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kam man glücklich hinaus auf den freien See. Dann nahm Marianne die Sitzruder, die am Boden lagen, und hängte sie ein. Sie ruderte schon ganz schön mit Hans im Takte. Manchmal versuchte es auch Lotti, obgleich Hans nicht viel hielt auf ihr Geruder, wie er es nannte.

      Eine besondere Freude hatten die Kinder, wenn Mama mit dem Schwesterlein und mit Werner an der Gartenmauer stand und zusah, wie die drei vorbeiruderten. Für Werner war es zwar zuerst immer ein Schmerz gewesen, nicht dabei zu sein. Er durfte nur mit, wenn ein Erwachsenes im Schiffe war. Nach und nach hatte er sich aber drein gefügt und schrie jedesmal lustig: «Hurra, hurra! ich darf dann mit Papa fahren!»

      Er hatte eine kleine Trompete, auf der man ihn blasen hieß, wenn die Kinder hereinkommen sollten. Dieses Mittel machte er sich bald zunutz und rief die Geschwister mit seinen Trompetenstößen heim, so oft es ihm einfiel. Natürlich zankten sie deswegen mit ihm.

      «Also, siehst du, Werner», erklärte ihm Hans, «wenn du wieder bläst, ohne daß man dich heißt, dann trauen wir dir nicht mehr und kommen auch nicht, wenn es gilt. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht.»

      «Ich habe nicht gelügt», verteidigte sich Werner. «Wenn ich im Garten spaziere und Trompete blase, weil es mir langweilig ist, dann hab’ ich nicht gelügt!»

      Die Kinder lachten über das possierliche «gelügt» und weil Wernerlein sich so schlau herauszureden versuchte.

      Die Turnachkinder richteten ihre Fahrten womöglich auf die Zeit, da ein Dampfschiff vorbeifuhr. Hans wendete dann mit ein paar starken Ruderschlägen, so daß der Kiel die daherziehenden Wellen schnitt. Es war prächtig, wenn man so auf und ab geschaukelt wurde.

      «Eigentlich fein ist’s erst, wenn man recht nah beim Dampfschiff ist», sagte Hans. «Da geht’s hoch hinauf und dann hinunter, daß man fast meint, man versinke. Nächstes Jahr darf ich hoffentlich weiter hinaus. – Jetzt wollen wir zu den Steinen rudern, wo die jungen Fische sind.»

      Die Steine waren große Blöcke, die überall längs den Ufermauern aufgeschüttet waren, damit die anschlagenden Wellen die Mauer nicht zerstörten. An der Ecke des Rittmergutes waren jetzt, am Anfang des Sommers, eine Unmenge von ganz kleinen Fischen zu sehen. Zu Hunderten und Hunderten schwammen sie da, so dicht ineinander, daß sie das Wasser verdunkelten. Fuhr man in sie hinein, so flohen sie nach allen Seiten, konnten aber in ihrem eigenen Gewimmel gar nicht schnell genug entkommen. Da schossen denn die einen sogar aus dem Wasser auf und in weitem Sprunge darüber hin. Es war, als ob kleine silberne Blitze aus dem grünblauen Wasser aufsprühten, um im nächsten Augenblick wieder zu versinken.

      Am lustigsten aber war es, wenn man irgendwo an einer seichten Stelle auffuhr.

      «Kann man da noch drüber oder nicht?» war jedesmal die wichtige Frage. Um sie zu lösen, fuhr man frisch drauflos, bis das Schiff auf den Kieseln des Grundes knirschte und man feststeckte. Dann griff Hans nach einem Sitzruder und begann zu stacheln, während Marianne mit dem andern hantierte. Lotti saß auf der Mittelbank und schrie: «Fest, Hans, fest –! Marianne, du tust falsch –! links – links!» Einmal wurden sie gar nicht mehr flott. Da hieß Hans Marianne und Lotti aussteigen, damit das Schiff leichter werde. Als sie die Schuhe und Strümpfe ausgezogen hatten und im Wasser standen, das ihnen nicht viel über die Knöchel ging, kam wirklich Hans mit einem tüchtigen Stoße los.

