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Autos, die auf der Entfelderstrasse vorbeifuhren. In ihrem Kopf drehten sich die Gedanken wie ein Karussell, das immer schneller wurde. Die Todesfälle mussten zusammenhängen. Diese Bestätigung ihrer Vermutungen jagte Andrina zunehmend Angst ein.

      In ihrem Kopf klang das Gespräch mit Susanna nach.

      «Als Nächstes werden wir das Foto der Toten vom Ballyareal deinem Freund zeigen und mit den Eltern von Herrn Lang sprechen.»

      «Enrico wird sie nicht kennen.»

      «Vielleicht haben wir Glück. Und sonst hoffe ich auf die Eltern von Herrn Lang.»

      «Warum hatten sie ihren Sohn nicht vermisst?»

      «Er hatte in die Ferien nach Italien fahren wollen und ihnen gesagt, er werde sich melden, wenn er zurück zu Hause sei. Da er alleine lebte, gab es keine Partnerin, die ihn vermisst hatte.»

      Am liebsten wäre Andrina nach Hause gegangen. Sie wusste nicht, wie sie den Anlass überstehen sollte.

      «Hier steckst du», sagte Lukas. Andrina hatte nicht gehört, wie er ihr Büro betreten und die Tür geschlossen hatte. «Gott sei Dank», sagte er und gesellte sich zu Andrina an das Fenster. «Endlich treffe ich auf eine normale Person. Hier ist das reinste Irrenhaus. Immerhin scheinen die Vorbereitungen mehr oder weniger abgeschlossen zu sein, und die Gäste können kommen.» Langsam wandte Andrina sich ihm zu. «Du siehst aus wie ein Gespenst. Was ist passiert?»

      «Nichts.»

      «Schlechte Nachrichten?»

      Andrina schwieg. Sie durchquerte den Raum und lehnte sich gegen ihren Tisch, der dem Fenster gegenüber an die Wand geschoben worden war.

      «Wo warst du überhaupt?»

      Nach Susannas Anruf hatte Andrina nur mit Elisabeth gesprochen und sie wissen lassen, ins Polizeikommando zu müssen. Sie war wenig begeistert gewesen, hatte Andrina aber gehen lassen.

      «Du machst mir Angst. Was ist los?» Lukas nahm eine Wasserflasche vom Tisch und schenkte Andrina Wasser in ein Glas, das er ihr reichte.

      «Es ist ein wenig viel.» Andrina zwang sich zu einem Lächeln. «Entschuldige, wenn ich schlappmache.» Sie legte die Hand auf den Bauch.

      «Du musst dich nicht entschuldigen. Gabi hat sich auch für einen Augenblick zurückgezogen. Sie ist in Elisabeths Büro. Es ist beträchtlich, was Elisabeth euch da aufbürdet.»

      «Das meiste ist an Gabi hängen geblieben.» Andrina trank einen Schluck.

      «Sie wollte es selber.»

      «Sind die Autoren schon da?» Andrina stellte das Glas auf den Tisch.

      «Sie trudeln nach und nach ein.»

      «Rein ins Getümmel.»

      «Bist du sicher?»

      «Mir geht es gut.» Andrina öffnete die Tür. Der Apéro würde sie hoffentlich von Susannas Neuigkeiten ablenken.

      Es waren bereits einige Autoren da. Andrina schüttelte die Hände und versuchte sich die Namen zu merken. Obwohl die Autoren auf der Verlagswebseite mit Bild vertreten waren, sahen viele anders aus als auf den Fotos.

      «Sie sind meine Lektorin?» Die braunhaarige zierliche Frau mit dem sportlichen Kurzhaarschnitt machte einen schüchternen Eindruck.

      Andrina grub in ihrem Gedächtnis. «Maria Wigger?»

      «Ja.» Wenigstens sie glich dem Foto. Gestern hatte sie der Autorin eine E-Mail zugeschickt und sie wissen lassen, die verantwortliche Lektorin für ihren Debütroman zu sein. Gabi hatte in der Sitzung gegen die Aufnahme der Autorin ins Verlagsprogramm gestimmt, aber Andrina hatte Elisabeth von dem Potenzial, das in der Geschichte steckte, überzeugen können. Nun hiess es, alles daraus herauszuholen.

      «Richtig, ich werde mich Ihres Krimis annehmen. Zuerst muss ich das Lektorat eines Krimis von einem anderen Autor beenden und mich um ein Korrektorat kümmern, aber Ihr Roman ist gleich danach dran. Was möchten Sie trinken?»

