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zornig. «Es ist alles aus!» Er legte die Platte auf die Mauer.

      Marianne gab ihr einen Stoß. «Was tun wir nun damit? Kannst du sie noch ansehen? Ich nicht!»

      «Nein, ich hasse sie!» erwiderte Hans, und Lotti fand nun, daß der Mann auf dem Bilde sehr unschön sei und daß die Frau ja gar keinen Kopf habe.

      Plötzlich nahm Hans das Götzenbild und schlug es mit aller Macht an die Mauer; es zerbrach mit einem Krach in zwei Stücke. Lotti und Marianne erschraken einen Augenblick; aber dann fanden sie, daß dies das Richtige sei. Sie hoben die Stücke auf und warfen sie hin und noch einmal und noch einmal. Schließlich standen sie vor einem Haufen Scherben. – «So», sagte Hans etwas erleichtert, «nun müssen wir das versenken in den See.»

      «Ich habe eine Pappschachtel; da tun wir’s hinein!» schlug Marianne vor und lief zum Hause.

      «Aber nicht die mit den roten Blumen!» rief Hans, «die paßt nicht.» Marianne kam zurück mit einer grauen Schachtel, und Lotti brachte eine schwarze Wollschnur zum Festbinden.

      «Nicht wahr, schwarz muß sie sein, weil das eine traurige Geschichte ist?» sagte sie.

      Nun stiegen die Kinder ins Schiff, und Hans ruderte hinaus bis da, wo es tief war. Dann nahm Marianne die Schachtel und warf sie ins Wasser. Sie sank langsam, und die Kinder sahen ihr ernsthaft nach, bis sie in der grünblauen Tiefe verschwand.

      Am folgenden Abend kam Onkel Alfred in die Seeweid hinaus. Onkel Alfred war der Bruder von Mama, aber viel jünger als sie. Er studierte noch.

      «Na, ihr Spatzen –» Onkel Alfred nannte die Turnachkinder immer Spatzen, – «ihr habt ja scheint’s einen merkwürdigen Fund getan! Wollt ihr die Form verkaufen? Der Herr Bannot sammelt doch alte Sachen. Da, seht einmal her, was er euch geben will dafür!»

      Onkel Alfred zog aus seinem Geldbeutel ein Frankenstück und hielt es den Kindern hin. Er war sehr erstaunt, daß keines darnach griff.

      «Nun, Lotti, den dritten Teil davon bekommst du. Rechne das einmal aus!»

      Da zog Lotti die Augenbrauen herauf, zwinkerte mit den Augen und fing an zu weinen. Sie konnte nicht helfen. Gerade hinausweinen mußte sie. Marianne biß die Zähne auf die Lippen, und Hans rieb mit seinem Daumen die linke Hand. Eigentlich hatten sie ja das Götzenbild großmütig der Stadt umsonst geben wollen. Aber da das nun doch nichts gewesen und der Franken jetzt so vor ihnen lag, reute sie schrecklich, was sie gestern getan.

      Onkel Alfred sah vom einen zum andern.

      «Ja, wenn ihr nicht wollt! Zu weinen brauchst du deswegen nicht, Lotti. Aber vielleicht darf ich das Stück wenigstens sehen?»

      Lottis Tränen flossen stärker. Sie dachte an einen kleinen Wassereimer mit rotem Rand, den sie und Marianne schon lange gern gekauft hätten. Marianne dachte auch daran, und dem Hans fiel das Taschenmesser ein in dem kleinen Laden unten an der Schimmelgasse; zwanzig Rappen hatte er schon dazu in seiner Sparbüchse. «Onkel», begann endlich Marianne. «Wir – wir haben es nicht mehr. Wir haben gemeint, es sei ein Götzenbild von den Pfahlbauern, weißt du, und da hat Frau Völklein gesagt, es sei bloß eine Kuchenform. Und da sind wir bös geworden und haben es – haben es zerschlagen und –»

      «Und haben es in den See geworfen!» beendigte Hans; denn es sah gerade aus, als ob Marianne auch noch wollte zu weinen anfangen. Onkel Alfred lachte, daß er zuerst gar nicht sprechen konnte.

      «Das ist wundervoll!» rief er endlich und schlug sich aufs Knie. «Das heiße ich radikal! Wenn man so alles, was einen ärgert, zusammenhauen und in den See werfen könnte – patsch, fertig –! Ihr seid Prachtsspatzen! Hahaha –»

      Die Lustigkeit wirkte ansteckend. Lotti rieb sich mit dem Taschentuch die Augen trocken.

      «Onkel», sagte sie, «willst du die Stelle sehen, wo das Götzenbild im Wasser liegt? Dann können wir vielleicht noch ein bißchen herumfahren.»

