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Kon­rads Vor­ge­hen wie ein blin­des Wü­ten vor. Ein bis­her un­be­kann­tes Grau­en be­schlich die Men­schen. Vi­el­leicht hät­te die Ver­fol­gung sich un­ge­hemmt aus­brei­ten kön­nen, wenn sie sich auf die un­te­ren Volks­klas­sen be­schränkt hät­te; aber ge­mäß ei­ner aus­drück­li­chen Be­stim­mung des Paps­tes griff sie ge­ra­de die Hoch­ge­stell­ten an. Das reiz­ba­re Ehr­ge­fühl des ho­hen Adels em­pör­te sich ge­gen die Ver­ge­wal­ti­gung durch ein geist­li­ches Ge­richt. Graf Hein­rich von Sayn wur­de we­gen Ket­ze­rei an­ge­klagt und er­schi­en auf ei­ner großen Kir­chen­ver­samm­lung in Mainz, bei der Kö­nig Hein­rich, Fried­richs II. Sohn, an­we­send war. So­wohl er wie der Erz­bi­schof von Mainz miss­bil­lig­ten das Ver­hal­ten Kon­rads; der Erz­bi­schof hat­te ihn so­gar er­mahnt, sich zu mä­ßi­gen, aber ohne et­was aus­zu­rich­ten. So viel be­wirk­te der Erz­bi­schof, dass dem Gra­fen von Sayn eine Frist ge­ge­ben wur­de, um sich zu recht­fer­ti­gen; die Ge­fahr blieb trotz­dem groß, denn das In­qui­si­ti­ons­ver­fah­ren war so ein­ge­rich­tet, dass es sehr schwer war, die ein­mal an­ge­zwei­fel­te Recht­gläu­big­keit zu er­wei­sen. Am 30. Juli 1233 wur­de Kon­rad von Mar­burg er­mor­det; man schrieb die Tat all­ge­mein dem Gra­fen von Sayn zu. Er leb­te noch 14 Jah­re, ohne des­we­gen an­ge­grif­fen zu wer­den; sei­ne Wit­we mach­te spä­ter große Schen­kun­gen zum Heil für sei­ne und ihre sün­di­gen See­len. Bei­nah gleich­zei­tig wur­de in Straß­burg der Do­mi­ni­ka­ner­mönch Dro­so, der durch sein Auf­spü­ren von Ket­zern die Stadt be­un­ru­hig­te, von Hein­rich von Müln­stein, ei­nem, der sich be­droht fühl­te, er­mor­det. Jo­han­nes Guld­ein, ei­ner der an­ge­se­hens­ten Straß­bur­ger Bür­ger, war im Jah­re 1230 ver­brannt wor­den. Nicht nur der Papst, son­dern auch der Kai­ser war ent­rüs­tet über die Mord­ta­ten; es war ei­ner der Vor­wür­fe, die Fried­rich ge­gen sei­nen Sohn er­hob, dass er die Ket­zer­ver­fol­gung nicht un­ter­stützt habe. Trotz­dem ist an­zu­neh­men, dass die Kai­ser die­se Pf­licht ih­res Am­tes nur wie eine her­kömm­li­che For­mel zu­wei­len zu be­to­nen für nö­tig hiel­ten; denn wenn sie sich mit ei­ge­nem Wil­len da­für ein­ge­setzt hät­ten, wür­de die In­qui­si­ti­on sich mehr aus­ge­brei­tet und fest­ge­setzt ha­ben, als tat­säch­lich ge­sch­ah. Al­ler­dings, wenn auch die schar­fe Ver­fol­gung, wie sie Kon­rad von Mar­burg ein­ge­lei­tet hat­te, sich nicht er­neu­er­te, so wur­den doch die Ket­zer­ge­set­ze wei­ter­hin an­ge­wen­det, und dass von Zeit zu Zeit die Flam­men einen Irr­gläu­bi­gen ver­zehr­ten, war nichts Auf­fal­len­des.

