Скачать книгу

Wo warst du dann?«

      »Tanzen.«

      Erhard und Isabella Schneider wechselten einen Blick.

      »Mit wem?« fragte Isabella.

      Keine Antwort.

      Isabella blickte lange in das verstockte Gesicht ihrer Tochter.

      »Du weißt doch, daß wir es nur gut mit dir meinen.«

      Aber Michaela schwieg weiter.

      »Du packst sie ganz falsch an, Isa«, sagte Erhard Schneider wütend. »Ich habe dir schon tausendmal gesagt, daß du sie zu sehr verwöhnst. Jetzt hast du das Ergebnis … Ein verstocktes, verlogenes Kind, das sich nachts in Tanzlokalen herumtreibt.«

      Er zog das Schreiben von Michaelas Schuldirektor aus der Tasche. »Kennst du den Brief?«

      »Nein …«, erwiderte Michaela leise.

      »Du weißt also nicht, daß dein Direktor uns geschrieben hat? Daß deine Versetzung gefährdet ist?«

      »Von dem Brief habe ich nichts gewußt. Aber der Direx hat mir natürlich schon gesagt, daß ich schlecht stehe.«

      »Und wie soll das nun weitergehen mit dir?«

      »Ich werde mich eben mehr anstrengen müssen.«

      »Schön, daß wir uns wenigstens in diesem Punkt verstehen … Warum bist du erst nach Mitternacht nach Hause gekommen?«

      »Ich wollte tanzen, Paps … wozu habe ich es denn gelernt, wenn ich es nicht darf?«

      »Du kannst ja mit uns ausgehen.«

      »Wann? Und überhaupt: Das ist doch nicht dasselbe.«

      »Immerhin hätten wir dich pünktlich nach Hause gebracht, wie es sich gehört. Mit wem warst du tanzen?«

      »Mit Greg.«

      »Das ist doch kein Name.«

      »Mit Gregor Hellmer. Er arbeitet in einer Bank.«

      »So, so. Wie alt ist dieser Knabe eigentlich?«

      »Zwanzig …«

      »Na hör mal, ein zwanzigjähriger Mann, der schon im Leben steht, ist kein Umgang für ein Schulmädchen. Seit wann kennst du ihn?«

      »Schon ne ganze Weile.«

      »Hat er jemals etwas von dir verlangt …«

      Seine Frau unterbrach ihn. »Nicht, Erhard. Bitte nicht.«

      »Wunderbar. Du weißt es wieder einmal besser.«

      Erhard Schneider füllte sich ein neues Glas Kognak ein und leerte es in einem Zug. »Diesen Greg siehst du nicht wieder!«

      »Aber … Greg kann wirklich nichts dafür, daß es so spät geworden ist. Er ist anständiger, als ihr glaubt. Er ist mein einziger Freund.«

      »Das wird ja immer schöner. Mit sechzehn braucht man keinen Freund. Und schon gar keinen Zwanzigjährigen, der sicherlich schon einiges erlebt hat … Damit du nicht in Versuchung kommst, diesen Burschen wiederzutreffen, verbiete ich dir hiermit, das Haus ohne Erlaubnis zu verlassen.«

      »Paps, ich …«

      »Michaela«, sagte Isabella sanft. »Hab Vertrauen zu uns. Wir wollen doch nur dein Bestes. Du bist noch viel zu jung, um dies alles zu verstehen. Später wirst du uns einmal dankbar sein.«

      Michaela sprang auf. »Dankbar? Dafür, daß ihr mich einsperrt?«

      »Kind, sei vernünftig …«

      »Schluß mit dem Gerede«, befahl jetzt Erhard Schneider laut. »Michaela, du hast dich unglaublich benommen. Ich habe zumindest etwas Einsicht von dir erwartet. Aber anscheinend habe ich mich auch darin getäuscht. Verschwinde jetzt in dein Bett. Ich hoffe, daß du morgen früh vernünftiger bist.«

      Mit Tränen in den Augen sah Michaela ihre Eltern an. Dann drehte sie sich ohne Gruß um und rannte aus dem Zimmer.

