ТОП просматриваемых книг сайта:
Nebel im Aargau. Ina Haller
Читать онлайн.Название Nebel im Aargau
Год выпуска 0
isbn 9783960416623
Автор произведения Ina Haller
Жанр Языкознание
Серия Kantonspolizei Aargau
Издательство Bookwire
Eine Frau brachte die Karte und fragte, was sie zu trinken wünschten. Beide bestellten Mineralwasser.
«Nach einer Kleinigkeit zum Mittagessen sieht das nicht aus», sagte Andrina, als sie die Karte studierte.
«Das ist längstens überfällig. Wir haben uns ewig nicht mehr gesehen.»
Das letzte Mal hatte sie Susanna im September getroffen, als Enrico entführt worden war. Seit Abschluss des Falls hatten sie keinen Kontakt mehr gehabt. Das hatte nicht an mangelndem Interesse, sondern eher an dem gefüllten Alltag gelegen. Andrina empfand September nicht als «ewig her». Verwundert musterte sie Susanna. Ihr Gesicht war blass, und ihre Haare, die die Farbe eines Weizenfeldes vor der Ernte hatten, sahen stumpf aus. Andrina hatte den Verdacht, es könnte einen anderen Grund für dieses Treffen geben.
«Wie geht es dir?», fragte Susanna. Ihr Blick huschte kurz zu Andrinas Bauch.
«Gut. Die Übelkeit ist zum Glück weg. Überall heisst es, die Mitte einer Schwangerschaft sei die schönste. Man ist die Übelkeit los, aber noch nicht so voluminös, dass man sich nicht mehr richtig bewegen kann.»
«Stimmt das?»
«Gegenüber dem ersten Drittel auf jeden Fall. Wie es im Vergleich zu später ist, kann ich nicht sagen, aber ich denke, es hat etwas an dieser Aussage.» Sie dachte an Gabi, die bestimmt zwanzig Kilo zugenommen haben musste und wie eine Dampflok schnaubte, wenn sie die Treppe zum Büro hochstieg.
«Wisst ihr, was es gibt?»
«Wir wollen es nicht wissen», antwortete Andrina. «Egal, ob Bub oder Mädchen, es ist unser Kind. Hauptsache, es ist gesund.»
«Das ist eine schöne Einstellung.»
Andrina spürte eine leichte Bewegung im Inneren. Sie erinnerte sich an das unbeschreibliche Gefühl, als sie vor ungefähr einer Woche das erste Mal etwas in ihrem Inneren wahrgenommen hatte, das sich wie Schmetterlinge im Bauch oder kleine Blasen anfühlte. Inzwischen nahm sie die Kindsbewegungen regelmässig wahr. Freude durchströmte sie. Sie wechselte, wie so oft in den letzten Wochen, zu Ungeduld, endlich das Kind in den Armen halten zu können, und zu Angst vor dem, was sie mit einem Baby erwartete und ob sie dem gewachsen war.
«Wie geht es dir?», fragte Andrina.
«Gut, wenn Sämi mir nicht die ganze Zeit mit einem Kind in den Ohren liegen würde.» Sämi – Samuel Häusermann – gehörte zu Marco Fellers Team und war seit längerer Zeit mit Susanna zusammen. Andrina hatte sich gefragt, warum Susanna nicht schwanger wurde. Susanna hatte mal angedeutet, es zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu wollen, aber so klang sie, als wolle sie überhaupt nicht.
«Warum nicht?», fragte Andrina. «Normalerweise ist es andersherum. Die Frau möchte, aber der Mann nicht unbedingt.»
«Bei uns nicht.» Offenbar war das Thema unwillkommen. Dabei hatte sie damit angefangen.
Die Frau kehrte zurück und stellte das Wasser auf den Tisch. «Haben Sie gewählt?», fragte sie.
«Ich nehme Hausi’s Geschnetzeltes mit Rösti und einen Salat vorneweg», sagte Andrina.
Susanna bestellte ebenfalls einen Salat und Kalbsleberli.
«Warum nicht?», wiederholte Andrina, als die Serviererin gegangen war.
«Warum es bei uns andersherum ist?»
«Nein. Wieso möchtest du keine Kinder?»
Susanna stellte das Glas in Zeitlupentempo zurück auf den Tisch.
«Eigentlich würde ich gerne», sagte sie gedehnt. «Aber …»
«Aber?»
«Ich weiss nicht. So ein Kind krempelt einiges um. Bisher war ich unabhängig und habe getan, was ich wollte. Ein Kind schränkt ein.»
