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es sich für mich, sondern um deine Liebe. Die läßt sich nicht erbitten und nicht erzwingen. Die muß frei gegeben werden. Ich bin zu stolz, sie von dir zu fordern. Wenn du sie mir nicht mehr geben kannst, weil du mich nicht mehr achtest, wenn ich dir nichts mehr, gar nichts mehr bin – gut – dann verlange ich nur noch eins: eine Bedenkzeit von einem Vierteljahr. Sagst du mir auch nach dieser Zeit: Ich kann dir nichts mehr sein ... laß mich von dir! ... so bist du frei!«

      Sie schaute auf. Die entscheidende Frage wollte kaum über ihre zuckenden Lippen.

      »Und Edith?«

      Ihre Stimme klang ihm rauh und tonlos ins Ohr, wie die einer Fremden. Er neigte trübe den Kopf. »Das ist das schwerste!« sprach er langsam, »Gott weiß, wie ich mit mir gerungen habe und mir immer wieder eingeflüstert: das Kind gehört dir! behalte es! gib es nicht dem fremden Manne, der dir ohnedies schon alles nimmt. Aber dann sagte ich mir wieder: du, Elisabeth, liebst unser Kind zu sehr. Ich weiß es. Um des Kindes willen wirst du bei mir bleiben, wenn ich darauf bestehe!«

      »Und dann?« Sie sah in banger Spannung zu ihm empor.

      »Dann!« – er zuckte die Achseln – »dann werden wir freudlos nebeneinander hergehen. Du wirst mich hassen lernen, weil ich dich mit Gewalt an mein Heim fessele, und es geschieht gerade das, was, wie ich dir eben sagte, mir mein Stolz verbietet: daß ich einen Menschen zwinge, mit mir zu leben, der mich nicht mehr liebt und nicht mehr achtet. Und das Mittel zu diesem Zwang ist das eigene Kind! Nein ... das ist mehr als grausam. Das ist eine Entwürdigung und Erniedrigung des Besten, was in euch ist, der Mutterliebe!«

      Sie wagte kaum zu atmen. Sollte es denn möglich sein? Und wirklich, da sprach er es aus: »Ein Kind gehört der Mutter. Nicht nur um ihretwillen. Denn sie hat es mit Schmerzen geboren. Sondern mehr noch um seinetwillen. Denn ein Kind ohne Mutter ist ein unglückliches Wesen. Es hat ein Recht, denen nie zu vergeben, die ihm die Mutter genommen haben! Und darum: willst du mich verlassen, so nimm Edith mit!«

      Sie erhob sich. Lautlos, wie betäubt stand sie da. Er trat vor sie, legte die Hände auf ihre Schultern und sah ihr starr ins Gesicht.

      »Dir brauch' ich nicht erst zu sagen, was das für mich heißt! Aber es ist einerlei. Es ist gut so. Wem sein ganzes Leben zertreten und verwüstet wird, der darf sein Herz nicht noch an das letzte hängen ... denn das mußt du dir klarmachen, Elisabeth, du machst mich zu einem todunglücklichen, verzweifelten Mann. Ich hab' dich in meiner Art geliebt, wie nur ein armer Kerl wie ich lieben kann ... ich lieb' dich noch ... mein Herzblut möcht' ich für dich hingeben ... vor dir niederknien möcht' ich und dir die Hände küssen ... Denk, wie's bei mir ausschaut, wenn du fort bist. Mein Haus ist verödet ... Alles ist leer ... alles, alles, woran mein armes Herz hängt, ist weg ... was soll ich da noch viel auf der Welt ... Und denk an Edith! ... Glaub' mir ... es geht einem jeden sein ganzes Leben nach, wenn die beiden Menschen, die ihn geschaffen haben, sich in Haß und Verachtung trennen. Die Kleine wird aufwachsen und dich eines Tages fragen: ›Warum bin ich unter fremden Menschen?‹ Wo ist das Schloß und der Park, in dem ich einst gespielt habe ... wo ist meine Heimat? Und wo ist der freundliche Mann, der mich auf seinen Armen herumgetragen und geherzt und geküßt hat? Und du mußt ihr antworten: ›Das Haus ist leer, du hast keine Heimat. Dein Vater ist weg. Du wirst ihn nicht sehen. Ich hab' sein Leben verwüstet und deines, weil ich nicht die Kraft hatte, ihm die Treue zu halten, die ich ihm freiwillig und mit heiligem Eid beschworen habe ... ‹«

      Aus dem Nebenzimmer tönte helles Kinderlachen. Die Kleine wurde da von dem Mädchen nach dem Ausgang zur Ruhe gebracht. Elisabeth hob den Kopf. »Es ist genug«, sagte sie tonlos, »laß mich jetzt allein sein ... da drinnen ...« – –

      Sie hatte die Wärterin weggeschickt und kniete neben dem Lager ihrer Tochter. Edith schlief noch nicht. Die großen Kinderaugen schauten weit offen, ernst und klar in das schöne leidvolle Gesicht, das sich über sie neigte. Elisabeth senkte die Wimpern. Sie fürchtete sich vor diesem reinen fragenden Blick, der unerbittlich bis in das Innerste ihrer Brust drang.

