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Devolution. Ralph Denzel
Читать онлайн.Название Devolution
Год выпуска 0
isbn 9783941717190
Автор произведения Ralph Denzel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Es gibt schlechtere Gesellschaft, mit der man den Weltuntergang begehen könnte, als meine!«, protestierte Tom gespielt.
»Aber nicht viele«, konterte Chris. »Aber jetzt rede nicht so viel, sondern hilf mir mit dieser verdammten Kiste. Die ist scheißschwer!«
Tom packte die eine Seite der Bierkiste und Chris die andere. Dann warf er einen Blick auf seine Armbanduhr.
»Wir sollten uns etwas beeilen. Es ist bald sieben.«
»Ich bin mir sicher, dass wir nicht zu spät kommen. Oder glaubst du, dass Mick oder Noah schon da sein werden?«
»Hast recht.« Tom warf Chris einen fragenden Blick zu. »Alles in Ordnung?« Die beiden Männer kannten sich so lange, dass sie einander lesen konnten wie ein offenes Buch, und Chris stand gerade ins Gesicht geschrieben, dass er nicht in der besten Stimmung war. Gut, das war in Anbetracht der gegebenen Umstände nicht verwunderlich, aber da war noch was anderes, was Tom nicht auf Anhieb deuten konnte.
»Ist es – wegen dem Stadion?«, fragte er mit fester, ermutigender Stimme, während sie die Kiste Bier über eine Fußgängerbrücke auf die andere Seite trugen.
»Seestadion?«, erwiderte Chris abwesend.
»Gibt es ein anderes mit Relevanz für dich?«
Chris lachte kurz auf. »Ich will nicht drüber reden. Lass mich erst einmal ein Bier trinken, etwas zur Ruhe kommen. Vielleicht auch, wenn die anderen da sind. Ich weiß es nicht.« Er zögerte, bevor er weitersprach. »Vielleicht will ich auch gar nicht mehr darüber reden. Jetzt ist es eh bald vorbei.«
»War es so schlimm, wie man sich erzählt hat?«
Chris blieb kurz stehen. Sein Blick war kühl und distanziert, aber gleichzeitig von einer tiefen Ergriffenheit. Stirnrunzelnd meinte er: »Schlimmer als das … Wer davon erzählen konnte, der war wohl nicht wirklich da.«
»Rede mit mir, Chris.« Es war die Sorge um seinen Freund, die Tom zu dieser Frage antrieb.
»Später, Tom. Später«, wiegelte Chris ab. In seinen Worten hing eine Angst, die Tom frösteln ließ, obwohl es immer noch weit über 30° C hatte.
Damit gingen sie weiter, in Richtung Bodensee. Es war zehn vor sieben, als sie »ihre« Parkbank erreichten und sich setzten. Das Licht flimmerte auf dem See und ließ Tausende Diamanten auf der Wasseroberfläche tanzen.
Majestätisch erstreckte sich der See vor ihnen, links konnten sie die Innenstadt sehen, das Münster, die alten Häuser und das ehemalige Kloster. Auf der gegenüberliegenden Seite des Sees waren Dörfer, oder Städte? Keiner von beiden wusste es, sie hatten sich nie damit beschäftig und würden es jetzt wohl auch nicht mehr erfahren.
Aber keine Boote waren zu sehen. Dabei war heute perfektes Segelwetter.
Letzte Chance!
Seufzend nahm Chris ein Bier und trank einen tiefen Schluck, ebenso wie Tom.
Sie blickten beide fast simultan auf ihre Uhr.
Zwei von vieren waren da.
Vor allem Tom hatte von seinen Schäfchen immer wieder erzählt bekommen, dass einige Menschen einfach aus Spaß andere umgebracht hatten. Sie besorgten sich eine Waffe, vielleicht ein Messer oder ein Schwert aus einem Waffenladen in der Innenstadt und gingen damit auf Menschenjagd. Es war ihnen egal, wen sie erwischten, solange sie ihre perfide Blutgier befriedigen konnten.
Chris nahm einen weiteren tiefen Schluck aus seiner Flasche. Das Bier war angenehm kühl. Der See rauschte in der langsam einsetzenden Abenddämmerung leise vor sich hin. Über ihnen standen zwei grelle, gelbe Sonnen.
Chris Blick wanderte über das Panorama. Seine Hand krampfte sich leicht zusammen, als sein Blick in Richtung Westen wanderte, dort, wo auch ein neuerlicher Geruch nach Tod herkam. Dann drehte er sich zu Tom.
»Willst du wirklich hören, was ich gesehen habe?«
Tom nickte nur stumm und fixierte seinen Freund mit dem aufmunterndsten Blick, den er hatte.
