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wir alle. Schließlich hat uns kaum einer so übel mitgespielt wie dieser Hundesohn.“

      „Meinst du, daß Ruthland vor uns flieht? Oder sucht er genauso wie wir, weil er uns haßt, dieser Affenarsch?“ erkundigte sich der Profos.

      „Er haßt uns, insbesondere Hasard“, erwiderte Ben Brighton. „Wenn er einen anderen findet, der ihm hilft, wird er sich mit dem zusammentun. Ihm ist jedes Mittel recht. Genau das wird passieren – denk dran, was ich gesagt habe.“

      Die Schebecke hatte rasch Fahrt aufgenommen. Die Segel standen gut. Es regnete noch immer, und es sah nicht so aus, als würde sich das in den nächsten Stunden ändern.

      Carberry dachte lange darüber nach und meinte schließlich: „Du hast recht, Ben. Je eher wir den Hundesohn finden und ihm unser Stückmeister seine eisernen Grüße schickt, desto besser. Ich hoffe, daß wir genauer treffen als er.“

      „Die Arwenacks schließen sich dieser Hoffnung an“, bestätigte der Erste und holte das Spektiv aus der Rocktasche.

      Er zog es auseinander und hob es ans Auge. Irgendwie ahnte er, daß die lange und beschwerliche Suche ohne rechtes Glück noch weiterging.

      Der Golf von Cambay war groß. Und voller Gefahren …

      ENDE

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       1.

      Dichter Nebel lag über der See, die mehr denn je wie flüssiges Blei wirkte. Kaum eine Welle trübte die spiegelglatte, dunkle Fläche.

      Der Wind war eingeschlafen. Schlaff und von der Feuchtigkeit des morgendlichen Dunstes glänzend, hing das Tuch von den Rahen. Irgendwo tropfte Wasser auf die Planken, der Laut hallte dumpf durch die Stille, nur hin und wieder von einem gespenstischen Ächzen und Knarren aus der Takelage begleitet.

      Die Sonne schimmerte fahl durch den Dunst, der sich zum Nieselregen verdichtete, die Sicht reichte kaum weiter als siebzig Schritt.

      Nach dem dritten Doppelschlag der Schiffsglocke erschien der Kapitän an Deck. Er ging seine Runde, und selbst Hagel und Blitzschlag hätten ihn nicht von dieser Gewohnheit abhalten können.

      „Keine Vorkommnisse!“ meldeten die Wachen. Wegen des schlechten Wetters hatte Garcia ihre Zahl verdoppelt.

      Der Kapitän herrschte einen der Männer auf dem Achterdeck an: „Du kennst Wind und Wolken besser als jeder andere. Wie lange hält die Flaute an?“

      „Ich weiß nicht, Señor Capitán“, antwortete Julián Carmona, der aussah, als habe er die Schwindsucht. Seine von Bartstoppeln übersäte lederartige Haut spannte sich straff über die kantig hervortretenden Wangenknochen. Carmona hatte nie den Ehrgeiz gehabt, mehr als nur Decksmann zu sein.

      Ungeduldig klopfte Garcia mit dem Degen gegen seine Stiefel.

      „Wir setzen die Boote aus!“ befahl er. „Die ‚Aguila‘ wird in Schlepp genommen.“

      „Si, Capitán.“

      „Ich erwarte, daß die ‚Aguila‘ in spätestens einer halben Stunde wieder Fahrt läuft. Die Männer sollen pullen, bis sie umfallen.“

      „Natürlich, Capitán.“

      César Garcia verharrte an der Steuerbordverschanzung. Vergeblich versuchte er, die träge dahintreibenden Nebelschwaden mit seinen Blicken zu durchdringen. Nur wenige Meilen querab erhob sich eine der schönsten Inseln dieses Gebietes. Der schneebedeckte Gipfel des erloschenen Vulkans war bei besserem Wetter weithin zu sehen.

      Endlich wurden Stimmen laut, und Männer erschienen auf der Kuhl, um die Boote abzufieren. Garcia haßte die Ruhe an Bord ärger als die Pest, er brauchte stets Bewegung um sich her. Schließlich war die „Aguila“ ein Kriegsschiff Seiner Majestät Philipp III. von Spanien und keine Handelsgaleone, auf der jeder Schlendrian durchging.

      Obwohl die Decksleute schnell und präzise arbeiteten, war Garcia überzeugt, daß sie noch nicht ihr Letztes gaben. Er winkte den ersten Offizier zu sich heran.