      Im­mer wei­ter un­ter­wühlt der ti­ta­ni­sche Strom die fes­te Erde. Ein Au­gen­blick kann kom­men, wo er nicht nur stär­ker, son­dern auch rei­ner sein wird als das herr­schen­de Ge­setz. War der Tanz um das Gol­de­ne Kalb bei den Recht­gläu­bi­gen oder bei den Ket­zern? Wenn die Re­gie­ren­den an­fan­gen, Feu­er und Schwert an­zu­wen­den, um die Ein­heit des Glau­bens und Den­kens zu er­hal­ten, hat Gott sie meis­tens schon ver­las­sen.

      Un­ter den deut­schen Fa­mi­li­en, die wie Stern­bil­der aus dem Ge­wim­mel der Ster­ne her­vorglän­zen, ist die der Gra­fen von An­dechs be­son­ders in­ter­essant. Aus den Gau­gra­fen von An­dechs wur­den in der zwei­ten Hälf­te des 12. Jahr­hun­derts Mark­gra­fen von Istri­en und Her­zö­ge von Meran, das heißt Dal­ma­ti­en. Bert­hold II., ein Fürst von her­vor­ra­gen­den Ga­ben, hat­te zwei Töch­ter, Ger­trud und Hed­wig, von de­nen die ers­te­re den Kö­nig von Un­garn, An­dre­as II., die an­de­re einen Her­zog von Po­len und Schle­si­en hei­ra­te­te. Hed­wig nahm sich mit un­end­li­cher Güte der Ar­men ih­res ver­wil­der­ten Lan­des an und wur­de nach ih­rem Tode hei­lig­ge­spro­chen. Ihr Sohn, Her­zog Hein­rich, warf sich im Jah­re 1241 den ein­drin­gen­den Ta­ta­ren ent­ge­gen und fiel in der furcht­ba­ren Schlacht bei Lieg­nitz. Ger­truds Toch­ter war die hei­li­ge Eli­sa­beth. Bert­holds zwei­ter Sohn, Otto II., dem die Stadt Inns­bruck ihre Blü­te ver­dankt, er­hielt in der Ge­schich­te sei­nes Lan­des den Bein­amen der Gro­ße; mit sei­nem Soh­ne Otto starb die Fa­mi­lie aus, die ih­ren Ur­sprung auf Karl den Gro­ßen zu­rück­führ­te. Wie es oft der Fall ist, ver­klär­te das Ge­schlecht sich selbst in sei­nen letz­ten Spros­sen. Das Schwa­nen­lied der Gra­fen von An­dechs war Op­fer­ge­sang: sie neig­ten sich zu den Tie­fen des Vol­kes zu­rück, über das sie sich hoch er­ho­ben hat­ten. Wir wis­sen nicht, ob Eli­sa­beth sich aus Mit­leid für die Ar­men und Kran­ken dem Dienst der Un­glück­li­chen wid­me­te, oder ob aus Lie­be zu Gott und um sei­nen hei­li­gen Wil­len zu er­fül­len; wahr­schein­lich ging bei­des in­ein­an­der über. Sie war von Na­tur hei­ter, lach­te und tanz­te gern, sie lieb­te ih­ren Mann und ihre Kin­der, viel­leicht war der Drang, sich des Le­bens zu er­freu­en, be­son­ders stark in ihr; aber zu­gleich la­gen ihr die Wer­ke der Barm­her­zig­keit im Sinn, die Gott for­dert: die Hun­gern­den zu spei­sen, die Dürs­ten­den zu trän­ken, die Ge­fan­ge­nen zu trös­ten, die Nack­ten zu klei­den. Die Kun­de von dem, was der hei­li­ge Fran­zis­kus in Ita­li­en tat und pre­dig­te, ver­stärk­te die ihr an­ge­bo­re­ne Nei­gung, sich ih­res Glückes