      Am nächsten Morgen läutete es kurz vor neun an der Schneiderschen Villa. Anna Beermann, die Haushälterin, öffnete. Eine blonde, nicht mehr ganz junge Dame im grauen Persianermantel trat ein.

      »Könnte ich Frau Schneider sprechen?« fragte sie atemlos. »Es ist sehr dringend.«

      »Ich fürchte, das ist unmöglich«, sagte die Haushälterin, »die Herrschaften schlafen noch.«

      »Aber es ist wirklich ungeheuer wichtig … Bitte, wecken Sie Frau Schneider. Sagen Sie, Gerda Ackermann ist da.«

      »Anna, was ist denn los?« ertönte plötzlich Isabellas Stimme vom Obergeschoß des Hauses, wo die Schlafgemächer lagen.

      »Eine Frau Ackermann möchte Sie sprechen«, gab die Haushälterin zurück.

      »Augenblick … ich komme sofort!«

      Wenige Minuten später kam Isabella die geschwungene Treppe zur Diele herunter. Über ihrem Pyjama trug sie einen eleganten Morgenrock aus blauer Seide, der das Blau ihrer Augen unterstrich. Ihr braunes Haar war vom Schlaf noch in Unordnung.

      Sie nickte Gerda Ackermann kurz zu und ging voraus ins Wohnzimmer. »Komm herein«, sagte sie hastig zu der Besucherin. Bereits in der Tür wandte sie sich noch einmal um. »Anna, achten Sie darauf, daß wir nicht gestört werden … Falls mein Mann oder Michaela herunterkommt, sagen Sie mir sofort Bescheid.«

      Sie schloß die Tür und sah Gerda Ackermann an. »Was willst du? Wir hatten abgemacht, daß wir uns nur außer Haus treffen …«

      »Es ist etwas Furchtbares passiert, Isa … Till Torsten, dein Bruder, ist wieder in München.«

      »Ich weiß«, sagte Isabella Schneider gelassen.

      »Warum hast du mich nicht gewarnt?«

      »Damit mußten wir rechnen. Was regt dich daran so auf?«

      »Das fragst du noch?«

      »Du hast keinen Grund, dich vor Till zu fürchten. Er hat nicht die leiseste Ahnung, wie du jetzt heißt, daß du verheiratet bist, wo du wohnst … vielleicht erkennt er dich überhaupt nicht mehr wieder … nach all den Jahren …«

      »Ich jedenfalls habe ihn wiedererkannt.«

      »Ja du … das ist doch kein Vergleich. In deinem Leben hat es zwei Männer gegeben, Till Torsten und Arnold Ackermann. Aber was glaubst du, wieviel Frauen in seinem Dasein eine Rolle gespielt haben?«

      »Ich habe entsetzliche Angst, Isa.«

      »Wovor denn? München ist eine Millionenstadt. Eine Begegnung wäre unwahrscheinlich. Und selbst wenn … was hätte es zu bedeuten? Ich kann mir kaum vorstellen, daß du noch einmal auf Till hereinfallen wirst.«

      »Darum handelt es sich doch gar nicht. Es ist nur … Arnold weiß nichts von der Geschichte.«

      Isabella hob die geschwungenen Augenbrauen. »Du hast ihm nichts erzählt?«

      »Wie sollte ich. Arnold trägt mich auf Händen. Und da soll ich ihm sagen, daß ich ihm von Anfang an etwas verheimlicht habe?«

      »Immer noch besser, als wenn er es durch Till erfährt. Das fürchtest du doch?«

      »Ja.«

      »Till macht nur Sachen, die ihm etwas einbringen.«

      »Eben.«

      In diesem Augenblick wurde leise gegen die Tür geklopft. Die beiden Frauen fuhren erschreckt zusammen. »Was ist?« fragte Isabella.

      Hinter der Tür war die Stimme der Haushälterin zu hören. »Ihr Gatte und Michaela sind zum Frühstück heruntergekommen.«

      »Ich komme gleich. Sie sollen schon anfangen.«

      Isabella wandte sich an die Besucherin. »Du mußt schnell durch die Diele zum Ausgang.«

Скачать книгу