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Nebel im Aargau. Ina Haller
Читать онлайн.Название Nebel im Aargau
Год выпуска 0
isbn 9783960416623
Автор произведения Ina Haller
Жанр Языкознание
Серия Kantonspolizei Aargau
Издательство Bookwire
Genau das hatte sie vermeiden wollen. Als sie am Morgen im Verlag angekommen war, hatte sie Lukas nur kurz informiert. Seine weiteren Fragen hatte sie abgeblockt.
Erwartungsvoll schauten Kilian und Lukas sie an. Gabis Miene dagegen hatte sich verfinstert. Marco musste ihr bereits davon berichtet haben. Kurz nach ihrer Trennung waren Gabi und Marco zusammengekommen. Eigentlich sollte Gabi inzwischen klar sein, dass Andrina keine Gefahr für ihre Beziehung darstellte.
So kurz wie möglich fasste Andrina den vorgestrigen Nachmittag zusammen.
«‹Zeugin› klingt zu harmlos», sagte Lukas. Seine braunen Haare konnten einen Schnitt vertragen. Zusammen mit der Brille sah er wie ein zerstreuter Professor aus, obwohl er erst Ende dreissig war. «Es handelt sich um einen Mordfall. Du hast wirklich ein Talent, solche Dinge anzuziehen.»
«Das bedeutet nicht automatisch Mord. Der Mann kann betrunken gewesen sein, Drogen genommen oder Selbstmord begangen haben, indem er irgendwas geschluckt und sich dort verkrochen hat.»
«Suizid ist auch Mord», sagte Lukas.
Andrina unterdrückte ein Seufzen.
«Sprichst du von dem Toten, der am Hallwilersee gefunden wurde?», fragte Kilian.
Dieses Mal konnte Andrina den Seufzer nicht unterdrücken.
«Das heisst, ja, nehme ich an. Sehr mysteriös», sagte Kilian.
«War es Selbstmord?», fragte Lukas.
«Keine Ahnung», antwortete Andrina.
«Komm schon.»
«Gemäss Nachrichten scheint es so zu sein», sagte Andrina ausweichend.
«Du weisst keine weiteren Details?»
«Nein.»
«Was sagt dein Freund?», wandte Lukas sich an Gabi.
«Nichts.» Gabis Gesichtsausdruck war abweisend.
Sie wusste sicher mehr, aber Andrina konnte verstehen, dass sie sich nicht dazu äussern wollte. Bestimmt hatte Marco sie gebeten, nicht darüber zu sprechen. Andrina dachte daran, wie Marco mit ihr über einzelne Fälle gesprochen hatte, als sie zusammen gewesen waren. Wenn sie an diese Gespräche dachte, schauderte es ihr, und sie war froh, dass dieses Kapitel der Vergangenheit angehörte.
«Irgendwas wird er gesagt haben», hakte Lukas nach.
«Er wird sich nicht gross dazu äussern können, da sie erst einmal die Obduktion abwarten müssen», sagte Andrina und erntete einen wütenden Blick von Gabi.
«Genug», fuhr Elisabeth dazwischen. «Natürlich kannst du früher gehen, um deine Aussage zu unterschreiben, Andrina.»
***
Andrina schob Wagner ihre unterschriebene Aussage zu.
«Ihnen sind keine weiteren Details eingefallen?», fragte Brogli, der neben Wagner sass. Andrina schätzte seine Anwesenheit nicht und hatte ursprünglich gehofft, er werde nicht mit dabei sein. Trotzdem war ihr Brogli lieber, und sie war froh, dass Marco sich nicht hatte blicken lassen.
«Nein.»
«Nichts, was Ihnen seltsam erscheint?», hakte er nach. «Auch im Nachhinein nicht?»
«Es tut mir leid. Ich habe nichts gesehen. Keine weitere Person. Es waren bei dem Wetter sowieso wenig Leute unterwegs.»
«Sie bleiben dabei, nur dem Mann mit dem Schäferhund, zwei Joggern und Frau Fluri begegnet zu sein», sagte Brogli.
«Wer ist Frau Fluri?»
«Die Dame mit dem Collie», sagte Wagner. Er hatte eine neue Brille, fiel Andrina auf. Das Blau des Gestells sollte vermutlich einen farblichen Kontrast zu seinen grauen Haarstoppeln darstellen.