wie ei­nes Rau­bes zu schä­men. Das größ­te ihr be­schie­de­ne Glück war, einen Mann zu ha­ben, der sie lieb­te und kann­te. Sie wa­ren zu­sam­men auf­ge­wach­sen, und es war et­was von der zar­ten Süße ge­schwis­ter­li­cher Selbst­ver­ständ­lich­keit in ih­rer Lie­be. Er be­hü­te­te sie, und sie ruh­te ver­trau­ens­voll in sei­ner Güte. Wenn an­de­re ihn be­sorgt ma­chen woll­ten, weil sie mit vol­len Hän­den aus­teil­te, be­schwich­tig­te er lä­chelnd: wenn ihm nur die Wart­burg und die Neu­en­burg blie­ben. Auf der Wart­burg wohn­te das jun­ge Paar, und wenn sie die Ar­men be­such­te, so stieg sie wirk­lich hin­un­ter in das Schat­ten­tal. Zu­wei­len be­dräng­te das Glück ihr Ge­wis­sen: war nicht der Ruf an sie er­gan­gen, sich ganz Gott hin­zu­ge­ben? Wenn sie von der Hun­gers­not hör­te, die im Tü­rin­ger Lan­de war, wenn sie die vie­len Bett­ler sah, aus de­ren Zü­gen die Not sprach, dach­te sie, dass der Herr sa­gen wür­de: ich war bei euch, und ihr habt mich nicht ge­speist, ich klopf­te an eure Tür, und ihr habt mir nicht auf­ge­tan. Wie wenn der Him­mel ih­rer Ge­wis­sens­qual zu Hil­fe kom­men woll­te, nahm er ihr das Glück: Lud­wig, der mensch­li­che und klu­ge Fürst, starb in Ita­li­en, wo­hin er ge­gan­gen war, um an Kai­ser Fried­richs Kreuz­zu­ge teil­zu­neh­men. Seit­dem war sie hei­mat­los auf Er­den, sie woll­te nichts mehr, als ihr Le­ben ver­strö­men. Der ihr an­ge­bo­re­ne Op­fer­drang misch­te sich mit der Sehn­sucht nach dem Drü­ben, wo­hin ihr Bru­der und Gat­te vor­an­ge­gan­gen war. Sie ver­ließ die Wart­burg und be­gab sich, nach­dem sie der Be­stat­tung des Ver­stor­be­nen in Rein­hardtsbrunn bei­ge­wohnt hat­te, nach Mar­burg, wo ihr Wit­wen­sitz war. Dass sie ver­trie­ben wor­den sei, wird für le­gen­da­ri­sche Er­fin­dung ge­hal­ten; ge­wiss ist, dass So­phie von Bay­ern, die zwei­te Frau des Land­gra­fen Her­mann, eine from­me Frau war, die Ver­ständ­nis für die Re­li­gio­si­tät der jun­gen Gat­tin ih­res Stief­sohns hat­te. Zu Leb­zei­ten ih­res Man­nes grün­de­te Eli­sa­beth am Fuße der Wart­burg ein klei­nes Spi­tal, in dem zwan­zig Kran­ke ver­pflegt wer­den konn­ten, die sie täg­lich be­such­te. Nun ließ sie in Mar­burg gleich­falls ein Spi­tal bau­en und wid­me­te sich ganz der Kran­ken­pfle­ge. Der Do­mi­ni­ka­ner Kon­rad von Mar­burg, der schon frü­her ihr Beicht­va­ter ge­we­sen war, und dem sie geist­li­chen Ge­hor­sam ge­lobt hat­te, über­nahm ihre Lei­tung und soll die Maß­lo­sig­keit ih­res Op­fer­wil­lens eher ge­dämpft als ge­stei­gert ha­ben. Wäh­rend sie, was sie an Geld be­saß, so­fort ver­schwen­den

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