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sorgfältig seine Aufzeichnungen zusammen, bevor er die Karte zu einer Rolle drehte und verstaute.

      „Ich frage sie morgen früh“, sagte Don Juan.

      Morgen früh, dachten sie beide und grinsten in sich hinein, sprachen sie ebensowenig die Sprache der Eingeborenen wie die Fischer Englisch oder Spanisch beherrschten. Vielleicht schafften es die Zwillinge, wenn sie Hände und Füße zur Hilfe nahmen, mit den Eingeborenen zu kauderwelschen.

      Durch das Gluckern und Plätschern der Wellen, die gegen die Planken schlugen, durchs Knarren und Knistern der Verbände und das unverändert laute, gleichmäßige Rauschen des Monsunregens hörten die Seewölfe klar und deutlich: „Backen und Banken – für heute zum letztenmal!“

      „Endlich“, murmelte Don Juan. „Ich hoffe, daß die Fischer nicht an Bord kommen und eingeladen werden wollen.“

      Bis auf die Wachen befanden sich alle Mannen unter Deck. Die Bug- und Hecklaterne verbreitete schwachen Lichtschein. Langsam schwojte die Schebecke an der Ankertrosse und beschrieb einen Halbkreis, als die Strömung den Rumpf ergriff. Niemand rechnete damit, daß draußen im Regen die Karavelle Ruthlands vorbeigleiten, ihre Besatzung das Licht sehen und zu feuern anfangen würde.

      Dennoch waren die Arwenacks darauf vorbereitet, trotz Monsunregen und undurchdringlicher Finsternis.

      Ruthland riß sich, nachdem er sich mühsam beruhigt hatte, Jacke und Hemd vom Körper, schleuderte sie auf seine Koje und zog sich um. Dann stieg er wieder an Deck. Während ein Teil der Seeleute versuchte, Fackeln und Lampen an Deck zu bringen und sie vor dem Regen zu schützen, überschlugen sich in Ruthlands Kopf die Gedanken und Überlegungen.

      „Ausgerechnet bei höchstem Wasser“, fluchte er vor sich hin. Das Schiff saß noch immer fest, die Neigung des Decks hatte sich nicht verändert.

      Steuerbord lag tiefer als Backbord. Der zitternde Lichtschein von blakenden Fackeln spiegelte sich auf dem nassen Deck.

      Hugh Lefray brüllte von der Back nach achtern:

      „Kapitän! Wenn wir die Kanonen und Ballast nach Steuerbord verholen, dann legt sich die ‚Ghost‘ noch weiter über!“

      „Wenn’s reicht. Fangt an!“ rief Ruthland. „Aber schnell. Um den Kiel und den Loskiel ist mir nicht bange, aber die Planken!“

      „Aye, Sir.“

      „Bring mir Rum, Koch!“ rief der Kapitän, enterte auf die Kuhl ab und musterte seine Crew. An Backbord wurden die Culverinen losgeschäkelt. Die Geschütztaljen erhielten Lose, die Brooktaue wurden ausgehängt, und die Seeleute stemmten sich gegen die Lafette. Die breiten Räder knirschten und ratterten über die Planken, als sich das erste Geschütz bewegte. Sieben Mann zerrten am Rohr, an den Griffen und Tauen. Eine Handbreite nach der anderen rollte die Culverine nach Steuerbord. Schließlich hatten die Männer die Lafette neben die des Steuerbordgeschützes bugsiert und sicherten das schwere Stück mit Sorgleinen.

      „Das verdammte Schiff rührt sich nicht“, knurrte Ruthland, als ein Dutzend Männer und das erste Geschütz an Steuerbord waren. „Los, ans Schanzkleid. Lehnt euch drüber.“

      Er selbst sprang zum Schanzkleid, klammerte sich fest und hoffte, daß sich das Schiff wenigstens ein bißchen bewegen würde. Aber es gab nur wieder das Knarzen und Knirschen, das hohl und bedrohlich aus dem Kielraum heraufklang. Inzwischen waren sie alle völlig naß, das Regenwasser lief an ihren Körpern hinunter und in die Stiefel.

      „Nichts. Wir ziehen alles rüber, was wir haben.“

      Das zweite Geschütz wurde losgeschäkelt. Während er Seite an Seite mit seiner Crew schuftete, überlegte Ruthland, was als nächstes unternommen werden mußte, wenn es nicht reichte, das Gewicht zu verlagern. Bisher konnte er noch nicht sagen, ob es ausreichen würde, wenn die „Ghost“ weiter gekrängt wurde.

