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riß Molina seine Pistole aus dem Gürtel, spannte in derselben fließenden Bewegung den Hahn und drückte ab. Ein Engländer, der sich hinter dem Capitán über die Brüstung schwingen wollte, warf die Arme in die Höhe und kippte zurück. Sein Cutlass klirrte an Deck.

      Mehrere Piraten versuchten, den Spaniern auf dem Umweg über die „Aguila“ in den Rücken zu fallen. Enterhaken verfingen sich in der Takelage, verwegene Kerle schwangen sich auf das Kriegsschiff.

      Garcia zog ebenfalls seine Pistole und schoß. Die Kugel ließ einen weiteren Gegner in die Tiefe stürzen.

      Aber dann waren zwei Engländer heran. Mit Cutlassen drangen sie auf den Capitán und seinen Ersten Offizier ein. Molina entging der gegen ihn geführten Klinge nur durch einen blitzschnellen Sprung zur Seite. Als der Pirat ins Leere stürmte, setzte er nach und bedrängte ihn mit wuchtigen Degenhieben.

      Garcia hatte weniger Glück. Sein Degen brach bei der ersten Parade. Fluchend schleuderte er dem Angreifer den Rest der Klinge entgegen, aber der Engländer, ein hochgewachsener, breitschultriger Bursche, lachte nur.

      Sein Entermesser zuckte vor, verfehlte den Capitán jedoch, weil er sich überraschend herumwarf. Der nächste Hieb riß Splitter aus der Verschanzung, doch da hatte Garcia schon den auf den Planken liegenden Cutlass an sich gebracht. Der Kapitän führte die breite Klinge mit beiden Händen und legte seinen ganzen Haß in die Hiebe.

      Sein Gegner verstand sich aufs Kämpfen und war gewiß kein einfacher Seemann. Garcia begann zu begreifen, daß er dem Seewolf gegenüberstand – die Beschreibungen, die er über diesen Mann erhalten hatte, stimmten ziemlich genau.

      „Bastard!“ stieß er auf englisch hervor. „Hurensohn! Diesmal geht es dir an den Kragen.“

       2.

      Achteinhalb Monate später und mehr als elftausend Seemeilen von den Kanaren entfernt.

      Die Schebecke des Seewolfs kämpfte gegen eine stürmische See, sintflutartige Regenfälle und widrige Monsunwinde an. Selbst die Männer der Freiwache konnten nur davon träumen, in ihren Kojen zu liegen und die vermeintliche Ruhe unter Deck zu genießen.

      Eine dampfende Schwüle herrschte. Die Luft war von Feuchtigkeit gesättigt, überall schlug sich die Nässe nieder. Vor allem an den eisernen Beschlägen, zeitweise aber auch an den Planken, kondensierte das Wasser.

      Gleich nach dem Ankerlichten winkte Al Conroy die Zwillinge zu sich, die noch den eingeborenen Händlern nachblickten. Von unguten Ahnungen geplagt, forderte der Stückmeister beide auf, ihm bei den Geschützen zu helfen.

      Die Culverinen waren seit dem Beginn der Suche nach der „Ghost“ geladen und feuerbereit. Vom Füllen der Zündlöcher abgesehen, mußten lediglich die wasserdichten Planen abgenommen und die Rohre ausgerannt werden. Die Persennings schützten zwar vor dem Regen, der zeitweise wie ein dichter Vorhang niederprasselte, aber nicht vor der unangenehmen Nässe, die durch alle Ritzen kroch.

      Al Conroy löste die Plane der nächstbesten Culverine. Die Zwillinge sollten das schwere Tuch so anheben, daß er bequem darunter hantieren konnte und genügend Helligkeit hatte, die Kanone aber trotzdem im Trockenen blieb.

      „Culverine müßte man sein“, sagte Philip junior seufzend, als ihm ein Schwall Wasser in den Nacken schoß.

      „Was hast du gesagt?“ fragte der Stückmeister, der unter der Persenning offenbar wenig verstand.

      Hasard junior grinste spöttisch. „Vergiß deinen Ärger!“ forderte er seinen Bruder auf. „Für Al sind die Geschütze wie seine eigenen Kinder.“

      Der Stückmeister hantierte bereits im Lauf der Culverine. Als er flüchtig aufsah, hielten sich in seinem Gesicht Überraschung und Erbitterung die Waage.

      „Was gibt es zu meckern?“ fragte er.

      „Nichts“, sagte Hasard. „Absolut gar nichts.“

      Die Zwillinge achteten nicht darauf, daß sich in einigen Vertiefungen der Persenning Wasser sammelte.