Andrina fasste Susanna genauer ins Auge. Sie hatte das Gefühl, als sei das nicht der wahre Grund und Susanna weiche ihr aus. «Sicher wird es Veränderungen geben. Aber wie weit man sich einschränken lässt, hängt von einem selber ab. Ich kenne Leute, die machen trotz Kindern das, was sie gerne tun. Okay, sie werden sich sicher anpassen.» Würde das bei ihnen auch so sein? Rasch drängte sie die Verunsicherung auf die Seite und dachte daran, was Enrico sagte: «Du wirst sehen, wir werden unseren Weg zu dritt finden.»
Susanna fuhr mit dem Zeigefinger über den Rand des Glases.
«Ich kann dir nicht sagen, welcher Weg der Richtige ist, ich meine, mit Kindern oder ohne. Jeder muss das mit sich selber ausmachen, aber sich auf Kinder einzulassen muss nicht unbedingt das Aufgeben von anderem sein.»
«Lass uns das Thema wechseln», sagte Susanna abrupt und bestätigte Andrinas Vermutung, es müsse einen anderen Grund geben. Als die Frau den Salat brachte, sah Susanna erleichtert aus. Schweigend begannen sie zu essen.
«Gibt es Neues vom Toten am Hallwilersee?», fragte Andrina nach einer Weile und verwünschte sich gleich darauf. Sie hatte ursprünglich vorgehabt, das Thema nicht zur Sprache zu bringen, da es inzwischen zu viel Raum in ihrem Alltag einnahm. Verflixte Neugier. «Entschuldige, du gehörst ja nicht zum Ermittlerteam und weisst bestimmt nichts Genaueres.»
«Wer sagt das?», fragte Susanna.
«Du warst nicht am See, und deshalb habe ich angenommen, du würdest den Fall nicht mit bearbeiten.»
«Nicht unbedingt.» Das klang ausweichend. «Ich hatte an dem Wochenende keinen Pikettdienst.»
«Ich weiss, du darfst darüber nicht reden …» Sie hielt inne. Lass das!
Susanna brach ein Stück vom Brot ab und tunkte es in die Salatsauce. «Es sieht möglicherweise nach Suizid aus.» Sie steckte das Brotstück in den Mund.
«Ein Selbstmord», murmelte Andrina. Zwar war sie froh, dass diese Anfangstheorie sich bestätigte und der Mann nicht ermordet worden war, gleichzeitig zog sich ihr Magen zusammen. Sie mochte sich nicht ausmalen, wie verzweifelt eine Person war, die freiwillig ihr Leben beendete. Hätten Enrico und sie ihn retten können, wenn sie früher dort gewesen wären?
«Aber das muss nicht sein», fügte Susanna an.
Andrina brauchte einen Moment, bis die Bedeutung der Worte in ihr Bewusstsein drang. «Was willst du damit sagen?»
«Es könnte auch kein Selbstmord sein.»
«Ich verstehe dich nicht.»
Die Kellnerin brachte das Essen. Das Geschnetzelte duftete verlockend. Der Eindruck bestätigte sich, als Andrina einen Bissen in den Mund schob. Eine Weile assen sie schweigend. Würdigen konnte sie das Essen aber nach Susannas Informationen nicht.
«Warum sieht es nicht nach Selbstmord aus?», versuchte Andrina das Gespräch in Gang zu bringen.
«Äusserlich gibt es keine Verletzungen. Er hat sich zum Beispiel nicht selber erschossen. Gespritzt, beispielsweise Heroin, hat er ebenfalls nicht, da der Rechtsmediziner keine Einstiche gefunden hat. Der Verdacht liegt nahe, er könnte ausser Alkohol etwas anderes zu sich genommen haben, das ihn tötete. Wenn das nicht ausgereicht hat, hat es die Kälte. Er könnte erfroren sein.»
«Jeder, der einen gesunden Menschenverstand hat, sollte wissen, dass es in dieser Jahreszeit nicht ratsam ist, draussen zu übernachten. Und dazu leicht bekleidet, wenn ich Herrn Brogli richtig verstanden habe.»
«Sein Wahrnehmungsvermögen reichte dazu nicht aus. Er hatte reichlich Alkohol im Blut. Doch zu viel Alkohol alleine reicht gemäss Rechtsmediziner nicht, um zu sterben. Aber der Mann könnte benebelt genug gewesen sein, damit sich sein Verstand ausschaltete, er die Kälte nicht spürte, sich dort schlafen gelegt hat und erfroren ist. Was den Rechtsmediziner stutzig machte, ist unter anderem der tiefe Blutzuckerspiegel.»
***
«Das klingt seltsam»,