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Gesammelte Werke von Cicero. Марк Туллий Цицерон
Читать онлайн.Название Gesammelte Werke von Cicero
Год выпуска 0
isbn 9788027209569
Автор произведения Марк Туллий Цицерон
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Fänden sich diese Eigenschaften nicht bei alten Leuten 75, so hätten unsere Vorfahren ihre höchste Rathsversammlung nicht den Rath der Alten genannt. 20. So werden auch bei den Lacedämoniern die Männer, welche das höchste Staatsamt bekleiden, wie sie es wirklich sind, Greise 76 genannt. Und wenn ihr die Geschichte des Auslandes lesen oder hören wollt, so werdet ihr finden, daß die größten Staaten von jungen Männern erschüttert, von alten hingegen aufrecht erhalten und wiederhergestellt worden sind.
Ei sagt, wie kam's, daß euer großer Staat so schnell verloren ging?
So fragt man in dem Scherzspiele des Dichters Nävius 77, und man antwortet unter Anderem besonders Folgendes:
Es tauchten neue Redner auf, gar junge Leut' voll Unverstand.
Natürlich, denn Unbesonnenheit ist dem blühenden Alter, Einsicht dem Greisenalter eigenthümlich.
VII.
21. » Aber das Gedächtniß nimmt ab.« Ich glaub' es, wenn man es nicht übt, oder auch, wenn man von Natur langsamen Geistes ist. Themisiokles 78 hatte sich die Namen aller seiner Mitbürger gemerkt. Meint ihr nun wol, er habe, nachdem er im Alter vorgerückt war, den Mann, der Aristides war, als Lysippus gegrüßt? Ich wenigstens kenne nicht nur die jetzt Lebenden, sondern auch ihre Väter und Großväter. Und wenn ich die Grabschriften lese 79, bin ich nicht besorgt, wie man sagt, mein Gedächtniß zu verlieren; denn eben durch das Lesen derselben erinnere ich mich wieder an die Verstorbenen. Auch habe ich nie gehört, daß irgend ein Greis den Ort vergessen habe, wo er einen Schatz vergraben hatte. An Alles, was ihnen am Herzen liegt, erinnern sie sich, an festgesetzte Bürgschaftsleistungen, an ihre Schuldner und an ihre Gläubiger. 22. Wie? Alle Rechtsgelehrte, Oberpriester, Auguren, Philosophen, wie Vieles bewahren sie im Gedächtnisse?
Die Geisteskräfte bleiben den Greisen, wenn nur Eifer und Thätigkeit verbleibt, und dieß ist nicht allein bei angesehenen und hochgestellten Männern der Fall, sondern auch im amtlosen und ruhigen Leben. Sophokles 80 dichtete bis zum höchsten Alter Trauerspiele. Da er wegen dieser Beschäftigung sein Hauswesen zu verabsäumen schien, so ward er von seinen Söhnen vor Gericht geladen, damit, wie nach unserer Sitte den übel wirtschaftenden Vätern die Verwaltung ihres Vermögens untersagt zu werden pflegt, die Richter auch ihn als einen Blödsinnigen von der Verwaltung seines Hauswesens entfernten. Da soll der Greis das Stück, das er eben in den Händen hielt und erst kürzlich geschrieben hatte, den Oedipus auf Kolonos, den Richtern vorgelesen und sie gefragt haben, ob ihnen diese Dichtung das Werk eines Blödsinnigen scheine? Nach Vorlesung desselben ward er durch den Ausspruch der Richter frei gesprochen. [23.] Hat nun wol diesen Mann, hat den Homerus 81, hat den Hesiodus 82, den Simonides 83, den Stesichorus 84, hat die zuvor 85 erwähnten Männer. den Isokrates und Gorgias, hat die Häupter der Philosophen, den Pythagoras 86, den Demokritus 87, hat den Plato 88, hat den Xenokrates 89, hat die später Lebenden, Zeno 90, Kleanthes 91 oder den Philosophen, den ihr auch in Rom gesehen habt, den Stoiker Diogenes 92, das Greisenalter genöthigt in ihren geistigen Beschäftigungen zu verstummen? War nicht bei allen diesen Männern ihre wissenschaftliche Thätigkeit von gleicher Dauer mit ihrem Leben?
24. Nun denn, um diese herrlichen Wissenschaften zu übergehen, ich kann aus dem Sabinischen Gebiete 93 Römische Landleute, die meine Nachbarn und Freunde sind, nennen, in deren Abwesenheit fast nie auf dem Felde wichtige Arbeiten vorgenommen werden, nicht beim Aussäen, nicht beim Ernten, nicht beim Aufspeichern der Früchte. Indeß darf man sich bei anderen Geschäften weniger verwundern; denn Niemand ist so alt, daß er nicht noch ein Jahr zu leben gedächte; aber eben diese Menschen mühen sich mit solchen Dingen ab, von welchen sie wissen, daß sie ihnen gar keinen Vortheil gewähren.
Er pflanzet Bäume für ein künftiges Geschlecht,
wie unser Statius 94 in den Synepheben sagt. 25. Und wahrlich, der Landmann, mag er noch so alt sein, kann auf die Frage, für wen er pflanze, ohne Bedenken antworten: »Für die unsterblichen Götter, welche gewollt haben, daß ich diese Güter nicht nur von meinen Vorfahren empfange, sondern auch meinen Nachkommen überliefere.«
VIII.
Und diese Aeußerung des Cäcilius über den Greis, welcher auch für das künftige Geschlecht sorgt, ist besser als folgende desselben Dichters:
Fürwahr, o Alter, brächt'st du sonst kein Ungemach
Mit dir, wenn du dich nahst; das Eine ist genug:
Wer lange lebt, steht Vieles, was er nicht begehrt.
Und vielleicht auch Vieles, was er begehrt. Und in das, was das Greisenalter nicht will, geräth oft auch das Jünglingsalter. Noch fehlerhafter ist folgende Aeußerung desselben Cäcilius:
Dann acht' ich das im Alter für das Traurigste,