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Richtung geändert, sie glitt geradeaus durch die Wellen, genau auf die Mitte des Durchlasses zu. Drei Männer rannten zum Bug, enterten zur Back auf und klarten Anker und Ankertau auf. Der Regen wurde heftiger, als die beiden Seiten des Schiffes die schweren Brecher der Brandung gegen den Fels schmetterten, sich donnernd aufwarten und über den Stein in die Höhe zu klettern schienen. Eine Weile hob die „Ghost“, schob sie auf die Passage zu und hindurch.

      „Anker klar zum Fallen!“ brüllte Ruthland.

      Die Brandung war lauter als Geschützdonner. Plötzlich glitten die Felswände rasend schnell vorbei. Im letzten Licht sahen die Engländer, daß der Felsenkessel höchstens zwei Kabellängen Durchmesser hatte und das fast schwarz scheinende Wasser überraschend ruhig war, fast ohne Wellen. Die Tropfen plätscherten herunter, der Regen wurde dichter.

      „Fallen Anker!“ befahl Lefray.

      Klatschend verschwand der Anker im Wasser. Knapp zehn Faden Ankertau schlängelten sich durch die Klüse, die Trosse wurde kurz belegt. Dann faßte der Anker Grund, das Schiff schwojte, vom eigenen Schwung getragen, nach Backbord und glitt in die Mitte des Felsenkessels. Es war unnatürlich ruhig geworden, nur das Geräusch des fallenden Regens nahm zu. Es gab nur noch einen Rest Tageslicht, als die Blicke der Crew die Felswände musterten.

      „Flut“, sagte Coughlan scharf.

      Es gab an den Felsen nur die Markierungen von Springtiden. Das Wasser hatte in dem unregelmäßig runden Kessel den Stand erreicht, der für die Flut galt. Fast alle waagerechten Markierungen und Ablagerungen waren bedeckt.

      „Gebt noch fünf Faden zu. Dann belegt die Trosse“, sagte Lefray.

      „Aye, Sir.“

      Als das Tau ausgesteckt war und die Crew im strömenden Regen die Segel belegte, hatte die „Ghost“ fast gedreht und den Bug zur Passage hin geschwenkt. Ein kurzer Stoß ging durch das Schiff, dann ertönte ein mörderisches Knirschen und Ächzen.

      Die Seeleute wurden von den Beinen gefegt und rutschten auf den nassen Decksplanken aus. Aus dem Inneren des Rumpfes ertönten laute, knackende Geräusche. Dann kippte die „Ghost“ um ein oder zwei Fuß nach Steuerbord und rührte sich nicht mehr.

      Francis Ruthland schloß die Augen und fing zu fluchen an.

      Die Karavelle saß fest. Nach den Geräuschen und dem Verhalten des Schiffes zu urteilen, hatte sich der Kiel nicht im Schlick festgefressen, sondern zwischen Unterwasserfelsen geschoben.

      Hugh Lefray und Coughlan fluchten noch lauter als der Kapitän.

      Und das auch noch bei Flut und in der Dunkelheit! Dazu im warmen Regen, der so dicht war, daß man vom Heck die Back nicht mehr sehen konnte.

      Und natürlich verfluchten sie alle den Seewolf, der sie in diese Lage gebracht hatte.

       7.

      Don Juan de Alcazar faltete das weiße Tuch auseinander und begann, sein Gesicht, das Haar und den Hals abzutrocknen. Seewasser biß in den Augen und schmeckte bitter auf den Lippen und der Zunge. Zwei Tranfunzeln brannten ruhig und verströmten gelblichweißes Licht. Der Spanier achtete sorgfältig darauf, daß er von seiner Jacke keine Wassertropfen auf Dans Karten schleuderte, als er sie vorsichtig auszog.

      „Mittlerweile sind wir von der Tapti-Mündung wohl nicht mehr allzuweit entfernt, Dan?“ fragte er. „Wir haben, trotz der Suche und des Aufenthaltes, fast immer eine gute Geschwindigkeit herausgesegelt.“

      Dan O’Flynn hatte an seinen Karten gearbeitet, seine flüchtigen Notizen eingetragen, Inseln eingezeichnet und seine Bemerkungen hinzugefügt: Zeichen, Wörter und Abkürzungen. Er hob den Kopf, legte die Feder weg und blickte in die dunklen Augen Don Juans.

      „Wir sind noch ein gutes Stück davon entfernt. Im Norden der Mündung, natürlich.“

      Er zeigte auf die Stelle, die er errechnet hatte.

