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Herren in Zivil bemerkt, die langsam die Kellertreppe herunterkamen …

      Von einer Sekunde auf die andere wechselte ihr Gesichtsausdruck, die ausgelassene Freude machte tiefem Schrecken Platz. »Was nun, Greg? Was sollen wir tun?«

      Wortlos riß Gregor sie durch die Hintertür hinaus, sie glaubte, ihn verstanden zu haben und wollte in einer der Damentoiletten verschwinden. Aber er zerrte sie am Handgelenk durch einen halbdunklen Gang mit sich fort, stieß eine eiserne Tür auf – sie standen im Heizungskeller.

      »Meinst du, hier können wir bleiben?« flüsterte sie atemlos, als er sie losließ.

      »Du mußt raus!« sagte er und machte sich schon daran, das Kellerfenster aufzustoßen.

      »Aber …«

      »Tu, was ich dir sage!«

      Er faltete seine Hände zu einem Korb, sie trat hinein, er hob sie hoch und half ihr, durch das schmale Fenster hinauszukrabbeln.

      »Halte dich nach rechts!« rief er ihr zu. »Da ist ein Torweg … immer nach rechts! Und dann in der Garderobe vom Studio fünfzehn. Warte auf mich!« Ihm fiel ein, daß sie draußen entsetzlich frieren mußte, er riß sich die Jacke herunter und stopfte sie ihr durch das Fenster nach.

      »So … und nun lauf!«

      Das Klappern ihrer halbhohen Absätze war noch auf dem Pflaster zu hören, als die Tür des Heizungskellers aufgestoßen wurde und einer der Herren in Zivil eintrat. Gregor angelte in seiner Hosentasche nach seinem Zigarettenpäckchen, steckte sich eine Zigarette an und gab sich Mühe, so gelassen wie nur möglich auszusehen.

      »Was machen Sie denn hier, junger Mann?« fragte der Kriminalbeamte nicht einmal unfreundlich.

      Gregor nahm einen tiefen Zug, bevor er antwortete: »Habe meine Dame nach Hause gebracht.«

      Der Kriminalbeamte runzelte die Stirn. »Nach Hause?«

      »Na klar. Durchs Fenster.«

      Der Kriminalbeamte ging zum Fenster, öffnete die Klappe, ließ sie wieder fallen. »Und wie hieß die Dame?«

      »Keine Ahnung. Habe sie erst heute abend aufgerissen.«

      »Hm.« Der Kriminalbeamte ging zur Heizung, öffnete die Klappe und warf einen Blick hinein.

      »Ich habe sie nicht verbrannt, wenn Sie das glauben!«

      »Na, vielleicht nicht die Dame, aber …« Er bückte sich und nahm einen Stummel auf, zerfetzte das Papier und hob es prüfend an die Nase.

      »Seit wann sammeln Sie Stummel, Herr Kommissar?«

      »Nie was von Marihuana gehört?«

      »Gehört schon.«

      Der Kriminalbeamte schnupperte dem Rauch von Gregors Zigarette nach, dann sagte er: »Ihren Ausweis, bitte!«

      Gregor fuhr sich mit der Hand zur Brust, siedendheiß fiel ihm plötzlich ein, daß sein Ausweis in der Jacke war, die er Michaela mitgegeben hatte. »Verdammtes Pech.«

      »Ausweis wohl vergessen, was?«

      Gregor hatte sich schon wieder gefaßt. »Nicht doch, Herr Kommissar! Ich habe ihn im Mantel, drinnen!«

      »Na schön, dann holen Sie ihn. Sie werden ihn brauchen können.«

      Langsam ging Gregor durch den halbdunklen Gang zurück. Er überlegte fieberhaft. Durch die Toiletten konnte er nicht, dort würde bestimmt ein Beamter postiert sein. Es hatte gar keinen Zweck, es zu versuchen. Er mußte sich auf ein paar Stunden auf dem Polizeipräsidium gefaßt machen. Es würde einen furchtbaren Krach zu Hause geben. Aber das war nicht das Schlimmste.

      Wie sollte Michaela nach Hause kommen? Sie hatte ihre Handtasche auf dem Tisch liegenlassen, und in seiner Jacke war kein Geld. Sie würde sich eine Erkältung, wenn nicht noch Schlimmeres holen, wenn sie in ihrem dünnen Seidenpulli nur mit seiner Jacke darüber, zu Fuß den weiten Weg von Schwabing nach Bogenhausen machen mußte. Etwas anderes blieb ihr gar nicht übrig. Sie würde auf ihn warten, warten und warten und immer verzweifelter werden …

      Nein, das durfte nicht geschehen, irgendwie mußte er hier heraus. Er mußte es mit Frechheit versuchen.

