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auch Lottis Lieblingslied.

      Papa fuhr langsam hinaus auf den blauen, schimmernden See, dann gegen die Thomassäule und am Ufer entlang; als er zurückkehrte, sah man Mama im Garten winken.

      «Ei, was ist denn das für ein Sängerfest da draußen?» rief sie. «Der ganze Verein ist jetzt freundlich zum Frühstück eingeladen!»

      Aber – «du liebe Güte!» würde Balbine gesagt haben, wie sah der Frühstückstisch aus –! Im Brotkorbe lagen, weil es Sonntag war, etwa ein Dutzend Butterhörnchen, und jedes – nein, es war zu arg! – jedes verunstaltet, verstümmelt; alle vierundzwanzig Spitzen waren abgebrochen und verschwunden! Die Familie war sprachlos. Wer konnte das getan haben! Man sah ringsum, dann unter den Tisch; man sah sich gegenseitig an. Endlich rief eines: «Wo ist denn Werner?»

      Ja, wo war Werner? Mama hatte ihn bei Balbine geglaubt; aber Balbine, die nun auch hereinkam und die Hände zusammenschlug ob dem Anblick, wußte nichts.

      Nun lief alles hinaus: «Werner! Werner –» Und Mama wollte schon ängstlich werden, als um die Hausecke der kleine Mann erschien, aber ebenfalls in schlechtem Zustande. Seine Hände und seine weiße Schürze waren ganz schmutzig und schwarz von feuchter Erde. Er war etwas verlegen, als er die ganze Schar auf sich zukommen sah und hielt die kleine Faust über die Augen.

      «Werner, mein Bub, komm einmal her!»

      Mama zog ihn ins Zimmer.

      «Was sind denn das für häßliche, schwarze Hände?»

      «Ich – ich hab’ müssen graben!» stotterte Werner, ohne Mama anzusehen.

      «O Mama! dann weiß Werner nichts von den Hörnchen, dann ist er unschuldig!» rief Marianne, die den kleinen Bruder zärtlich liebte und ihn bei jeder Gelegenheit verteidigte.

      Aber Werner sah gar nicht so unschuldig aus. Er versuchte, sich aus Mamas Händen loszumachen, und als sie auf den Tisch nach dem Brotkorb zeigte, drückte er die Augen zu.

      «Nein, Werner, jetzt sag lieber rasch und ehrlich heraus: Hast du alle unsere schönen Butterhörnchen zerbrochen?»

      Nun sah der Kleine Mama an, und seine Augen füllten sich mit Tränen; aber er brachte kein Wort heraus.

      «Stellt euch nicht so vor ihn hin», sagte Mama zu Hans und Lotti, «gerade als ob es euch Spaß machen würde, euer Brüderchen in Verlegenheit zu sehen. Komm, mein Bub, sag es der Mama leise –» Da drückte Werner sein Mäulchen an Mamas Ohr und flüsterte etwas hinein.

      «O, o! Was für einen unartigen Buben haben wir doch, den man gar nicht allein im Zimmer lassen kann! Und wo sind denn die vielen, vielen Zipfel hingekommen? Hast du sie gar alle aufgegessen –?»

      «Nein, nicht aufgegessen!»

      «Aber was in aller Welt hast du mit ihnen angefangen?» Werner hob den Kopf, als ob ihm der Mut wieder käme.

      «Ich – ich hab’ Pf-Pfahlbauten draus gemacht.» Er sah stolz im Kreis herum, weil er das schwere Wort hatte sagen können. – «Pfahlbauten –? was sagt er da –?» fragte Papa sehr belustigt. «Das wird ja immer merkwürdiger. Komm her, du kleiner Prähistoriker, und erzähle uns, wie man Pfahlbauten macht aus den Zipfeln von Butterhörnchen!»

      «Ich hab’ es so gemacht wie – Hans und Marianne und Lotti.»

      «Aha», sagte Papa. «Also steckt ihr Großen hinter der Geschichte. Wartet nur, ihr kommt nachher an die Reihe! Nun, mein Wernermann, willst du uns wenigstens mitteilen, wo du deine interessanten Pfahlbauten angelegt hast?»

      Werner schüttelte den Kopf; er wurde nun wieder fast übermütig. Erst nach vielem Drängen gab er nach und lief den andern voraus in den Garten zu einer abgelegenen Ecke, wo ein paar dichte Fliederbüsche standen. Die kleine Schaufel, die Werner geschenkt bekommen hatte, lag da auf der Erde.

      Hans fing an zu graben; die «Pfahlbauten» steckten nicht tief. Aber wie sah das schöne Brot aus! von der feuchten Erde ganz schwarz und ungenießbar. Die Kinder wollten den Kleinen necken. Was das für ein Einfall war von dem Wernerlein!