      «Natürlich will ich!» antwortete Onkel Alfred. Er steckte das Silberstück wieder ein, nahm aber für jedes Kind einen Zehner aus seinem Beutel.

      «Den ganzen Franken geb’ ich euch nicht, Spatzen; sonst verliert ja diese amüsante Geschichte ihren Hauptpunkt. Aber da – das steckt ein. Man nennt das Schmerzensgeld.»

      Dann ging er mit den Kindern zum Schiff. Es war sehr schwer, die Stelle zu bestimmen, wo die Schachtel mit den Trümmern des Götzenbildes versenkt war. Ein Kind zeigte dahin, eines dorthin, und Marianne meinte einmal sogar, sie könne die Schachtel tief unten durch das blaugrüne Wasser sehen; aber dann war es bloß ein großer Stein. Onkel Alfred mußte beständig mahnen, daß nicht etwa eins der Kinder kopfüber hineinfalle.

      Hans aber konnte die Pfahlbauergeschichte nicht so leicht vergessen. Er ging die nächsten zwei Tage ganz nachdenklich umher. Als er am Dienstagabend mit Marianne von der Schule heimkam und sie zur Abwechslung einmal den Weg durch die kleine Baumschule nahmen, blieb er plötzlich stehen.

      «Siehst du, Marianne, das wäre grade ein guter Platz –» Er zeigte auf eine Stelle, wo der Boden locker war; man hatte da kürzlich einen jungen Kastanienbaum ausgegraben.

      Marianne merkte, daß Hans wieder etwas im Sinn hatte; aber vor lauter Nachdenken konnte er noch nicht erklären, was.

      «Das Loch muß nämlich sehr tief sein», fuhr er fort.

      «Tun wir einen Vogel begraben?» fragte Marianne. Kürzlich hatten sie eine tote junge Schwalbe gefunden und beerdigt.

      «Nein, etwas ganz anderes. Es gibt – du darfst es aber niemand sagen als dem Lotti – wir graben Altertümer ein – das heißt, es sind noch keine; aber wenn wir das Loch recht tief machen, dann findet man die Sachen sehr lange nicht, vielleicht erst in zwei- oder dreitausend Jahren –»

      «Was für Sachen?»

      «Ja, das ist eben jetzt die Frage. Es müssen Waffen, Werkzeuge, Kleidungsstücke, Geschirre und Schmucksachen sein, damit das Volk, das später einmal hier lebt, genau weiß, was für Dinge man bei uns gehabt hat.»

      «Aber wenn sie dann die Sachen finden, sind wir schon lange gestorben», warf Marianne ein, der das andere mit dem Glasschrank, wo man am Sonntag hingegangen wäre, besser gefallen hatte.

      «Ja, Marianne, man muß auch etwas für die Nachwelt tun. Das hat der Herr Altschmid einmal in der Schule gesagt. Denke, wie schön für die Leute, wenn sie die Sachen einmal finden.»

      Marianne lief nun mit Hans, um eine Hacke zu holen und Lotti zu rufen. Dann berieten die Kinder lange, was man zum Eingraben hätte. Marianne gab ein Zinntöpfchen her und zwei blau geränderte Puppenteller. Hans brachte eine kleine Zange und sein Taschenmesser, an dem aber die Klinge abgebrochen war.

      «Du», sagte Marianne, «mein Zinntöpfchen ist dann aber ganz! An dem zerbrochenen Messer hat das spätere Volk gewiß keine Freude.»

      «Wenn ich aber doch kein anderes habe! Und überhaupt, die ausgegrabenen Altertümer im Museum sind auch oft beschädigt; das macht gar nichts.»

      «So, dann kann ich den auch geben», meinte Lotti und zeigte einen Ring, den sie kürzlich von einem Schulkind gegen vier Fruchtbonbons eingetauscht hatte und aus dem der Stein verloren war. Dazu legte sie noch ein aus Perlen gestricktes Geldbeutelchen; es war sehr hübsch rosa, grün und schwarz; aber das Schloß ging nicht mehr zu. Lange fand sich keine Waffe; denn das meiste Spielzeug der Kinder war ja in der Stadt geblieben. Endlich fiel dem Hans etwas ein. Er lief zu Balbine, die am offenen Küchenfenster für sich nähte.

      «Balbine, wenn ich dir die hübsche runde Holzschachtel gebe, die ich von Großmama habe, gibst du mir dann meine alte Patronentasche wieder, in der du deine Knöpfe und Haften aufhebst?»

      «Freilich», sagte Balbine und leerte den Inhalt der kleinen Patronentasche auf ein Papier. «Da mach ich ja einen guten Tausch. Bring mir aber die Schachtel heut abend noch!»

      Hans versprach es und rannte mit der Patronentasche hinaus zu den Schwestern.

      «Natürlich ein Gewehr oder ein Degen

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