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du deine Rohre klar hast, genügt’s mir. Zuerst müssen wir die Bastarde finden, klar?“

      „Aye, Sir.“

      Der Stückmeister zog schweigend wieder ab. Die „Ghost“ segelte einen weiten Schlag nach Nordosten, auf die Fischer zu. Eine halbe Stunde später wurde der Kurs wieder geändert, und nun lag Nordwesten an. Unruhig und ungeduldig peilten Ruthland und sein Kumpan jeden Punkt der Kimm an.

      „Dieser Wind aus dem nördlichen Sektor“, sagte Lefray nach einer Stunde, in der sie unverändert in guter Fahrt in nördliche Richtung kreuzten und die Wellenhöhe zunahm, „gefällt mir gar nicht, Francis.“

      Ruthland lachte rauh und erwiderte: „Mir auch nicht. Aber wir haben keinen anderen. Hast du Angst vor einem Sturm?“

      „Nicht unbedingt. Die letzten Wochen hatten wir nur, bis auf ganz wenige Ausnahmen, Regen und Wind aus Südwesten. Nach den Karten gibt es im Norden hinter den Buchten und Flußmündungen nur Wüsten und Gebirge. Warum ist der Wind, wenn er aus Gebirgen und Wüsten weht, derart kalt?“

      „Wenn wir vor der Themsemündung wären, könnte ich’s dir sagen, Hugh“, erwiderte Ruthland und zuckte mit den Schultern. Der Blick seiner hellen Augen heftete sich auf die prallen Segel und dann auf Lefray. „Spätestens heute nacht gibt’s wieder Schlagregen und Nebel. Und die Gebirge sind verdammt weit weg. Ein paarmal haben wir geglaubt, Berge zu sehen. Aber es können auch Wolken gewesen sein. Von einer Wüste hast weder du noch ein anderer was gesehen. Ich schon überhaupt nicht. Allerdings wäre mir Starkwind aus dem südlichen Sektor auch verdammt lieber.“

      „Verfluchter Seewolf“, knurrte Lefray und wandte sich ab.

      Bis kurz nach dem Mittagsglasen kreuzte die Karavelle auf Nordkurs zwischen den Mangroven und Inseln, Halbinseln und Bänken. Je weiter sie vorstießen, desto mehr entfernten sich die Ufer. Die „Ghost“ steuerte offenbar jenen Teil des nach Osten abknickenden Golfes an, an dem laut Karten die Hafenstadt Khambhat liegen sollte. Allerdings waren die Eintragungen alles andere als genau.

      Ruthlands Laune wurde von Stunde zu Stunde schlechter. Die erzwungene Untätigkeit versetzte ihn in Unruhe, seine Wut darüber, daß er die Schebecke noch immer nicht gefunden hatte, setzte ihm zu.

      „Dieser Killigrew“, sagte er leise, mit belegter Stimme, zu seinem einäugigen Kumpan, „liefert sich mit einem anderen Schiff ein Feuergefecht. Wenn wir ihn bald stellen, sind wir zwei gegen ihn.“

      Ohne jeden Zweifel suchte nicht nur er, sondern die gesamte Crew die Auseinandersetzung. Sie wußten, wie gut David Lean zielte und traf. Aber wieder war es Lefray, der die überzeugte Sicherheit seines Kapitäns nicht teilte.

      „Francis“, sagte er ebenso wütend wie der Kapitän, „wir haben nur ein paar Explosionen gehört. Vielleicht hat Killigrew ein Fischerdorf unter Feuer genommen. Das Ganze hörte sich nicht wie ein ernsthaftes Feuergefecht an.“

      „Ist mir egal“, knurrte Ruthland. „Killigrew schießt nicht auf Fischerhütten. Vielleicht hat ihn ein Schiff der Moguln oder von einem anderen Padischah aufgestöbert. Oder ein Portu. Was weiß ich! Wenn er nicht versenkt wurde, finden wir ihn.“

      „Hoffentlich bald.“

      Obwohl in den nächsten Stunden die Crew der Karavelle an Schoten und Brassen schufteten und das Schiff sich weiter in die Bucht vorarbeitete, zeigten die Spektive nur weitere Einzelheiten der Ufer, die sich kaum von den bisherigen Bildern unterscheiden. Die Flottille der Fischerboote war längst achteraus hinter einem Teil der buchtenreichen Uferlandschaft verschwunden. Trotz des Windes aus Norden trieben die Wolken von Westen nach Osten die Sonne verschwand und tauchte auf, in ständigem Wechsel. Wieder schien die Jagd auf den Seewolf völlig offen zu sein.

