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brach ihm aus allen Poren, er hatte Mühe, die Hiebe des Gegners zu parieren.

      Killigrew schlug mit aller Kraft zu. Seine Klinge zuckte schräg von oben nieder, schrammte kreischend an Garcias Cutlass entlang und drang mindestens zwei Fingerbreiten tief in den Handlauf des Schanzkleids ein. Der Hieb hätte dem Kapitän zweifellos den Schädel gespalten.

      Sofort setzte der Engländer nach. Wie die Sense eines Schnitters zuckte seine Klinge von einer Seite zur anderen. Die verzweifelten Paraden des Kapitäns wirkten zunehmend kraftloser.

      Unvermittelt hielt der Seewolf inne. Ein Ausdruck ungläubigen Erstaunens trat in seine Augen. Er wollte etwas sagen, brachte aber nur ein dumpfes Ächzen hervor.

      Ein Zittern durchlief seinen Körper, der Cutlass glitt ihm aus der Hand und klirrte auf die Planken. Killigrew sackte haltlos in sich zusammen.

      In dem Kampflärm von Bord des Piratenschiffs war das Geräusch des Schusses ungehört verklungen. César Garcia sah, daß der Engländer heftig blutete. Eine Pistolenkugel schien sein rechtes Schulterblatt zerschmettert zu haben.

      Der Kapitän suchte den Schützen. Pilar Aparicio stand auf der obersten Stufe des Steuerbordniedergangs zur Kuhl und hielt die rauchende Pistole noch in der Hand.

      Sein Gesicht wirkte unbewegt, aber Garcia wußte nur zu gut, daß Aparicio ein verschlagener Bursche war und ein Schauspieler, wenn es darum ging, sich zu verstellen. Wahrscheinlich hatte er auf eine Gelegenheit gewartet, selbst den Ruhm einzustreichen, den berüchtigten Seewolf besiegt zu haben.

      César Garcia schoß die Zornesröte ins Gesicht.

      „Ich wollte Killigrew lebend!“ brüllte er. „Wenn der Bastard stirbt, lasse ich dich dafür auspeitschen.“

      „Er hätte Sie umgebracht, Capitán“, sagte Pilar Aparicio ruhig.

      „Unsinn.“ César Garcia drehte sich einmal um sich selbst. Erst als er keinen weiteren Gegner sah, beugte er sich über den Seewolf. Killigrews Atem flatterte, seine Lippen waren blutlos. Offensichtlich weilte ein Teil von ihm schon in einer jenseitigen Welt, sofern es wirklich ein Weiterleben nach dem Tod gab.

      „Hol den Feldscher! Er soll alles tun, um el Lobo am Leben zu halten.“

      Wozu noch wochenlang warten? fragte Aparicios Blick. Kein Pirat ist es wert, daß man sich um ihn sorgt.

      „Die englischen Hunde sterben lieber, als in Gefangenschaft zu gehen. Nahezu zwei Stunden lang verteidigten sie ihr Schiff gegen unsere Übermacht, und ich muß eingestehen, ich habe selten Männer so erbittert kämpfen sehen.

       Killigrews Mannschaft ist tot, er selbst liegt im Sterben. Aber ich bete, daß die Bemühungen des Feldschers nicht umsonst sind. El Lobo del Mar soll vor aller Öffentlichkeit unter der Garotte sterben. Spanien wird ein Schauspiel erleben wie schon lange nicht mehr. Nur so können wir verhindern, daß Philip Hasard Killigrew zur Legende wird. Er war nie etwas anderes als ein Pirat der übelsten Sorte.“

      Nachdenklich legte Capitán Garcia den Federkiel zur Seite und streute Löschsand auf die frische Logbucheintragung. Vom Oberdeck klangen vielfältige Geräusche zu ihm. Die Mannschaft setzte die Segel. Langsam nahm die „Aguila“ Fahrt auf.

      Das unregelmäßige Stampfen des Schiffes verriet dem Kapitän, daß die Viermastgaleone die Wellen in spitzem Winkel durchschnitt. Sie segelte mit raumen Wind über Backbordbug Kurs Spanien.

      Garcia verschloß das Tintenfaß und verstaute es zusammen mit dem Federkiel in der Tischschublade. Danach schüttelte er den Löschsand in den Becher zurück. Das Ritual war stets das gleiche. Er haßte Veränderungen im festgefügten Ablauf.

      Die Stimmen an Deck und das Platschen nackter Füße verstummten. César Garcia trat an die dicken, bleiverglasten Scheiben und blickte gedankenverloren hinaus. Der Himmel bezog sich schon wieder, in spätestens einer halben Stunde würde es zu regnen beginnen.