      Juarez Molina, knapp sechs Fuß groß, überragte ihn um Haupteslänge. Sein Stoppelhaarschnitt ließ ihn energisch erscheinen, was sicher keine Fehleinschätzung bedeutete. Als Folge einer Auseinandersetzung mit Negersklaven war seine linke Hand steif, er konnte die Finger nur noch bewegen, wenn er die Rechte zu Hilfe nahm.

      „Capitán?“ fragte Molina.

      Garcia deutete mit dem Degen zur Kuhl.

      „Das geht zu langsam“, sagte er. „Falls uns der englische Bastard entwischt, lasse ich jeden Mann auspeitschen.“

      Molinas Haltung versteifte sich. Er nickte knapp und stieg zur Kuhl hinunter. Augenblicke später enterten acht kräftige Kerle in die erste Jolle ab, kaum daß sie ins Wasser abgefiert worden war. Das zweite Boot folgte an Backbord. Die Männer pullten, als gelte es, ihr Leben zu retten.

      Die Flaute hielt an. Garcia murmelte eine Reihe wüster Verwünschungen, während sein Blick über die schlaffen Segel wanderte.

      Paktierte der Seewolf wirklich mit dem Teufel, wie mancherorts behauptet wurde? Die plötzliche und anhaltende Windstille war ein guter Nährboden für solche Überlegungen.

      César Garcia ballte die Hände zu Fäusten, bis die Nägel schmerzhaft ins Fleisch einschnitten.

      „Philip Hasard Killigrew“, er sprach den Namen voll Verachtung aus, „nichts wird dir mehr nutzen!“

      Mühsam hatte der Capitán alle Informationen zusammengetragen, deren er habhaft werden konnte. Er hatte mit dem gemeinen Volk auf den Inseln gesprochen, mit Fischern, Soldaten und Kauffahrern, und ihre Aussagen füllten einige Dutzend Seiten des Logbuchs. Aber je mehr aufgeschrieben worden war, desto deutlicher traten Irrtümer und falsche Behauptungen hervor. Durchaus glaubwürdige Zeugen behaupteten, Killigrew zur selben Stunde an verschiedenen Orten gesehen zu haben, die Dutzende von Seemeilen voneinander entfernt lagen.

      „Und wenn er selbst ein Teufel wäre, ich bringe ihn nach Spanien!“ Wütend stieß César Garcia den Degen in die Scheide zurück.

      Die „Aguila“ hatte langsame Fahrt aufgenommen. Von den Jollen gezogen, lief sie wieder Kurs Westsüdwest, parallel zur Küste.

      Angeblich diente eine versteckte Bucht den Piraten als Unterschlupf. Sie lag nur noch zwei Seemeilen voraus – eine geradezu lächerliche Entfernung. Garcia kannte inzwischen jeden Strich auf der Karte auswendig, die er vor drei Tagen von einem Kaufmann auf Lanzarote erhalten hatte.

      Das heißt, der Kerl hatte sie erst herausgerückt, als Garcias Degen seinem Lebensnerv schon bedrohlich nahe gewesen war. Der Kapitän hatte ihn dennoch nicht geschont, denn ein Spanier, der mit dem Seewolf, paktierte und seine Beute verhökerte, verdiente keine Gnade.

      Sieben Glasen.

      Der Nebel hielt an und schien lediglich in östlicher Richtung ein wenig aufzureißen. Die Sonne verbreitete einen trüben rötlichen Schein.

      „Bootsmann!“ brüllte Garcia. „Lassen Sie die Schlagzahl erhöhen! Ich dulde keine Lahmärsche auf meinem Schiff.“

      Der Bootsmann gab den Befehl weiter. Er brüllte noch lauter als der Kapitän.

      In den Jollen sagte einer, der Capitán könne ihn kreuzweise. Aber das hörte niemand an Deck. Danach pullten die Männer, als säße ihnen der Leibhaftige im Nacken.

      Ein dumpfes Grollen hallte durch den Nebel. Im einen Moment schien es anzuschwellen, im nächsten ebbte es schon wieder ab.

      Angespannt lauschte der Kapitän. Zweifellos feuerten in einiger Entfernung Schiffsgeschütze.

      César Garcias Hände verkrampften sich um den Handlauf der Balustrade. Er wußte, daß er den Seewolf endlich aufgespürt hatte.

      „Capitán

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