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— Sie hob die Augen fragend zur Mutter: „Ist das der Melker Student, der mit Hans Paul bei uns in der Neuda eingekehrt war?“ — „Er ist’s und hat mich gleich erkannt.“ Da griff Agi nach ihrer Häkelei und begann in freudiger Erregung im Zimmer auf und ab zu gehen. Zufall oder Fügung?

      Als Peter Urban kam, war Agi betroffen von seiner Erscheinung. Sie hatte ihn anders im Gedächtnis. Aus dem schmächtigen Burschen war ein stattlicher junger Mann geworden, dessen treuherzige braune Augen mit dem kastanienfarbenen Haar und dem etwas lichteren flaumigen Vollbart gut zusammenstimmten. Was ihm in wenigen Tagen das volle Zutrauen der Mutter und Agis gewann, war die Verehrung, die er für seine eigene Mutter betätigte. Das Bildnis der einfachen Bäurin, deren Scheitel schon silberig schimmerte, stand in der Mitte des Arbeitstisches, so dass die Augen des Studierenden darauf ruhten, wenn er vom Buch aufblickte. Aus Trinkgläsern ragten vor und neben dem Bilde bunte Sträusslein von Frühlingsblumen, wie er sie aus den forst- und landwirtschaftlichen Versuchsgärten in Mariabrunn und Hütteldorf eingetragen hatte. Ein Mann, der das Bild der Mutter mit Blumen umgab, konnte nur ein guter, zartfühlender Mensch sein. — Die Abende verbrachte er anfangs allein in seinem Stübchen bei emsiger Vorbereitung auf die nächste Prüfung. Nur selten stimmte er seine Laute, dann aber sang und spielte er ein Lied ums andere. Einmal in der Woche, am Samstag abend, hatte er drei Freunde bei sich. Es kam Hans Paul, der Dichter, der an der Universität Philosophie studierte, und die beiden Kunstakademiker Leo Kainradl und Dolo Karpellus. Bei Saitenklang, Liedern und fröhlichem Plaudern blieben sie bis Mitternacht beisammen. Und am Sonntag früh wandelten sie alle vier ins Grüne. — Während Urban mit dem Vater Lorent nur beim Begegnen einen kurzen Gruss wechselte und auch Agi anfangs kaum zu beachten schien, wurde er der Mutter gegenüber, die ihn betreute und die er als „Frau Mutter“ anzureden pflegte, bald mitteilsam, zu ihr sprach er von seiner eigenen Mutter; als Witwe verwaltete sie den grossen Hof „Am Kulm“ inmitten ausgedehnter Waldungen. Den Hof sollte er nach Vollendung der Studien übernehmen. Agis stilles, zurückgezogenes Wesen, ihre liebevolle Art, für die Mutter und das Brüderchen zu sorgen, entgingen dem Studenten nicht. Ohne sich in ein Gespräch mit ihr einzulassen, bezeugte er ihr durch ein lebhafteres Aufleuchten der Augen beim Grüssen, dass sie ihm nicht gleichgültig war.

      Als Agi am 1. Mai zum Hausherrn den Mietzins zahlen ging, kehrte sie mit einem Korb voll Flickwäsche zurück.

      Von diesem Tage an hatte sie samt der Mutter besseren Verdienst; denn sie wurden als gewissenhafte Flickerinnen von Kunde zu Kunde weiterempfohlen. Die schlecht bezahlte Akkordarbeit konnten sie nun aufgeben. Es ging wieder vorwärts. Die Mutter wurde besser genährt und der kleine Rudi nahm zu. Im warmen Mai empfand Agi eine unwiderstehliche Sehnsucht nach Luft und Sonne. Aber nicht die Parkanlagen suchte sie auf, deren Bänke mit Ammen, Soldaten und hüstelnden Alten besetzt waren, sondern sie ging mit ihrem Pack Flickwäsche durch die Allee der blühenden Robinien in den verwilderten, seit Jahrzehnten nicht mehr belegten, menschenleeren Schmelzer Friedhof, dessen halbverfallene Gräber von duftendem Thymian überwuchert waren. Vorüber am Obelisken der Märzgefallenenf) schritt sie zwischen uralten Zypressen, Blutbuchen, Linden und Trauerweiden dahin und machte eine von Holunder und Rankrosensträuchern laubenartig umwucherte Steinplatte, die ein vergessenes Familiengrab deckte, zu ihrer Werkbank. Kaum vernehmbar drang fernher der schwache Hall fahrender Wagen in diesen lieblichen, weltentrückten Winkel; desto inniger aber klang aus dem Schattendunkel blühender Jasminsträucher das halblaute Plaudern eines Schwarzblättchenpaares. Während Agis Hand die Nadel führte, war ein Freuen in ihr, dass sie am liebsten gesungen hätte. Sie fühlte in sich ein stilles, zaghaftes Sehnen nach eigenem Glück; noch wagte sie keinem Hoffen bestimmte Gestalt zu geben. Sie war ja ein armes Mädchen, das nur für die Ihrigen lebte und arbeitete.

      An einem regnerischen Sonntagabend geschah es, dass Hans Paul seinen Überrock in der Küche an einen Wandnagel hängte, bevor er sich in Urbans Stübchen begab. Agi, die in ihrer mädchenhaften Verehrung des Dichters sich dessen Rock betrachtete, entdeckte mit Staunen, dass das Satin-Futter unter der Brusttasche durchgerieben war. — Flugs suchte sie in der Flecklade nach einem geeigneten Stoff, schnitt die schadhafte Stelle heraus und setzte den neuen Fleck dafür ein. Mit klopfendem Herzen, als hätte sie etwas getan, wofür sie sich schämen müsste, hängte sie den Rock wieder an seine Stelle.

      Zwei Tage später brachte ihr der Postbote einen Brief, in dem nur ein Gedicht lag:

      Das Heinzelfräulein

      Im alten Sorgenstuhl Grossmütterlein

      Erzählte mir vom Heinzelmännchen oft,

      Wie es die Arbeit, ehe man’s gehofft,

      Zustande brachte, still und schnell und fein.

      Vom Heinzelfräulein hat sie nichts erzählt,

      Das nachts gar fleissigstill und mitleidsvoll

      Mit Wanderers zerriss’nem Kamisol

      Die müden Finger sich noch müder quält.

      Schon lange lese ich kein Märchenbuch,

      Und nun hab ich es selber gar erlebt,

      Wie’s märchenhaft zur Geisterstunde webt

      Um meines Rocks zerfetztes Futtertuch!

      Ja, Poesie und Märchen stirbt nicht aus,

      Ich glaub aus vollem Herzen wieder dran!

      Dem Heinzelfräulein, das dies Werk getan,

      Fliegt dies Gedicht als kleiner Dank ins Haus.

      Der dankbare „Wanderer“

      Hans Paul.g)

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