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wenn alles wieder in Ordnung gekommen wäre. Schneiders richteten es so ein, daß wenigstens Isabella jeden Abend frühzeitig nach Hause kam, damit sie sich um ihre Tochter kümmern konnte.

      Michaela schien ganz verwandelt. Mit überraschender Energie stürzte sie sich in ihre Schulaufgaben. Das Benehmen den Eltern gegenüber war höflich, wenn auch etwas kühl. Sie schien Gregor vollständig vergessen zu haben.

      Wenn Isabella vorsichtig versuchte, dieses Thema zu berühren, wich sie sofort aus.

      »Das ist doch ganz uninteressant, Mutter.«

      Sie kam jeden Tag von der Schule ohne Umweg nach Hause. Und wenn sie angerufen wurde, waren es Klassenkameradinnen, die ihre Aufgaben mit Michaela besprechen wollten Ihr Vater strahlte. Für ihn war die Schlacht bereits gewonnen.

      Nur Isabella betrachtete das Betragen ihrer Tochter mit Besorgnis. Sie konnte ein Gefühl des Unbehagens nicht loswerden.

      Michaelas Verschlossenheit erschreckte sie. Ihre Freudlosigkeit tat ihr weh.

      Schließlich war sie es, die Michaela zuredete, ihre beiden Schulfreundinnen Stefanie und Heidi ins Luitpold-Kino zu begleiten. Als die drei Mädchen nach der Vorstellung ins Freie traten, gingen gerade die Straßenlaternen an. Tauwetter hatte eingesetzt, und das Schneewasser rauschte gurgelnd in die Gullys. Sie hatten keine rechte Lust, nach Hause zu gehen.

      Die dunkle Stefanie war es, die zuerst das Auto sah, das wenige Meter von ihnen am Bordstein hielt. »Schaut mal«, rief sie, »schicke Karre, was?«

      Michaela drehte sich um. Am Steuer des weißen Sportwagens saß Till Torsten.

      Er hatte das Wagenfenster heruntergekurbelt und winkte ihr zu.

      »Ein guter Bekannter«, sagte Michaela hastig zu ihren Freundinnen. »Ich muß los. Bis morgen, ihr beiden. Tschau …«

      Ohne sich noch einmal umzusehen, lief sie auf den Wagen zu. »Schöner Bekannter«, sagte Heidrun neiderfüllt hinter ihr her. »Der könnte ja zweimal ihr Vater sein.«

      »Onkel Till … du?« fragte Michaela den Mann am Steuer und stieg in den Wagen.

      Till Torsten lächelte, langte an ihr vorbei und zog die Tür ins Schloß. »Wenn du ein nettes Mädchen bist, sagst du nie wieder Onkel zu mir.«

      »Warum nicht?« fragte Michaela verständnislos. »Du bist doch mein Onkel.« Und mit plötzlichem Mißtrauen fügte sie hinzu: »Oder etwa nicht?«

      »Natürlich … trotzdem mag ich es nicht von dir hören. Onkel steht mir nicht. Es macht alt.«

      »Ach, deshalb«, sagte Michaela erleichtert. »Ich dachte schon …«

      Sie schwieg und biß sich auf die Lippen. Fast hätte sie von ihrem Verdacht erzählt, daß sie nicht das wirkliche Kind ihrer Eltern wäre. »Warum kommst du uns denn nicht mehr besuchen?«

      »Haben sie dir das nicht gesagt?« fragte Till Torsten und blickte sie forschend von der Seite an.

      »Nein … sag mal, wohin fahren wir eigentlich?«

      »Ich habe mir gedacht, wir gehen irgendwo eine Tasse Kaffee trinken.«

      »Nein, das geht auf keinen Fall«, erwiderte Michaela sofort.

