (gleichwohl er, wie die Briefstelle an Paula Schlier zeigt, Broch durchaus als positiven Charakter wahrgenommen hatte und ihm wohlgesonnen begegnete). Dieser Prozess vollzog sich über mehrere Jahre und erfuhr im Laufe der Zeit verschiedenartige Ausprägungen – sei es im Zuge von Editionsprojekten, in Form von wissenschaftlichem Diskurs oder von literarischer Rezeption. Dabei kam den Exilant*innen eine herausragende Rolle zu; sie sorgten wesentlich dafür, dass die Negativstimmen der Vorkriegszeit, die in der Auseinandersetzung zwischen Broch und Carl Dallago um die Frage nach dem Verhältnis von Ethik und Ästhetik ihre konkreten Ausprägungen fanden, nach

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