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erwähnt hatte, und der Regen konnte ihr absolut nichts anhaben. Big Old Shane hatte zugesehen, wie die Holzkohlen innerhalb kürzester Zeit gelöscht worden waren, und hatte folglich auf Abhilfe gesonnen.

      Batuti zog den ersten Pfeil aus dem Köcher, unverkennbar einen der gelegentlich Verwendung findenden Pulverpfeile, nur war die am Schaft befestigte Hülse jetzt dich mit ölgetränkten Leinenstreifen umwickelt. Auch die Lunte wurde auf diese Weise geschützt, was dem Pfeil jedoch ein plumpes Aussehen und mit Sicherheit miserable Flugeigenschaften verlieh.

      Die meisten Männer auf der Kuhl blickten skeptisch drein.

      „Das Ding fliegt bestimmt nicht viel weiter als Als Kügelchen“, sagte der Profos.

      „Ein bißchen weiter schon.“ Batuti entblößte sein makellos weißes Gebiß, als er ein zuversichtliches Lächeln zeigte.

      Die „Ghost“ wechselte eben wieder den Kurs und ging hoch an den Wind. Bis auf der Schebecke die Segel ebenfalls herumgeholt wurden, fiel sie auf gut zweihundert Yards zurück.

      „Seid nicht so lahm!“ brüllte der Profos. „Batuti will uns seine Schießkünste vorführen. Wie kann er das bei einer solchen Entfernung?“

      „Danke“, sagte der Gambiamann.

      „Oh, bitte sehr, Euer Gnaden.“ Carberry deutete einen Kratzfuß an. Er war dann aber so schlau, sich nicht weiter zu äußern.

      Das nächste Manöver der „Ghost“ war vorauszusehen. Ruthland brauchte eigentlich nur Abstand zu halten und den Einbruch der Nacht abzuwarten, um sich in ihrem Schutz erneut abzusetzen.

      Der Himmel über dem offenen Meer färbte sich blutig rot. Die Sonne, deren Stand bislang nur zu ahnen war, versank hinter der Kimm.

      Die Dunkelheit brach in diesen Breiten schnell herein.

      „Jetzt oder nie“, sagte Batuti. „Ich brenne darauf, den Halunken alles heimzuzahlen.“

      Er sprach aus, was jeder Arwenack fühlte. Niemand wurde gerne von Landsleuten hintergangen.

      Big Old Shane schätzte die Entfernung zur „Ghost“. Obwohl die Schebecke gut am Wind hing, holte sie nur langsam auf. Seit die Kanonen kläglich versagt hatten, wuchsen die Kerle auf der Karavelle offensichtlich über sich selbst hinaus. Einige ihrer Manöver belasteten das Schiff bis zum äußersten.

      „Zu weit“, sagte Shane. „Das schaffst du nicht.“ Trotzdem half er dem Gambiamann, die Lunte anzustecken. Der Wind erschwerte das Vorhaben, denn das ölgetränkte Tuch durfte keinesfalls Feuer fangen.

      Batuti begann leise zu zählen. Bei zehn angelangt, spannte er die Sehne des Langbogens bis zum äußersten. Die Adern an seinen Schläfen schwollen an. Mit hellem Singen schwirrte der Pfeil von der Sehne.

      Deutlich war zu sehen, daß der Wind ihn abtrieb. Ungefähr nach der halben Distanz zuckten Flammen auf. Im nächsten Augenblick verpuffte das Pulver in einem Funkenwirbel.

      Auf der „Ghost“ herrschte Aufregung. Niemand wußte so recht, was geschehen war, aber jeder fürchtete einen Angriff des Seewolfs.

      Batuti legte einen zweiten Pfeil auf die Sehne. Diesmal wartete er nicht so lange.

      Der Wind trieb den Pfeil weiter ab. Etwa zwanzig Yards hinter dem Heck der Karavelle und ebensoweit an Steuerbord explodierte die Pulverladung in einem grellen Blitz.

      Batuti grinste breit.

      „Was sagst du jetzt, Ed?“ fragte er den Profos. „Wer Pfeil und Bogen erfunden hat, war bestimmt nicht dumm.“

      „Noch hast du den verlausten Kahn nicht versenkt“, erwiderte Carberry grollend. „Streng dich gefälligst an. Oder soll ich den Bogen spannen?“

      „Untersteh dich“, sagte Batuti. „Unter deinen Pranken bricht selbst die beste englische Eibe.“

      Die Verwirrung auf der Karavelle war offensichtlich. Zum erstenmal killten bei einem Kurswechsel die Segel. Die Kerle hatten zwar die Pulverblitze gesehen, kannten aber die Ursache nicht. Sie reagierten entsprechend nervös.