«Es waren keine weiteren Personen da», wiederholte Andrina und bemühte sich, sich ihre Ungeduld nicht anmerken zu lassen. Warum akzeptierte Brogli ihre Aussage nicht, sondern bohrte weiter? Hoffte er, sie werde sich widersprechen? Lass das, dachte Andrina. Du musst aufgrund der Vergangenheit keine Rückschlüsse auf sein Verhalten ziehen. Vermutlich wollte er sicher sein, dass sie sich an alle Details erinnerte, und bohrte deshalb nach. «Genauso habe ich in der Umgebung nichts bemerkt, was mir – auch im Nachhinein nicht – verdächtig erschienen war.»
Wagner legte Andrinas Aussage in eine Klarsichtmappe.
Auf einmal wurde Andrina heiss. «Warum fragen Sie so hartnäckig nach, wenn es Selbstmord war?», fragte sie und wünschte sich in der nächsten Sekunde, diese Frage nicht gestellt zu haben, als sie Broglis Blick sah.
«Wer sagt das?», fragte er.
«Die Medien übertrumpfen sich mit Neuigkeiten.» Andrina versuchte sich möglichst locker zu geben.
«Diese Informationen stammen nicht von uns.» Broglis Verärgerung war deutlich.
«Es ist kein Selbstmord?»
«Das können wir weder ausschliessen noch bestätigen, solange die Obduktionsergebnisse ausstehen», sagte Brogli.
«Eine äussere Verletzung hat der Rechtsmediziner nicht festgestellt», ergänzte Wagner. «Wir müssen die Untersuchungsergebnisse der Körperflüssigkeiten abwarten, ob Drogen im Spiel waren», fuhr er fort. «Genauso testen wir auf Betäubungsmittel und Schlafmittel, obwohl die Spurensicherung keine Medikamente oder leeren Schachteln am Tatort gefunden hat.»
«Warum bindest du ihr das alles auf die Nase?», rief Brogli verärgert. «Diese Details muss sie nicht wissen.»
«Restliche Medikamente könnten bei ihm zu Hause sein», sagte Andrina, ohne auf Broglis Einwand einzugehen. Sie konzentrierte sich ganz auf Wagner. «Oder eine andere Möglichkeit: Er könnte die Medikamente mitgenommen, aber vorher die Packungen entsorgt haben, damit man die Schachteln nicht findet.»
«Ein interessanter Aspekt», sagte Wagner. «Das geht nur mit Pillen. Ich hoffe, unser Rechtsmediziner kann einen Befund liefern.»
«Wenn man zu Hause bei ihm Packungen findet …», fuhr Andrina fort.
«Dazu müssten wir erst einmal wissen, um wen es sich handelt.» Wagner schob Andrina ein Bild zu, das in einer Klarsichtmappe steckte. «Er hatte nichts dabei, was ihn identifizieren könnte.»
Widerwillig senkte Andrina den Kopf. Das Foto zeigte einen Mann mit kahl rasiertem Kopf bis zu den Schlüsselbeinen. Die Schulterpartie war muskulös. Seine Augen waren geschlossen, und es sah aus, als schliefe er. Allerdings passte die graue Gesichtsfarbe genauso wenig wie der Stahltisch, auf dem er lag, zu dem friedlichen Ersteindruck.
«Und?», fragte Wagner.
«Nie gesehen», brachte Andrina mühsam hervor. Inzwischen hatte sie einige Tote gesehen, aber ihr war es nicht gelungen, sich gegen das Entsetzen zu wappnen, das sie jedes Mal dabei empfand.
«Bist du sicher?»
Andrina musterte den Mann ein weiteres Mal. Sie musste Enrico recht geben. Der Mann musste Anfang bis Mitte dreissig sein. Allerdings konnte das täuschen.
«Es tut mir leid. Ich kann euch nicht weiterhelfen.»
***
«Ich kann euch gerne eine Offerte für die Reise machen», sagte Sarah.
Als Andrina das Polizeikommando verlassen hatte, hatte ihr Handy geklingelt. Enrico hatte sie gefragt, ob sie spontan in der Stadt abmachen könnten. Er habe eine Überraschung. Sie hatten sich bei der Stadtbibliothek getroffen, waren ein Stück den Graben entlangspaziert und hatten vor einem Reisebüro angehalten.
«Unsere Ferien im Herbst sind leider ins Wasser gefallen», hatte Enrico gesagt. «Es ist dringend Zeit, das nachzuholen.»
Zum einen hatte Andrinas Schwangerschaftsübelkeit nachgelassen, und ihr Bauch war noch nicht so gross, dass er sie in ihrem Alltag einschränkte. Zum anderen würden sie, wenn das Baby erst einmal da war, so schnell keine