ТОП просматриваемых книг сайта:
Die Turnachkinder im Sommer. Ida Bindschedler
Читать онлайн.Название Die Turnachkinder im Sommer
Год выпуска 0
isbn 9788726583854
Автор произведения Ida Bindschedler
Издательство Bookwire
Aus dem hintern Schlafzimmer kam gerade Sophie.
«Bitte, Sophie», sagten die Kinder, «dürfen wir zum Schwesterlein hinein? Es muß doch auch wissen, daß man heute aufs Land zieht!»
«Was euch immer einfällt –! Meinetwegen! Aber leise und manierlich!» Sie ließ die grüne Schar ins Zimmer ein. Das Schwesterlein lag in seinem Korbwagen. Es hieß eigentlich Hedwig; aber das galt erst für später. Es war gerade zehn Wochen alt und noch ganz winzig. Man konnte nicht mit ihm spielen; doch die Kinder liebten es sehr, und Marianne durfte es manchmal, wenn es im Kissen lag, auf den Schoß nehmen.
Jetzt sah das Schwesterlein mit großen Augen auf die Geschwister, und als sie ihm, so leis sie konnten, ihr Abschiedslied aufsagten, da blinzelte es ein wenig.
«Es lacht, es lacht!» riefen die Kinder, und jedes behauptete: «Mich hat es angelacht, mich –!»
«Ja, ja, es hat euch alle angelacht», sagte Sophie; «aber jetzt laßt mir mein Kleines in Ruhe!»
Droben im dritten Stockwerk waren schon die Läden zugemacht; im großen Zimmer standen Sofa und Klavier mit grauen Tüchern verhängt; es war ganz dunkel. Werner faßte Mariannes Hand und drückte den Kopf an ihre Schürze.
«Wenn er sich da schon fürchtet, so kann man ihn nicht mit in die Holzkammer nehmen», sagte Hans. «Werner, setz dich unten auf die Treppe! Wir müssen nun hinauf und bis auf die Zinne.»
«Werner auch auf die Zinne!» rief der kleine Bub. Aber es war wirklich besser, daß er unten blieb. Die oberste Treppe war steil wie eine Leiter und hatte schrecklich hohe Stufen.
Doch prächtig war’s da droben. Man konnte über den Kornplatz wegsehen und über die ganze Stadt und ihr Lebewohl zurufen. Die Kinder jauchzten und schwenkten ihre grünen Stäbe. Die Frühlingssonne schien über die Dächer; an den hohen grauen Münstertürmen vorbei sah man den hellen See, und weit, weit draußen, wo die Pappeln standen, war die Seeweid!
Plötzlich deutete Marianne auf den Kornplatz hinunter, der am Flusse lag.
«Hans, Lotti!» rief sie, «das Schiff, das Schiff –!»
Und nun stürmten sie hintereinander alle Treppen hinunter und zur Haustüre hinaus über den Kornplatz. Hans und der Schnauzel waren die ersten.
Da fuhr das Schiff heran. Es war ein großes, breites Fahrzeug mit ganz flachem Boden. Drei Schiffsleute lenkten es mit langen Stachelstangen und hielten an, wo die steinernen Stufen zum Kornplatz hinaufführten. Die Männer banden das Schiff mit festen Stricken an die Pfähle und schritten dann über den Platz dem Turnachhause zu. Denn sie waren bestellt, um die Möbel, Betten, Kisten und Körbe zu holen und auf dem Schiffe in die Seeweid hinauszuführen. Die Kinder liefen hinter den Männern drein und klatschten in die Hände. Im Hause ging es nun mit großem Gepolter und Rufen treppab und treppauf. Die Kinder wollten auch helfen und trugen Stühle und leichtere Sachen auf das Schiff; denn es war prachtvoll, da auf- und abzugehen wie auf einer Insel!
Aber Mama mahnte die Kinder, ihre eigenen Sachen zusammenzuholen und das, was zurückblieb, aufzuräumen. «Den Werner nehmt ihr auch dazu, Hans. Der kleine Bursche ist ganz betrübt.»
Werner stand im Korridor und sah zu, wie alle Leute an ihm vorbei die Treppe hinunter liefen. Hinaus durfte er leider nicht; es war zu gefährlich für ihn auf dem Schiff, das gar keine Seitenwände hatte. Nun war er sehr glücklich, als Hans ihn rief.
Die beiden trugen alles mögliche heraus, die Baukasten auch und einen ganzen Stoß Bücher.
«Und mein Pferd, Hans! Mein Pferd auch mit!» schrie Werner eifrig und zog seinen Braunen am Kopf daher.
Aber Balbine schlug die Hände zusammen, als sie das Zeug sah.
«Du liebe Güte! Buben! all den Kram! Ihr wollt euch wohl ein besonderes Schiff mieten?»