Chris begann zu erzählen. Ruhig und sachlich schilderte er seine Erlebnisse und Tom hörte zu.
Chris hatte recht gehabt: Wer dagewesen war, der hatte nicht davon erzählen können. Eigentlich. Die Worte, die mit einer erschreckenden Kühle aus ihm heraussprudelten, waren erschreckend, vor allem in ihrem symbolischen Charakter für das, was gerade in der Welt passierte, dachte sich Tom traurig.
»Großer Gott.« Mehr bekam Tom nicht raus.
Er zündete sich eine weitere Zigarette an, reichte die Schachtel an Chris weiter, der dankend ebenfalls eine nahm. Schnell inhalierte er den Rauch und erzählte zu Ende.
Als er fertig war, hörten sie Schritte hinter sich. Schlurfend nährte sich jemand. Sie drehten sich um, dann waren die Freunde zu dritt.
Noah
»Meine Damen und Herren« Der Moderator auf dem Bildschirm, dessen Haare bei Weitem nicht mehr so richtig saßen, wie sie es zu besseren Zeiten getan hatten, machte eine bedeutungsschwangere Pause. Auch hatte augenscheinlich die gesamte noch vorhandene Menge von Makeup und Puder nicht gereicht, die tiefen Augensäcke des Mannes zu überdecken. Er wirkte müde und verbraucht, während er die Worte von seinem Teleprompter ablas. Gleichzeitig schwang in seiner Stimme eine leise, unausgesprochene Angst mit, die er jedoch mit der Professionalität eines Reporters überspielen wollte, der es gewohnt, war über schreckliche Dinge zu berichten.
»Hiermit beenden wir unser Programm. Ich«, diesmal versagte ihm die Stimme trotzdem. Peinlich berührt blickte er an der Kamera vorbei. Vielleicht stand dort ein geliebter Mensch, den er in dieser Situation an seiner Seite hatte wissen wollen, vielleicht hatte es jedoch auch nichts zu bedeuten. Seine Stimme bebte und seine Augen glitzerten feucht. Er schluckte zweimal schwer, bevor er endlich die Contenance wiederfand und weitersprach.
»Eigentlich sollte ich mich jetzt bei Ihnen bedanken. Für die Treue zu unserem Sender und für die Unterstützung, die ich durch Sie in Ihren unzähligen Briefen erfahren habe.« Er machte eine Pause und blickte wieder neben die Kamera. Sein Blick wurde plötzlich stärker und direkter. Langsam fand er wieder zu der alten Professionalität, mit der er damals das erste Mal vom Asteroiden berichtet hatte.
»Aber ich glaube, dass Sie dies nicht hören wollen. Nachrichten haben immer eine besondere Funktion: Wir vermitteln Informationen und Neuigkeiten, klären die Menschen auf und helfen ihnen bei ihrer Meinungsbildung. Aber das können wir nun nicht mehr. Ab morgen wird es keine Nachrichten mehr geben – und auch keine Erde mehr, zumindest nicht mehr so, wie wir sie kennen. Ich – ich habe mich immer gefragt, was ich Ihnen in diesem Fall sagen soll. Als damals »Bright Bob« entdeckt wurde, war dies mein erster Gedanke: Was, wenn wir ihn nicht aufhalten können? Was soll ich dann meinen Zuschauern sagen? Heute sitze ich hier – und weiß es noch immer nicht. Vielleicht sind Sie gläubig, vielleicht sind Sie es nicht. Ich bin es nicht und als Reporter, Journalist und vor allem Familienvater gebe ich Ihnen heute keine Information mehr, sondern einen Ratschlag: Verbringen Sie die letzten Stunden auf Erden mit denen, die Sie lieben oder mit dem, was Sie am liebsten getan haben.«
Wieder ein kurzes Zögern. »Darum bin ich hier. Ich habe diesen Job geliebt.« Er brach ab und räusperte sich. »Ich habe diesen Job geliebt.« Er blickte an der Kamera vorbei. Seine Augen glitzerten noch stärker, als wäre er jede Sekunde so weit, wie ein Kind loszuweinen. »Es tut mir so leid«, flüsterte er mit belegter Stimme und weinte, vielleicht eine Minute lang. Eine Frau kam ins Bild, legte ihm die Hand auf die Schulter. Ihr Gesicht konnte man nicht sehen, denn sie wandte der Kamera ihren Rücken zu. Auch das, was sie mit diesem Mann flüsterte, war nicht zu hören, obwohl das Mikrofon voll aufgedreht war.
Der Moderator nickte immer wieder und schien langsam wieder etwas Kraft zu schöpfen. Irgendwann ging die Frau seitlich aus dem Bild. Sein Blick wurde wieder fester, ebenso wie seine Stimme. Nur die Tränen, die immer noch in