      Aber Mama fand, daß er doch ein wenig Strafe verdiene: «Du siehst nun, denke ich, doch ein, daß du etwas sehr Dummes gemacht hast und etwas Unrechtes dazu. Darfst du denn eigentlich vom Tisch wegnehmen, was dir nicht gehört, und es verderben? – Nun geh nur zu Sophie, daß sie dir das Werktagskleidchen anzieht; in diesem Schmutz wollen wir dich nicht sehen. Und laß dir ein Stück Brot in der Küche geben. Was du von den Butterhörnchen übrig gelassen, das reicht kaum für uns; du bekommst natürlich nichts davon.»

      Werner zog ein Mäulchen und weinte ein wenig; dann lief er zu Sophie. – «Nun möcht’ ich aber doch wissen, Kinder», begann Papa, «wie Werner auf die Pfahlbauten gekommen ist und was für wunderliches Zeug ihr ihm vorgemacht habt!»

      Die Kinder sahen einander an und lachten.

      «Ach, Papa, das war ganz anders. Das war etwas sehr Ernsthaftes, was wir taten, und Werner hat zugeschaut; aber er hat es natürlich gar nicht verstanden!»

      «Also heraus denn mit dieser sehr ernsthaften Sache! Ihr macht mich wirklich neugierig!»

      Ja, das war eine lange Geschichte, und wenn man ganz von vorn anfangen wollte, waren es eigentlich zwei.

      An einem Samstagnachmittag, zwei Wochen vor dem Ereignis mit den Butterbrötchen, kam Hans aus dem Hause mit einem großen, weiten Einmachglase, das Mama ihm geschenkt hatte.

      Marianne und Lotti richteten eben am See die Puppenbadeanstalt wieder her, die sie tags zuvor aus kleinen Pflöcken und Schindeln gebaut hatten, die aber von den Dampfschiffswellen zerstört worden war. Die Porzellanpüppchen warteten im Sand.

      «Kommt!» sagte Hans. «Wir gehen ins Klaregg hinaus und sehen, ob wir dort etwas finden für unser Aquarium.»

      «Ins Klaregg –! Gleich, Hans!» rief Lotti, packte schnell mit Marianne die Badepüppchen zusammen und holte die Hüte.

      Die drei Kinder gingen zwischen den Weißdornhecken und Feldern hinaus zum Klaregg. Hans trug das Glas, Marianne eine Botanisierbüchse und Lotti ein altes Schmetterlingsnetz, mit dem man auch fischen konnte. Das Klaregg lag wie die Seeweid am Wasser. Es bildete eine kleine Halbinsel, die in den See hinausragte und von einem Bach durchflossen war. Ringsum standen Weiden und Erlenbüsche; dazwischen gab es kleine Wassertümpel und Teichlein, in denen allerlei lustiges Getier sein Wesen trieb: kleine Frösche und große stattliche mit grünem, gestreiftem Rücken und weißem Bauch. Die konnten schwimmen und tauchen, als ob sie es beim Schwimmlehrer gelernt hätten. Und ihre Kleinen, wie sahen die lächerlich aus! Dicke dunkle Köpfe und ein kleiner Schwanz dran; das war alles. Lotti konnte immer gar nicht glauben, daß aus diesen komischen schwarzen Fischlein Frösche würden mit richtigen vier Beinen. In einem anderen Wasserloche tauchten tief aus dem Grunde schwarze Molche auf in schlängelnder Bewegung. Auf der Unterseite waren sie goldgelb. Auch seltsame Käfer oder Spinnen fuhren da auf dem Wasser herum wie Schlittschuhläufer. Und auf dem trockenen steinigen Land, wo weißer Klee und blaue Salbei wucherten und wo es so gut nach Thymian roch, huschten prächtige Eidechsen hin und her, bräunliche und smaragdgrüne. Wenn man eine in die Hand nahm, konnte man sehen, was für eine schöne Zeichnung die kleinen Schuppen bildeten und welch hübsche, goldglänzende Äuglein das kleine Tier hatte, das seine lange zweispitzige Zunge zeigte und blitzschnell wieder einzog.

      Die Turnachkinder hatten eine große Liebe zu allen Tieren. Aber leider war Mama mit dieser Liebe nicht immer einverstanden.

      «Wenn ihr die Tiere fangt und herumschleppt», sagte sie, «tut ihr ihnen gar nichts Gutes. Am liebsten haben sie es, wenn ihr sie in Ruhe laßt.»

      «Oh, Mama, wir tun ihnen nicht weh. Die Eidechsen tragen wir bloß in den Garten. Da können sie ja so gut leben wie im Klaregg. Das ist dann so hübsch, wenn wir sie immer wieder auf den Gartenwegen sehen! Und den Fröschen und Molchen tun wir Sumpfwasser in das Einmachglas und Schlammpflanzen und als Insel einen Stein; da können sie hinaufsitzen, wenn sie gern wollen im Trockenen sein. Bitte, Mama!»

      Da erlaubte denn Mama, daß die Kinder

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