      Vielleicht löste sich der Kiel von den Felsen. Vielleicht aber auch nicht. Das Teuflische war, daß die Flut nicht mehr höher stieg, im Gegenteil. Wenn die Ebbe einsetzte, würde sich die Karavelle mit noch mehr Gewicht auf den Grund setzen.

      „Stein ist härter als das beste Holz“, drückte der Erste die Befürchtungen deutlich aus.

      An Deck befanden sich für diese Arbeit zu viele Männer. Als das zweite Geschütz mit hohlem Krach gegen das Schanzkleid stieß, richtete sich Ruthland auf, wischte über sein Gesicht und befahl: „Die anderen stapeln die schwersten Fässer und Kisten nach Steuerbord um. Fünf Mann genügen für die Artillerie.“

      „Aye, Kapitän.“

      Quelch enterte ab, zündete zwei weitere Lampen an und gab den Befehl des Kapitäns weiter. Aber er brauchte seine Kameraden nicht anzutreiben.

      Unter dem Eindruck des grauenhaften Knarrens und Ächzens, das nichts anderes ankündigte als einen Wassereinbruch, arbeiteten die Seeleute unter Deck weiter.

      Sie packten die Fässer, koppten und rollten sie, hebelten mit Spaken die schweren Kisten in die Höhe und versuchten, die schwersten Ladegüter zwischen den Binnenspanten an Steuerbord zu stapeln.

      Die Karavelle rührte sich noch immer nicht. Von oben, durch das Plätschern des Regens, dröhnte das Rumpeln der Lafettenräder an die Ohren der Engländer.

      Nach einer Stunde schaute sich Quelch, an dessen nacktem Oberkörper der Schweiß in Strömen hinunterrann, im Laderaum um.

      Nur noch ein paar Kisten standen an der Backbordseite. Er stemmte die Fäuste in die Seiten und knurrte: „Scheint nicht viel geholfen zu haben. Vielleicht weiß Ruthland, was wir noch tun können.“

      „Wir entern auch auf. Ein bißchen Luft schnappen.“

      „Kommt mit“, rief er keuchend seinen Kameraden zu und stieg die Stufen des Niederganges hinauf. Der Regen auf der nackten Haut war eine Erfrischung. Die Männer holten tief Luft und wischten sich den Schweiß aus den Gesichtern.

      Quelch hangelte sich am Schanzkleid entlang und blickte über das halbdunkle Deck. Sämtliche Geschütze befanden sich festgezurrt an Steuerbord. Der Blick Ruthlands fiel auf ihn.

      „Fertig, Quelch?“ stieß der Kapitän hervor.

      „Die schwersten Brocken sind verstaut, Sir.“

      „Ich merke nichts. Das Schiff sitzt weiterhin fest!“ rief Ruthland.

      Durch den Rumpf bebten die Erschütterungen der Wellen, die durch die Felspassage hereinzischten. Zwar trafen sie die Planken, aber die Karavelle kam nicht frei.

      „Die Ebbe“, sagte Hugh Lefray erschöpft. „Es geht nicht anders, Leute. Entweder holen wir den Ballast aus der Bilge und werfen die stinkenden Steine in den Bach, oder wir bringen das Boot zu Wasser.“

      „Oder beides“, sagte der Kapitän. „Steine finden wir überall. Wenn ihr mich fragt, gibt es viel zu viele davon.“

      „Besonders unter dem Schiff“, sagte Quelch grimmig. „Wie wär’s, wenn wir ein Tau vom Großmast aus mit dem Boot ausfahren, um die Karavelle noch mehr auf die Seite zu legen – wie beim Überholen der Planken?“

      Der Kapitän hob beide Arme und schrie wütend: „Was bringt das schon? Wenn wir nicht bald Erfolg haben, brechen uns die Planken auf. Schnell! Eine Kette bis in die Bilge. Holt den Ballast an Deck und schmeißt das Zeug über Bord.“

      „Aye, Sir.“

      „Und ihr fiert das Beiboot ab. Das Wasser fällt wahrscheinlich schneller, als uns lieb ist.“

      Auch jetzt brauchte kein Crewmitglied angetrieben zu werden. Jeder hatte die Gefahr klar erkannt. Unter Deck wurden noch mehr Lämpchen angesteckt und frisches Lampenöl nachgefüllt. Die Seeleute enterten ab, kletterten über die Bugbänder, die Bodenwrangen und das Kielschwein. Zwischen den Ballaststeinen, an denen Dreck und Schlamm glänzten, gluckerte Wasser.

      Wenn die Männer zupackten, rutschten ihnen die schweren Steine aus den Fingern. Sie brüllten nach oben und verlangten Lappen und Segeltuchfetzen. Endlich konnte, zwischen

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