      Langsam blieb die Piratengaleone hinter der „Aguila“ zurück. Das Schiff mit den schwarzen Segeln brannte an mehreren Stellen. Gierig leckten die Flammen an den Masten hoch, züngelten an den Rahen entlang und sprangen auf die zerfetzten Segel über.

      Funken und lodernde Tuchfetzen wirbelten auf, als die Besanrute an Deck krachte. Glut regnete rings um das Schiff nieder. Glimmenden Spinnweben gleich zeichnete sich die Takelage vor dem düster werdenden Hintergrund ab.

      Garcia glaubte, das Knistern und Prasseln der Flammen zu hören, die, von einer steifen Brise angefacht, schnell um sich griffen. Eine Feuerlohe fegte über das Schiff.

      Augenblicke später explodierten die ersten Pulvervorräte. Das Achterdeck wurde bis knapp über der Wasserlinie aufgerissen, brennende Plankenstücke schlugen sogar noch dicht vor der „Aguila“ ein. Qualm verhüllte das Geschehen.

      Das war also der Augenblick, auf den Garcia seit Jahren gewartet hatte. Seltsamerweise empfand er nicht die erhoffte Genugtuung. Auch sein Triumph hielt sich in Grenzen. Lag das daran, daß er den Seewolf nicht aus eigener Kraft im Kampf besiegt hatte, sondern daß die Kugel aus der Pistole eines Deckmanns ausschlaggebend gewesen war?

      „Der Tod durch das Würgeisen ist angemessen für dich“, murmelte Garcia gedankenverloren. Im nächsten Moment schlug er mit der geballten Rechten in die linke Handfläche. „Verdammt!“ sagte er. „Ich will nicht, daß du vorher über die Klinge springst.“

      Zwei weitere Explosionen auf dem Piratenschiff erschütterten die „Aguila“. Die Galeone brach auseinander, aber während das Heck schnell auf Tiefe ging, trieb das Vorschiff, weithin sichtbar lodernd, noch vor dem Wind.

      Entgegen seinen Gewohnheiten schenkte sich Garcia einen Becher halb voll Rum ein. Er trank sonst nur vor der Nachtruhe, weil er dann zum einen besser schlief und zum anderen die Mannschaft nicht merkte, daß er trank.

      Der Rum brannte in der Kehle. César Garcia füllte den Becher noch einmal zur Hälfte. Diesmal trank er schluckweise und genoß das Gefühl wohliger Wärme, das sich in der Magengegend ausbreitete.

      Als er endlich wieder aufsah, ragte der Bug der Piratengaleone nur noch halb aus dem Wasser. Die Flammen erstickten, da sie keine neue Nahrung fanden.

      César Garcia warf sich jäh herum und stürmte aus seiner Kammer. Aber er trat nicht auf das erhöhte Achterdeck hinaus, sondern hastete die Stufen des Niedergangs hinunter. Achtern lag der Raum, den der Feldscher auf dieser Fahrt bewohnte: die Kammer des Zweiten Offiziers, der wegen Krankheit ausgefallen und nicht ersetzt worden war.

      Garcia trat ein, ohne anzuklopfen.

      Das erste, was ihm auffiel, war das verhängte Fenster. Der Raum war in das trübe Dämmerlicht einer Tranfunzel getaucht. Quietschend schwang sie unter der Decke hin und her.

      Gonzalo Peral, der Feldscher, saß auf einem Stuhl, den er sich vor die Koje gerückt hatte, und hielt den Kopf in die Handflächen gestützt. Als der Kapitän eintrat, wollte er aufspringen und Meldung erstatten, doch Garcia winkte überraschend ab.

      „Behalten Sie Platz, Peral.“ Er deutete auf den Engländer, der entweder schlief oder das Bewußtsein verloren hatte. „Wie ist sein Zustand?“

      „Er hat viel Blut verloren. Außerdem steckt die Kugel im Knochen, ich kann sie nicht herausschneiden.“

      „Wird er die Fahrt nach Spanien überleben?“

      „Ich glaube es nicht, Capitán, aber Gottes Ratschluß ist unerforschlich. Außerdem weiß Killigrew wohl, daß der Henker auf ihn wartet.“

      „Sie meinen, Peral, der Bastard will nicht weiterleben?“

      „Das wäre sehr gut möglich, Capitán.“

      Nachdenklich kaute César Garcia auf seiner Unterlippe. Was der Feldscher da sagte, klang gar nicht so unwahrscheinlich. Für el Lobo del Mar war es in der Tat das Beste, wenn der Sensenmann ihn an Bord der „Aguila“ holte. Aber nicht für ihn, Garcia, er wollte den Ruhm genießen, den Seewolf in Ketten nach Spanien gebracht zu haben.

      „Ich

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