      Willem van Stolk hielt sich mit beiden Händen am Rahmen der Tür seiner Kammer fest und grinste selbstzufrieden, als sein Rundblick beendet war. Die „Zuiderzee“ hatte jedes Stück Leinwand gesetzt und segelte genau auf Südkurs. Alle Segel standen prall voll, hinter dem Heck gurgelte und rauschte das Kielwasser. Eine Schar Möwen begleitete die Karavelle. Vor zwei Stunden war Mittag geglast worden.

      Van Stolk wandte sich an den Bootsmann und sagte laut, um die Windgeräusche zu übertönen: „Ein ehrenwerter Kapitän, dieser Mister Killigrew. Die Engländer sagen wohl ‚Gentleman‘ dazu, mit Recht, wie ich finde.“

      Antony sah dem Koch zu, der quer über die Kuhl tappte und den Rum zum Quarterdeck brachte.

      „Der beste Rat, den wir seit Wochen erhielten. Wir laufen gute Fahrt, Willem. Heute abend werden wir diese engen Passagen und alle unwichtigen Inseln weit achtern gelassen haben.“

      „Gottlob“, erwiderte der Kapitän. „Ein schnelles Schiff, die Schebecke. Wo ist sie? Vor zwei Stunden war sie noch zu sehen.“

      „Sie sind schneller als wir“, erwiderte der Bootsmann. „Weitaus schneller.“

      Stundenlang waren sie hintereinander gesegelt, und während dieser Zeit hatte sich der Abstand zwischen der Schebecke und der „Zuiderzee“ ständig vergrößert. Jetzt war das schlanke Schiff mit den Dreieckssegeln hinter der Kimm verschwunden. Im Südwesten bildete sich über dem Wasser bereits wieder eine dunkle Wolke. Jetzt sah sie aus wie ein schmales Band am Ende des Blickfeldes.

      Der Kapitän wies zu dem dunklen Streifen, der sich über der Kimm im Südwesten aufbaute.

      „Ein seltsames Wetter“, murmelte er und schwenkte den letzten Schluck Rum in der Muck. „Nordwind, Monsunwolken und hoch am Himmel diese weißen Sommerwolken. Baut sich ein Sturm auf?“

      „Ist schon möglich“, gab der Bootsmann zu. „Wir kennen die Gewässer hier nicht.“

      „Man sollte einen Fischer fragen“, schlug Willem van Stolk grinsend vor.

      „Weit und breit keiner zu sehen.“

      Irgendwo an Backbord voraus, eine oder zwei Tagesfahrten entfernt, mußte Surat beziehungsweise die breite Mündung des Tapti-Flusses liegen. Das hatten sie von der Crew der Schebecke erfahren. Der Versuch, Einblick in deren Karten zu nehmen, war ein solcher geblieben. Sie wußten wohl auch nichts Genaueres, so wie die Holländer. Aber Killigrew schien in dieser Beziehung ein Schlitzohr zu sein, der sich nicht überlisten ließ.

      „Wir finden die Küste wohl auch ohne Fischer. Ihre Sprache verstehen wir sicher nicht“, sagte der Bootsmann. „Willst du abends an den Strand, in eine Bucht oder einen geschützten Winkel verholen?“

      Der Kapitän nickte und peilte den Stand der Sonne an. „Ja, natürlich. Irgendwo an Backbord.“

      „Verstanden, Kapitän. Kann ich mich ein, zwei Stunden aufs Ohr hauen?“

      „Selbstverständlich, Antony“, sagte van Stolk. „Bis zum Abend wird sich nichts Besonderes abspielen.“

      „Alles klar.“

      Die beiden Männer nickten einander zu. Antony Leuwen enterte den Niedergang ab und beugte sich mit seinem Oberkörper, bevor er die Kuhl verließ, weit über das Schanzkleid. Er schien die Wellen einer schweigenden und gründlichen Untersuchung zu unterziehen. Dann zog er in einer halbwegs hilflosen Bewegung die Schultern in die Höhe und tauchte unter Deck ab.

      Willem van Stolk grinste ihm hinterher.

      „Die Compagnie hat keine Ahnung“, murmelte der Kapitän etwas später, „wie schwierig hier alles ist.“

      Die Karavelle jagte über die Wellen, der nächsten Regennacht im Monsun entgegen. Irgendwie fühlte sich der Niederländer seit dem Augenblick erleichtert, als die Männer der Killigrew-Crew zusammen mit Swietens Mannen die Schäden dieses einseitigen Feuergefechts beseitigt hatten.

      Der Kurs lag an. Keiner an Bord wußte im voraus, was die nächsten Wochen bringen würden.

      Die Seeleute der „Ghost“ hatten ein solches Wetter noch nie erlebt. Zumindest erinnerte sich keiner daran.

      Die Karavelle stampfte und schlingerte durch hohe, unablässig anrollende Wellen.

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