      «Gerne ein Wasser, da ich später mit dem Auto zurückfahren muss.»

      «Soviel ich weiss, gibt es alkoholfreien Punsch.»

      Maria Wiggers Gesicht hellte sich auf. Andrina nahm zwei Tassen vom Tablett, das ihr ein Mitarbeiter der Cateringfirma hinhielt.

      «Andrina, das ist Sandro Wyss.» Lukas gesellte sich mit zwei Männern zu ihnen und deutete auf den hoch aufgeschossenen Mann mit dem blonden Krauskopf. Sie reichten einander die Hände.

      «Und das ist David Dubach.» Lukas wies auf den anderen dunkelhaarigen Mann, der Ende vierzig sein musste.

      Dubach reichte Andrina ebenfalls die Hand, und sie suchte in ihrem Kopf nach der Verbindung, welcher Krimi zu dem Mann gehörte, was nicht gelingen wollte. Natürlich konnte sie sich nicht alle Autoren mit Namen merken, dennoch hätte sie sich besser vorbereiten sollen.

      «Pfahlbauten», kam Lukas ihr zu Hilfe.

      «Richtig. Der Krimi ist genial.»

      Dubachs Gesicht färbte sich rosa.

      «Woher wissen Sie das alles über die Pfahlbauten?», fragte Lukas.

      «Mein Hobby ist Archäologie. Ich dachte, ich könnte es einmal in eins meiner Bücher einfliessen lassen.»

      «David!», wurde er von einem blonden Mann unterbrochen. «Freut mich, dich hier zu treffen.»

      «Frederik! Schön, dich zu sehen», sagte David Dubach.

      Zu Andrinas Erleichterung sah sie, wie Lukas überlegte, welcher der Autoren das war. Dieses Mal konnte Andrina einspringen. «Frederik Hefti.»

      «Genau. Und Sie sind Frau Kaufmann. Sie sehen in natura hübscher als auf dem Foto der Webseite aus.»

      «Frederik!», rief Dubach.

      «David hat recht, entschuldigen Sie bitte.»

      «Kein Problem.» Andrina spürte, wie die Anspannung, die sich in den letzten Tagen eingestellt hatte, von ihr abfiel. Der Anlass lief gut. Es war nicht zu übersehen, wie sich alle gut unterhielten und zufrieden waren. Sie erblickte Elisabeth, die sich angeregt mit einem jungen Mann von der Cateringfirma unterhielt. So entspannt hatte Andrina Elisabeth lange nicht mehr gesehen. Andrina wandte sich ihrer Gruppe zu. Das Gespräch war inzwischen zu Recherchemethoden geschweift.

      Gerade berichtete David Dubach, wie lange er für die Recherche für die Pfahlbauten benötigt hatte.

      «Ich hätte mehr erwartet», sagte Lukas.

      «Einiges wusste ich bereits. Ich bin, wie gesagt, Hobbyarchäologe und befasse mich schon lange mit diesem Thema.»

      Unweigerlich drifteten Andrinas Gedanken zu den beiden Toten. Sie überlegte, ob sie Dubach auf das Thema ansprechen sollte, um herauszufinden, ob es eine Verbindung von den Toten zu den Pfahlbauern geben könnte. Sie verwarf den Gedanken. Er war kein Ermittler, und es hätte nur die Stimmung getrübt.

      «Was machen Sie, wenn Sie nicht schreiben?», fragte Andrina stattdessen.

      «Wenn ich nicht gerade meinem Job bei der Bank nachgehe, bin ich ein Mensch, der häufig draussen sein muss. Wenn ich mich nicht der Archäologie widme, jogge ich.»

      Das gab ihr einen Stich in die Magengrube und rief ihr ins Gedächtnis, was sie verloren hatte, als sie sich vor über zwei Jahren die schweren Rückenverletzungen zugezogen hatte. Inzwischen glaubte sie nicht mehr daran, je wieder ihre Runden im Wald drehen zu können.

      Sei nicht undankbar, schalt sie sich, als sie den Gedanken beendet hatte. Sie sollte froh über das Leben sein, in das sie sich zurückgekämpft hatte. Andrina hatte weiterhin Kontakt mit ihrer Zimmerkollegin, als sie im Paraplegiker-Zentrum in Nottwil gewesen war. Diese sass nach ihrem Skiunfall weiterhin im Rollstuhl. Ihr Freund hatte sie nach der Diagnose verlassen. Nach wie vor lebte sie bei ihrer Schwester, da sie auf Hilfe im Alltag angewiesen war.

      Fertig mit den trüben

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