Mama kam auch heraus: «Nein, Hans, das tragt nur wieder weg. In der Seeweid draußen gibt es Spiel und Unterhaltung genug –! Den kleinen Baukasten für Werner, die Malschachtel und meinetwegen drei oder vier Bücher. Aber nicht den dicken «Lederstrumpf»; den kannst du ja auswendig! Und mein kleiner Wernermann – wozu denn das hölzerne Pferd, wo draußen die lebendigen Kaninchen sind und die Hühner und Kühe und vielleicht ein Kälbchen–?»
«Vielleicht ein Kälbchen –!» rief Werner erwartungsvoll und führte seinen Braunen wieder in den Stall hinterm Ofen. Auch Hans gehorchte. Dann ging er zu den Mädchen hinüber, die unter ihren Puppen hantierten.
«Wenn ihr meint, daß ihr das alles mitnehmen dürft!» sagte er und steckte die Hände in die Hosentaschen.
Lotti drückte zärtlich ihre drei Kinder in die Arme, und Marianne lief zu Mama; aber da ließ sich nicht viel machen.
«Jedes nimmt eine Puppe mit», entschied Mama, «und Mariannes Wagen genügt; in dem können die beiden Kinder den Sommer über auch schlafen. Ihr wißt, daß wir in der Seeweid nicht so viel Platz haben.»
«Aber unsere Badepüppchen doch, Mama, unsere Badepüppchen?» riefen die beiden Mädchen, und Hans stimmte ein; denn sie hatten sich zusammen ausgedacht, draußen aus Schindeln eine kleine Badanstalt in den See zu bauen. Die fünf Porzellanpuppen, nicht viel länger als ein Finger, schon in roten und blauen Schwimmanzügen, die Marianne selbst gemacht hatte, durften noch in den Puppenwagen gelegt werden. Lotti besann sich lange vor ihren Kindern; endlich wählte sie das Julchen mit dem braunen Zopf, und Marianne nahm Ella, welche die Augen auf- und zumachte. Die Puppenkinder bekamen ihre Hüte und Kragen, damit sie sich auf der Reise nicht erkälteten, und wurden ermahnt, den zurückbleibenden Schwesterchen artig Adieu zu sagen.
Da fiel Sophie noch etwas ein: «Weißt du, Marianne, ihr könntet alle unsaubere Puppenwäsche zusammensuchen und in dieses kleine Tuch binden. Dann haltet ihr einmal am See eine ordentliche Wäsche.»
Marianne und Lotti fanden das sehr nett; sie durchmusterten ihr sämtliches Zeug und zogen die Puppenbettchen ab; es gab ein ganz tüchtiges Bündel, das Lotti dann zum Schiff trüg.
Vom Münster läutete es jetzt elf Uhr, und gleich darauf kam der Bäckerbursche mit zwei riesengroßen flachen Brotkuchen auf runden Holzbrettern. Der eine war reichlich mit kleinen Speckwürfeln und Kümmel bestreut; auf dem andern lagen dicht geschichtet Apfelstücke mit Zucker und Zimmet darüber. Die beiden Kuchen dufteten herrlich durch die ganze Wohnung.
Und nun gab es das allerseltsamste Mittagessen vom ganzen Jahr. Kein Tischtuch, keine Bestecke, bloß ein paar Teller und ein Messer. Die Großen setzten sich auch nicht einmal recht hin; die Kleinen aber taten es mit vielem Behagen. Zuerst bekam jedes Kind ein großes Stück Speckkuchen. Lotti dachte, als sie das ihre mit beiden Händen hielt, sie hätte bis am Abend daran zu essen. Aber es ging sehr leicht und rasch; auch mit dem Apfelkuchen. Hans und Marianne meinten, sie könnten eigentlich ganz gut noch ein drittes Stück essen; doch sie wollten nicht darum bitten; denn Mama mochte nicht, daß man unmäßig war.
«Wenn Mama uns jetzt nur das eine erlaubt!» sagten sie und berieten am Fenster.
«Das letztemal haben wir nicht mitdürfen», sagte Marianne etwas kleinmütig.
«Da hat es geregnet, und der See hatte starke Wellen!» erklärte Hans.
«Und das vorletztemal –?» fragte Lotti.
«O, da hatte ich Halsweh, und ihr wart noch zu klein! Nein, diesmal dürfen wir sicher. Es wäre schrecklich, wenn wir nicht dürften!» Und wirklich, Mama erlaubte es.
«Ja, Kinder, ihr dürft auf dem Schiff mitfahren. Werner natürlich nicht; der kommt mit mir und mit dem Schwesterlein in der Droschke nach. Versprecht mir nur, daß ihr vernünftig sein wollt und still sitzt. Hans, du weißt, du hast nicht zu helfen und keine Stange und kein Ruder