      „Zieht die Plane gefälligst straff!“ schimpfte Al. „Oder glaubt ihr, ich will den Guß im Rohr haben? Da drin hat sich ohnehin zuviel Feuchtigkeit niedergeschlagen.“

      Schimpfend hantierte er mit dem Zieher, dessen spiralförmig gebogenes Ende üblicherweise dazu diente, die verbrannten Teile der Kartusche aus dem Rohr zu holen. Jetzt brachte der Stückmeister damit allerdings die aufgeweichten Teile der Dämmung zum Vorschein. Der Wergpfropfen war klitschnaß zum Auswinden.

      „Eine schöne Bescherung. Unter diesen Umständen dürfen wir uns auf kein Gefecht einlassen.“

      „Ich höre immer Gefecht“, sagte Philip spitz. „Weit und breit ist nichts von dem Halunken Ruthland und seiner Karavelle zu sehen.“

      „Außerdem hat er wohl mit den gleichen Schwierigkeiten zu kämpfen“, sagte Hasard.

      Al Conroy hörte nicht zu. Schimpfend und fluchend mühte er sich ab, die Kugel aus dem Rohr zu holen. Das siebzehneinhalb Pfund schwere Geschoß krachte zwischen seinen Füßen auf die Planken und rollte polternd davon, der Krängung des Schiffes folgend.

      Der Wergpfropfen hatte zwar die meiste Nässe aufgesogen, trotzdem war auch die Kartusche zäh. Al wog das Leinwandsäckchen abschätzend in Händen.

      „Ein verdammter Mist ist das. Wenn das Pulver ebenso klamm ist, brennt es bestenfalls mit einer Stichflamme ab, und die Kugel fliegt dann vielleicht zehn Yards weit. Genausogut könnten wir uns gegenseitig mit Schlick bewerfen.“

      Der Vergleich hinkte gewaltig. Die Zwillinge mußten sich ein Lachen verbeißen. Aber schließlich trug der Stückmeister für Waffen und Armierung die Verantwortung, und sein Ärger war verständlich.

      „Wir müssen jede Culverine entladen und die Rohre trocknen“, sagte er. „Neue Ladungen setzen dürfen wir erst, wenn das Wetter umschlägt.“

      „Glaubst du daran?“ fragte Philip ahnungsvoll.

      Sein Zwillingsbruder zuckte mit den Schultern. Die Bewegung genügte, einen weiteren Schwall Wasser aus der Persenning überschwappen zu lassen. Al Conroy geriet sozusagen vom Regen in die Traufe, als der warme Guß über ihm zusammenschlug. Aber er war ohnehin längst bis auf die Haut durchnäßt.

      „Holt Werg und Tücher! Wäre doch gelacht, wenn wir die Artillerie nicht trocknen könnten.“

      „Aye, Sir!“ Die Zwillinge beeilten sich, unter Deck zu gelangen. Sogar über die Stufen des Niedergangs rann das Wasser. Die Luken waren inzwischen von der Freiwache verschalkt worden.

      Das Werg lagerte neben der Pulverkammer. Ein Teil war lose angehäuft, der Rest noch in Säcken verpackt.

      „Ich kann mir nicht helfen“, sagte Hasard, „aber das Zeug fühlt sich ebenfalls klamm an.“

      „Du triefst vor Nässe, Bruderherz“, erwiderte Philip. „Das wird es sein.“

      „Lästermaul! Da, sieh dir die Türbeschläge an!“

      Philip folgte dem Blick des Bruders. Tatsächlich waren die Eisenbeschläge feucht, das wurde jedoch erst richtig deutlich, als er mit den Fingern darüberwischte.

      „Eine schöne Bescherung. Falls das Regenwetter anhält, wachsen uns in einigen Tagen Schwimmhäute.“

      Hasard junior antwortete nicht. Er nahm die Tranfunzel vom Haken und stellte sie vor die dicke Glasscheibe, die in die Wand zur Pulverkammer eingelassen war. Mit der Lampe den Nebenraum zu betreten, wäre zu gefährlich gewesen.

      Der fahle, flackernde Lichtschein reichte aus, ihn die Situation erkennen zu lassen. Die Eisenkugeln glänzten feucht, in winzigen Tropfen rann das Wasser an ihnen entlang und sammelte sich auf dem Boden.

      Das Pulver in den Fässern war einigermaßen gut vor der Feuchtigkeit geschützt, aber die Leinenkartuschen waren zäh.

      „Das

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