      Till Torsten zeigte ihr nicht, daß er beleidigt war. »Also auch du willst nichts von mir wissen«, sagte er spöttisch. »Ich hätte es mir denken können.«

      »Doch nicht deswegen, mir ist es doch ganz egal, weswegen du dich mit Paps zerstritten hast, er paßt in letzter Zeit höllisch scharf auf mich auf. Ich darf nirgends mehr hin. Nichts darf ich mehr.«

      Er begriff sofort. »Was ausgefressen?«

      »Meine Eltern tun so, als wenn ich wer weiß was angestellt hätte. Nur weil ich tanzen war«, sagte sie bitter. »Wozu haben sie mich dann erst in die Tanzstunde geschickt?«

      »Mach dir nichts draus, Kleines. Alles geht vorüber. Aber das ist ein schlechter Trost.«

      Michaela berührte seinen Arm. »Sag nicht Kleines zu mir, du willst ja auch nicht, daß ich …«

      »Schon recht. Wie soll ich dich dann nennen?«

      »Micky. So wie meine Freunde.«

      »Gut, Micky, abgemacht.«

      Till Torsten fuhr ruhig und sicher durch das Gewühl des abendlichen Verkehrs. Er nahm den Weg über die Friedensbrücke und am Friedensengel vorbei.

      »Bitte«, sagte Michaela, »setz mich nicht gerade vor unserem Hause ab. Ein paar Straßen früher, damit meine Eltern es nicht merken.«

      »Geht es wirklich nicht, daß du dich noch einmal von zu Hause wegschleichen kannst?« fragte er. Als er merkte, daß sie zögerte, setzte er rasch hinzu: »Warum sollten wir beide nicht einmal zusammen bummeln gehen? Es wäre wunderbar. Ich kenne die schicksten Lokale und die besten Kapellen …«

      »Du weißt genau, wie gern ich ja sagen möchte.«

      »Dann tu’s doch … oder geht es wirklich nicht?«

      Michaela dachte nach. »Höchstens Freitag«, sagte sie zögernd. »Da sind meine Eltern zu Geschäftsfreunden am Tegernsee eingeladen. Eine wichtige Sache, die sie nicht absagen können.«

      »Na also«, sagte Till zufrieden. »Also Freitagabend … um wieviel Uhr?«

      »Aber da ist noch Frau Beermann … unsere Haushälterin.« Er lachte. »Mit der wirst du doch spielend fertig.«

      Sie hatten den Stadtteil Bogenhausen erreicht, und Till Torsten bremste hart.

      »Freitagabend acht Uhr erwarte ich dich hier. Hier, an dieser Stelle.«

      »Und wo kann ich dich erreichen, wenn es nicht klappt?«

      »Es muß klappen … ich bin sicher, daß du mich nicht enttäuschen wirst.«

      Michaela nickte und stieg aus.

      Nein, sie hatte bestimmt nicht vor, ihren charmanten Onkel zu enttäuschen.

      Der Freitag kam.

      Michaela hatte sich immer wieder den Kopf zerbrochen, wie sie am Abend das Haus verlassen sollte, ohne daß die Haushälterin, Frau Beermann, ihren Eltern davon Mitteilung machte.

      Vielleicht war es doch besser, wenn sie sich frühzeitig auf ihr Zimmer zurückzog und kurz vor 8 Uhr über das Spalier entwischte. Aber das war ziemlich unbequem. Man konnte sich, wie Michaela aus Erfahrung wußte, leicht die Strümpfe dabei zerreißen.

      Das Problem wurde von selbst gelöst. Nachmittags erhielt Frau Beermann plötzlich ein Telegramm aus Rosenheim. Darin teilte ihr eine Bekannte mit, daß ihre Mutter schwer erkrankt wäre. Michaela redete ihr mit Nachdruck zu, sofort zu ihr zu fahren und nach dem Rechten zu sehen.

      Frau Beermann zögerte.

      »Morgen früh können Sie doch schon wieder zurück sein«, lockte Michaela.

      »Ja, aber … versprichst du mir, vernünftig zu sein?«

      »Ich habe einen ganzen Haufen Schularbeiten. Sie dürfen Ihre Mutter nicht im Stich lassen. Sie wohnt doch ganz allein, haben Sie mir erzählt.«

      »Manchmal kannst du sehr lieb und vernünftig sein, Michaela«, sagte Frau Beermann.

      Sie dachte sich nichts dabei, als Michaela verlegen die Augen senkte …

      Kurz nach 6 Uhr verließ Frau Beermann das Haus, um zum Münchner Hauptbahnhof zu fahren.

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