      Don Juan setzte sich auf die Koje Dans und streckte die Beine aus. Die Schebecke hob und senkte den Bug in den langen Wellen, die Geräusche des Regens, der auf die Decksplanken hämmerte, trommelte und prasselte, wirkten ebenso einschläfernd wie die warmen Lichter über Dans Kartentisch.

      „Und Ruthland ist uns auch wieder entwischt. Nicht einen Masttopp von der ‚Ghost‘ haben wir gesehen. Ich meine, wir sollten diese Hetzjagd aufgeben.“

      „Ich glaube nicht“, entgegnete Dan mit einem schiefen Grinsen, „daß du mit diesem Vorschlag große Begeisterung bei Hasard und der Crew auslösen wirst.“

      Don Juan lachte kurz. „Glaube ich auch nicht. Trotzdem wäre es das Vernünftigste. Zwischen den vielen Inseln können wir vermutlich einen Monat lang suchen, ohne ihn zu finden. Aber das weiß wohl jeder an Bord.“

      „Er ist uns im Regen entwischt“, sagte Dan und lehnte sich zurück.

      „Im Regen werden wir ihn vermutlich auch finden, schätze ich.“

      „Abwarten, Dan.“

      Die Seewölfe hatten die Schebecke mehr als acht Stunden lang auf Südkurs halten können, trotz des drehenden Windes. Sie waren, nachdem der Holländer achteraus außer Sicht geraten war, an der Steuerbordseite des Golfes geblieben, hatten Landzungen und Inseln passiert, waren gegen den Wind aufgekreuzt und hatten immer wieder besorgt zum Himmel aufgeschaut. Das Gewitter, auf das sie seit zwei Stunden warteten, hatte sich verzogen oder lauerte noch hinter den Regenschauern.

      Dan O’Flynn spreizte die Finger der rechten Hand und griff die Strecke ab, die seine Karte zeigte.

      „Wenn Hasard die ‚Ghost‘ nicht entscheidend trifft – ich meine natürlich das segensreiche Wirken unserer Culverinen –, dann haben wir an der Küste keinen ruhigen Tag mehr. Das weiß ich, Juan.“

      Dan war überzeugt, daß es sich so verhielt; der Hundesohn Ruthland würde es immer wieder versuchen, bis er Erfolg hatte.

      „Ich will mich ja nicht drücken …“, meinte Don Juan.

      Dan unterbrach ihn: „Das denkt keiner.“

      „… aber wahrscheinlich finden wir ihn an jeder anderen Stelle schneller als hier im Norden. Das ist meine feste Meinung, die ich Hasard auch schon ein paarmal gesagt habe.“

      Don Juan hörte seinen Magen knurren. Gleichzeitig roch er, was die Köche in ihren Töpfen und Kesseln brutzelten und kochten.

      „Und was meint der Kapitän?“ wollte Dan wissen, obwohl er die Antwort zu kennen glaubte.

      „Der Kapitän ist noch immer überzeugt, daß wir Ruthland bald aufstöbern. Aber er hat auch schon halb eingesehen, daß wir an der falschen Stelle suchen. Ruthland ist auf und davon, nach Süden. Er kann sich leicht ausrechnen, daß seine Karavelle gegen unsere zwölf Culverinen keine wirkliche Chance hat. Auch das weiß jeder. Oder etwa nicht?“

      „Doch. Besonders Al Conroy.“ Dan grinste und drehte den Federkiel zwischen seinen Fingern.

      „Heute nacht wird er wohl einigermaßen ruhig schlafen.“

      „Das, hoffe ich, gilt für alle“, sagte Don Juan und lauschte auf die Geräusche des Regens. „Von braunhäutigen Fischern bewacht, oder was immer die Kerls zu tun haben.“

      „So ist es.“

      Die Schebecke war, noch bevor der Regen richtig losgebrochen war, in eine große, ruhige Bucht gesegelt. Die Rauchsäulen kleiner Feuer hatten den Seewölfen den Weg gezeigt. Als das Schiff etwa den Mittelpunkt der halbmondförmigen Bucht erreicht hatte, konnten die Arwenacks die winzige Ansiedlung und etwa ein Dutzend kleiner Boote, die Hälfte davon mit Mast und Segel, am Ufer zwischen den Pfählen erkennen.

      Eine erste Schätzung hatte ergeben, daß rund fünfzig Eingeborene hier lebten. Hinter den Büschen und Bäumen des Ufers erstreckte sich eine hügelige, sandige Fläche.

      „Vielleicht haben die Fischer die Karavelle

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