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Notizblock gefunden und schrieb mit einem seiner vielen Mini-Bleistifte von IKEA.

      »Unser Quotenmann heißt Burkhard.« An dessen Familiennamen konnte sich keine der Frauen erinnern.

      »Warum wollen Sie das alles denn wissen?«, fragte die Frau in der Latzhose.

      »Das können wir Ihnen jetzt noch nicht sagen«, winkte Neugebauer ab.

      »Laufende Ermittlungen?«

      Neugebauer zwinkerte ihr zu. »Sie gucken Tatort?«

      »Wir auch«, riefen die beiden anderen Frauen im Chor und fanden einen Augenblick zurück zu ihrer guten Laune.

      »Wo finden wir Anna Jordi jetzt?«, antwortete Brummer.

      »Bei ihrer Mutter. Sie wohnt auch hier in Blankenheim, Am Lühberg, Pension Schmidt

      Neugebauer mischte sich ein. »Gibt es ein Foto von Frau Jordi?«

      »Ja!«, rief die Dunkelhaarige. »Von ihrer letzten Ausstellung. Warten Sie, hier muss irgendwo ein Flyer herumliegen.« Sie lief davon, verschwand am Ende des Hofes und kehrte nach kurzer Zeit mit einem Faltblatt zurück. »Hier! Das ist sie.«

      Sie war nicht die Tote im Wald. Anna Jordi war nicht mehr jung, sah nicht besonders extravagant aus, sondern wirkte bodenständig, eher wie eine Handwerkerin. Das braune Haar in einem praktischen Kurzhaarschnitt, ein sympathisches, ungeschminktes Gesicht, Holzfällerhemd, hochgekrempelte Ärmel, Jeans.

      Brummer zückte sein Handy und öffnete seine Fotogalerie. Sie gab die neuesten Fotos preis: die Fotos der Toten. Er hielt sein Handy so, dass die drei Frauen das Display sehen konnten.

      »Das ist ja Nadine!«, schrie die Latzhosenfrau auf und schlug die Hand vor den Mund.

      Die anderen nickten blass und erschüttert.

      »Nadine …?«

      »Nadine Dürkheim«, hauchte sie.

      »In welchem Hotel wohnt sie?«

      Die Frauen berieten sich kurz. »In der Pension Schmidt, die Annas Mutter gehört, ist sie … ist sie …?«

      Neugebauer nickte. So viel durfte er verraten, im Übrigen sprachen die Fotos Bände. Nadine Dürkheim sah nicht sehr lebendig aus. »Was wissen Sie von ihr? Ich meine: privat? Sie ist verheiratet, nicht wahr?«

      »Ja, und sie hat einen Sohn im Teenageralter.«

      »Sie hat keinen Job, hat sie gesagt. Aber sie sucht auch keinen.«

      »Das ist wohl ihre erste Kunstreise.«

      Die Frauen blickten sich fragend an. Mehr schien ihnen nicht einzufallen.

      »Sie ist …. ich meine, sie war nicht sehr gesprächig.«

      Die Kommissare bedankten sich für die Mitarbeit, ließen ihre Karten da und kündigten an, am nächsten Morgen wiederzukommen. Keine von ihnen, baten sie, solle den Kurs verlassen und abreisen, sie würden gebraucht für Zeugenaussagen.

      Auch nachdem das graue Hoftor hinter ihnen geschlossen war, hörten Brummer und Neugebauer noch die erregten Frauenstimmen.

      »Jetzt ist mir aber die Lust am Malen echt vergangen.«

      »Arme Nadine.«

      »Ich hab mich schon gefragt, wo sie bleibt, sie ist doch sonst so pünktlich.

      Nach einer Weile des ergriffenen Schweigens, Klapperns und Rückens: »Der eine war echt nett, oder?«

      Kichern.

      »Welcher?«

      »Der Linke, starker Typ.«

      Kichern.

      »Nö, der Rechte, der war cool.«

      Kichern.

      Auf dem Weg zum Auto stritten Brummer und Neugebauer um die Ehre, entweder ein starker Typ oder cool zu sein, und kamen zu dem Schluss, dass der »Malkurs für Anfänger in Acryl« von ziemlich attraktiven Teilnehmerinnen besucht wurde.