      „Ar-we-nack!“ Der Schlachtruf der Seewölfe, aus mindestens einem Dutzend Kehlen stammend, begleitete den nächsten Pfeil auf dem Flug zur „Ghost“. Die Detonation erfolgte querab und fast schon vor der Verschanzung.

      Höchstens noch achtzig Yards trennten die beide Schiffe voneinander. Aber die Dunkelheit war schneller als die hervorragend gesegelte Schebecke. Wie ein gieriger, unersättlicher Moloch kroch sie über das Meer, fraß sich an den Rümpfen der Schiffe hoch, verschlang Back und Achterdeck und zog sich an den Masten entlang in die Höhe.

      Nur die Segel schimmerten noch eine Weile fahl durch die Nacht – Schemen von seltsamer Konsistenz, die sich lediglich zögernd aufzulösen schienen.

      Inmitten dieses Bildes, dem etwas Endgültiges anhaftete, zuckte plötzlich grelle Glut auf. Ein Feuerball setzte sich an einem der Segel fest. Flammen loderten auf, doch genauso schnell vergingen sie wieder, weil die herrschende Nässe ihnen keine Nahrung bot. Einzelne Funken, vermutlich Überreste des verglimmenden Pfeiles, torkelten dem Deck entgegen.

      Dan O’Flynn, der die Vorgänge durchs Spektiv beobachtete, aber trotz seiner scharfen Augen kaum mehr Einzelheiten unterscheiden konnte, meldete: „Das Segel scheint unbeschädigt zu sein. Offenbar ist die Pulverladung abgeprallt.“

      „Die Durchschlagskraft ist zu gering.“ Batuti nickte. „Das Problem löst sich von selbst, sobald Wind und Regen abflauen.“

      „Oder wenn wir näher aufschließen“, sagte Big Old Shane. „Morgen ist auch noch ein Tag.“

      Nichts war mehr von der „Ghost“ zu sehen, sie war in der sternenlosen Nacht untergetaucht.

      Auch die Schebecke segelte ohne Laternen. Hier wie dort starrten vermutlich viele Augenpaare in die Dunkelheit, um den Gegner aufzuspüren.

       3.

      Der Haß auf den Seewolf und die Gewißheit, daß ihm bald alle Türen der Admiralität offenstehen würden, verdoppelten César Garcias Kräfte. Er focht den Kampf seines Lebens, und seine geringe Körpergröße glich er durch Geschmeidigkeit und Schnelligkeit aus.

      Immer härter klirrten die Klingen aufeinander. Während der Kampf auf dem Piratenschiff unvermindert heftig tobte, gehörte das Achterdeck der „Aguila“ ganz allein Garcia und dem Engländer.

      Aus den Augenwinkeln heraus nahm der Capitán wahr, daß sein erster Offizier den anderen Piraten im wahrsten Sinne des Wortes an den Mast nagelte. Juarez Molina wandte sich danach der Kuhl zu.

      Jeden Hieb begleitete Garcia mit einem englischen Schimpfwort. Er wollte seinen Gegner reizen und zur Unvorsichtigkeit verleiten. Anderenfalls, das spürte er, würde sich das Duell lange hinziehen. Zu lange vielleicht, als daß er wirklich die Chance erhielt, den Seewolf zu besiegen.

      Einen Ausfall blockte der Engländer geschickt ab, eine Finte folgte – und die Spitze des Cutlass ritzte Garcias Oberarm. Der Kapitän spürte keinen Schmerz, nur eine grenzenlose Überraschung. Er hatte Killigrew unterschätzt, das war ein Fehler, den er sich kein zweites Mal erlauben durfte. Die heftig blutende Wunde war eine deutliche Warnung.

      Der Seewolf setzte sofort nach, er ließ Garcia nicht die Zeit, sich zu besinnen. Seine Klinge zuckte vor, um den Spanier aufzuspießen, aber der Kapitän parierte instinktiv. In die Enge getrieben, verteidigte er sich mit aller Kraft. Hinter ihm war das Schanzkleid, das ein weiteres Zurückweichen verhinderte.

      El Lobo del Mar trug seinen Namen zu Recht – seine Attacken hatten etwas von der ungestümen Wildheit eines hungrigen Wolfes. Kapitän Garcia wurde in die Rolle des Verteidigers gedrängt, der Mühe hatte, sich seiner Haut zu wehren.

      Eine zweite Blessur zog sich plötzlich quer über seinen Oberkörper. Ungläubig registrierte Garcia, daß der Tod ihn nur um eine halbe Handbreite verfehlt hatte.

      Der

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