      Und wieder sah sie angstvoll auf. Ein demütiges Grauen erfaßte sie vor dieser Reinheit, vor dieser stillen, leidlosen Unschuld, die aus den dunklen Tiefen der Kinderaugen sprach.

      Und das war doch ihr Kind ... ihr eigenes Ich? Wie eine gewaltige Mahnung klang in ihr die Antwort.

      Dein besseres Ich! Das, was in dir gut und rein und leidenschaftslos ist. Es wird eine Zeit kommen, da kannst du mir nicht mehr in die Augen sehen, nicht einmal so bang und zweifelnd wie jetzt. Denn dann ist's geschehen, dann hast du das Höchste verraten ... die Liebe und die Treue. Die Liebe zu mir ... die Treue zu dem Vater ... dann wirst du vor dir selbst die Blicke niederschlagen, und wenn du glücklich wirst, bezahlst du dein Glück schwer und hart mit deinem Stolz und deinem Pflichtbewußtsein ...

      Die Kleine war eingeschlummert. Sie merkte es nicht mehr, daß die junge Frau noch immer vor ihrem Bettchen kniete, in lautlosem Kampf, aus dem durch seelenerschütternde Not der letzte Entschluß emporstieg.

      XX

       Inhaltsverzeichnis

      Auf kahlen Höhen, etwas abseits vom Hotel, liegt am Fuße des Matterhorns der Schwarzsee. Ein kleiner, finsterer Teich, der schwarzgrün in seinem Felsenkessel brütet. Die vorbeikommenden Führer weisen ihn ihren Herren und berichten, daß einer ihrer Genossen vor einiger Zeit in diesem Tümpel ums Leben gekommen sei. Ein Bergführer, der im Angesicht des Matterhorns ertrinkt, das erscheint ihnen so seltsam und erstaunlich, daß sie es kaum begreifen, wie der Fremde dazu nur gleichgültig nicken und nach dem lockenden Gasthaus spähen kann.

      Heute hatten sie noch einen besonderen Grund, den reglosen Wasserspiegel, den selbst das leuchtende Himmelsblau des Sommertags nicht zu erhellen vermochte, ihren Touristen zu zeigen. Der Herr, der da einsam auf den von der Sonne durchwärmten Felsblöcken halb lag, halb saß – jawohl ... dieser bärtige Herr, mit der schwarzen Binde um das Haupt ... das war ja derselbe, der vor einigen Tagen da oben im Schneesturm abgestürzt und wie durch ein Wunder davongekommen war. Seinen Gefährten hatten sie schon gestern unten in Zermatt begraben. Ihm aber ging es ganz gut. Er habe sich schon so weit wieder erholt. Nur spreche er noch kein Wort und sitze den ganzen Tag hier irgendwo im Freien, um ins Tal hinunterzuschauen, wie wenn er etwas von dort sehnlich erwartete. Freilich ... wenn man sich den Kopf derart an den Steinen aufgeschlagen, da sei es ja kein Wunder, wenn man noch eine Zeit lang ein bißchen absonderlich bleibt. Das gibt sich wieder.

      Die fernen Stimmen verhallten. Führer und Reisende stiegen zu dem Hotel hinab. Er war wieder allein mit sich und seinen Gedanken.

      Oder vielmehr: er hatte nur einen Gedanken. Er wartete. Seit zwei endlos langen Tagen und Nächten.

      Rings um ihn standen in schimmerndem Kreise die Alpen. Noch lag der Tag hell auf ihren Höhen, während im Tale schon der Abend graute. Aber heute sagten ihm die wohlbekannten Kolosse nichts. Gleichgültig sah er nach rechts zum wolkenstürmenden Gewimmel der Monte-Rosa-Gipfel und dem runden weißen Breithornrücken, gleichgültig nach links zum schlimmen Zinnal-Rothorn, zu den zerklüfteten Gabelhörnern, der frostgepanzerten Dent-Blanche und hinüber zum häßlichen, ungeschlachten Dom, zum Rimpfieschhorn mit seinen keck aus Schneehängen aufschießenden Felsenzacken. Ja selbst der böse Feind dicht hinter ihm, das unermeßlich sich zum Himmel auftürmende Matterhorn, war ihm heute so fremd, als hätte er nie mit dem Gewaltigen auf Tod und Leben gerungen.

      Er wartete und wartete. Langsam stieg das Dämmern aus dem Tal herauf.

      Heute kam sie wohl nicht mehr. Er erhob sich fröstelnd und beschattete zweifelnd mit der Hand die Augen.

      Eine Gestalt wurde auf der Trümmerhalde vor ihm sichtbar, eine schlanke hohe Frauengestalt, die sich einen Augenblick suchend umsah und dann rasch auf ihn zuschritt.

      Ein Seufzer der Erlösung entrang sich seiner Brust. Er ging ihr entgegen. Sie reichten sich schweigend die Hände. Eine unbestimmte Angst erfaßte ihn dabei, als er in ihr Gesicht sah. Es war so blaß, trotz des herben Bergwinds, der mit ihrem Goldhaar spielte, um die Lippen lag so ein harter, fester Zug ... er wagte

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