      Nach einem Blick auf die Handyfotos bestätigte Anna Jordi, dass es sich bei der Toten um Nadine Dürkheim handele, eine ihrer Kursteilnehmerinnen. Ihre Mutter kramte die Buchungsunterlagen hervor, aus denen die Anschrift der Toten zu entnehmen war. Sie kam aus Weilerswist und hatte einen Kurs vom 3. bis zum 9. März gebucht. Auch eine Mobilfunknummer, unter der sie zu erreichen war, war vermerkt. Neugebauer hielt alle Daten in seinem kleinen, verknickten Notizbuch fest. Brummer blickte sich neugierig um.

      »Wollen Sie nicht bei ihr zu Hause anrufen?«, fragte die alte Dame verwundert.

      Brummer schüttelte den Kopf und hob den Zeigefinger. »Die Polizei ruft nie an. Wir kommen immer persönlich.«

      »Aha«, sagte sie irritiert. »Gut zu wissen.«

      »Jaaa«, sagte er gedehnt und dachte an die Anrufer, die sich als Polizisten ausgaben, ein Schreckensszenario entwarfen, um angeblich Schmuck und Geld sicherzustellen. Auf die hatte er einen besonderen Zorn. Mehr noch als auf die Enkeltrickbetrüger. Es war unendlich schwer, ihnen das Handwerk zu legen.

      Die Kommissare durften auf Nachfrage das Zimmer sehen, in dem Nadine wohnte, gewohnt hatte, und in dem sie wenig Persönliches vorfanden. Toilettenartikel im Bad, Wäsche in der Kommode, Hosen, Pullover, Blusen. Auf dem Nachttisch lagen Schlüssel, Handy und ein Buch, John Burnside: Über Liebe und Magie. Ein schmales Lesezeichen verriet, dass Nadine nicht viel zum Lesen gekommen war und das Buch gerade erst begonnen hatte. Von Malutensilien war keine Spur.

      »Die sind alle in der Malschule«, erklärte Anna Jordi auf Nachfrage. »Auch die Arbeitskleidung lassen wir da, damit wir die Hotels nicht damit schmutzig machen. Wir ziehen uns dort um. Es gibt eine Dusche dort und Schließfächer.«

      »Und Sie selbst wohnen direkt neben der Schule?«, fragte Neugebauer, um seine Notizen zu vervollständigen.

      »Ja, oben im ersten Stock. Das Erdgeschoss gehört zur Werkstatt. Da können wir uns Kaffee kochen, uns ausruhen und gemütlich unterhalten.«

      Neugebauer blickte durch die Gardinen in den Innenhof, in dem ein rotes Auto parkte. »Wem gehört der Mini Cooper da unten?«

      »Ihr«, sagte Frau Schmidt beinah ehrfürchtig. »Was passiert nun damit?«

      »Keine Sorge«, beruhigte Brummer sie. »Es wird in den nächsten Tagen abgeholt.«

      Frau Schmidt wusste zu berichten, dass Nadine Dürkheim am Morgen vor dem Frühstück zu einem Spaziergang aufgebrochen sei, wahrscheinlich um zu malen, denn sie habe einen Skizzenblock bei sich gehabt. Aber sie sei zum Frühstück nicht zurückgewesen. Da habe sie ihre Tochter angerufen, um sich zu vergewissern, ob Frau Dürkheim schon in der Malschule sei und sie das Frühstück abräumen könne.«

      »Aber sie war nicht in der Werkstatt«, ergänzte Anna Jordi und strich ihrer Mutter beruhigend über den Arm. »Wir haben uns Sorgen gemacht, deswegen bin ich hier.«

      »Verstehe«, sagte Neugebauer und blätterte in seinem Notizbuch zurück. Sein Telefon vibrierte. Es war Frieda Stein, die versuchte, ihn zu erreichen, er nahm das Gespräch nicht an, der Zeitpunkt war denkbar schlecht.

      »Frau Dürkheim«, begann Frau Schmidt, »ich meine, ihrem Mann werde ich die Kosten für die Unterkunft natürlich erstatten«, beteuerte Frau Schmidt leise. »Die Arme. So eine freundliche Person.«

      Brummer nickte, er mochte es, wenn Frauen bei aller Geschäftstüchtigkeit Anstand und Würde nicht aus den Augen verloren.

      »Das würde ich auch gern«, sagte ihre Tochter zögernd. »Aber da müssen wir mit Pandora verhandeln.«

      »Pandora?«, fragte Brummer nach, während er zusah, wie Neugebauer den Stenografen machte. »Ich kenne nur die Büchse der guten Frau.«

      Anna Jordi lächelte wissend. »Das tun wir wohl alle. Aber Pandora heißt die Allbegabte. Jedenfalls, wir sind bei Pandora unter Vertrag. Das ist ein bekanntes, regionales

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