      Als er in das Lokal zurückkam, stand einer der Kriminalbeamten noch immer auf der Treppe. Der andere ging von Tisch zu Tisch und prüfte die Ausweise. Die Musikbox spielte nicht mehr. Die jungen Leute saßen und standen in dumpfem Schweigen. Gregor ging ruhig, nicht zu schnell und nicht zu langsam, zu seinem Tisch zurück, nahm Michaelas Mantel über den Arm, legte seinen Ulster darüber, steckte ihre kleine Handtasche ein und bahnte sich einen Weg zur Treppe. Der Kriminalbeamte, der dort stand, ein älterer Herr mit dem Ansatz eines Bauches, versuchte, den ganzen Raum im Auge zu behalten, und er sah ihn erst, als er vor ihm stand.

      »Na?« fragte er.

      »Ich möchte nach Hause, Herr Kommissar!«

      »Ihren Ausweis, bitte!«

      »Den habe ich schon Ihrem Kollegen gezeigt … hinten im Heizungskeller!«

      »Na, dann zeigen Sie ihn mir eben noch mal!«

      In diesem Augenblick entstand ein Geräusch im Hintergrund des Lokals. Unwillkürlich blickte Gregor sich um. Er sah, daß ein breitschultriger junger Mann seinen Stuhl zurückgeschoben hatte und blitzschnell, statt seinen Ausweis zu zeigen, dem Beamten, der ihn kontrollieren wollte, die Faust unters Kinn schlug. Der Hieb hatte gesessen, der Kriminalbeamte brach stöhnend zu sammen. Wie auf Kommando erhoben mehrere Burschen ihre Stühle und zerschlugen die Birnen an der Decke. Der Kriminalbeamte neben Gregor zog seine Trillerpfeife und ließ einen schmerzhaft schrillen Pfiff ertönen. Gregor verlor keine Sekunde. Er raste an dem Beamten vorbei, die Treppe hinauf und ins Freie.

      Vor dem Eingang stand ein Funkstreifenwagen, der Fahrer, der den Pfiff gehört hatte, stieg aus und lief zum Eingang.

      »Rasch! Beeilen Sie sich!« rief Gregor ihm zu. »Da drinnen ist was fällig!« Dann ging er, nicht zu schnell und nicht zu langsam, über die Straße hinunter und sah aufatmend die Neonbeleuchtung über dem Studio fünfzehn.

      Michaela wartete, wie verabredet, an der Garderobe auf ihn.

      Er zog seine Jacke an, half ihr in ihren Mantel, gab ihr die Handtasche und schlüpfte in seinen Ulster.

      Dann traten sie zusammen ins Freie. Gregor nahm Michaelas kleine Hand und steckte sie zu sich in die Tasche seines Ulsters.

      »Hattest du Angst, Micky?« fragte er.

      »Ein bißchen schon. Aber … es war alles aufregend! Toll aufregend, was?«

      »Kann man wohl sagen.«

      »Wie hast du es bloß fertiggebracht …«

      »Dusel«, sagte er kurz. Dann lachte er. »Es hat manchmal doch was für sich, wenn man mit nem Spießer ausgeht, was?«

      »Greg … das hatte ich doch nicht so gemeint! Ich weiß doch, daß du dufte bist! Wirklich, du bist der tollste Bursche, den ich kenne. Eigentlich …« Sie stockte.

      »Na, was?«

      »Eigentlich ist es schade, daß du nicht mein Bruder bist!«

      Er blieb stehen und sah ihr lächelnd in die Augen. »Na, so schade ist das nun auch wieder nicht.« Er beugte sich zu ihr und küßte sie zärtlich auf den Mund.

      II

      Die Schneidersche Villa war vom Mondlicht fast taghell beleuchtet, als Michaela und Gregor in die kleine Seitenstraße in Bogenhausen einbogen. Trotzdem sah Michaela sofort, daß im Wohnzimmer noch Licht brannte.

      »Verflixt«, murmelte sie und kramte in ihrer Handtasche.

      »Was ist? Schlüssel vergessen?« fragte Gregor.

      »Ach wo. Aber«, sie machte eine Handbewegung zum Wohnzimmerfenster, »sie sind schon zu Hause.«

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