      «Halt, halt!» riefen die Mädchen; «nimm uns doch auch mit!»

      Aber Hans fuhr im Übermut davon, ganz weit weg. Da erhoben die Mädchen ein Geschrei. Ans Land konnten sie nicht waten, weil dorthin der Grund wieder tiefer wurde.

      Balbine, die eben im Gemüsegarten nach dem Erbsenbeete sah, kam ans Ufer gelaufen. Sie war nicht an einem See aufgewachsen und deshalb sehr mißtrauisch gegen alles Schiffen und Rudern.

      «Kinder, Kinder!» jammerte sie; «du liebe Güte! wie kommt ihr da hinaus! Ich rufe Sophie oder Jakob –»

      Sie eilte zum Hause, ohne in der Bestürzung zu sehen, daß Hans in einem schönen Bogen eben wieder zu den ausgesetzten Schwestern zurücklenkte. Aber die Kinder schrien ihr nach: «Balbine, Balbine! es war nur ein Spaß. Er holt uns wieder!» Balbine blieb stehen.

      «Wartet ihr –!» brummte sie und drohte mit dem Finger. «Es wird noch gehen wie beim Werner und seiner Trompete: Wenn ihr einmal recht in der Klemme seid, hilft man euch auch nicht.»

      «Ach, Balbine», sagte Hans, der nahe herfuhr. «Wir kommen nicht in die Klemme! Willst du vielleicht ein wenig mitfahren?»

      «Ich danke, ich danke höflich! Was mich betrifft, ich bleibe auf dem Lande und bewege mich auf meinen zwei Füßen; da weiß ich doch, woran ich bin. Dieses Wassergeschwampel ist mir höchst verdächtig.»

      Damit ging Balbine zurück zu ihrem Erbsenbeet. –

      Einen wirklich großartigen Charakter aber nahmen die Schiffahrten an, wenn Onkel Alfred oder Fritz Völklein dabei waren. Fritz Völklein war der Großneffe von Frau Völklein. Er wohnte in der Nähe der Seeweid und kam sehr oft zu seiner Tante. Er war schon fünfzehn Jahre alt, stark und gewandt und ruderte ausgezeichnet. Auch hatte er etwas Vorsichtiges, Besonnenes. Mit ihm ließ Frau Turnach die Kinder überall hinfahren, seeauf, seeab und querüber. Wenn sie noch so lange nicht heimkamen, sie ängstigte sich nicht.

      Die Kinder kannten auch nichts Schöneres, als mit Fritz Völklein zu fahren.

      «Zuerst zum Färberschiff!» hieß es dann meistens. Das Färberschiff war ein plumper, viereckiger Kahn mit einem großen Tisch in der Mitte und einem festen Dach. Das Schiff lag draußen auf dem See und war durch eine eiserne Kette gehalten, die am Grund befestigt war. Meistens sah das Wasser ringsum dunkelrot oder violett aus von den Garnstrangen, die hier ausgewaschen wurden. Wenn die Färber nicht da waren, konnte man in das komische Schiff hinübersteigen. Das war ein Hauptspaß. Aber man durfte es nur tun, wenn Fritz Völklein oder Onkel Alfred dabei waren.

      Manchmal brachte Onkel Alfred ein eigenes kleines Boot aus der Stadt mit. Dann wurde ein wundervolles Spiel gespielt. Das Färberschiff war Sankt Helena, weil es da draußen lag wie eine Insel im Meer. Hans war Kaiser Napoleon der Erste, den man auf die Insel Sankt Helena verbannt hatte mit seinem Gefolge, das aus Marianne und Lotti bestand. Fritz Völklein war der englische Feind und fuhr bewachend um die Insel. Wenn er ihr aber einmal den Rücken drehte und weiter hinausfuhr, kam Onkel Alfred als Anhänger Napoleons mit seinem Schoner daher, um Napoleon zu befreien. Es war sehr aufregend, bis der Kaiser und sein Gefolge in dem französischen Schoner geborgen waren. Denn der Kapitän der englischen Brigg nahm die Einschiffung wahr und schoß in großer Eile herbei, um den Fluchtversuch zu vereiteln. Nun entstand eine wilde Jagd auf dem See. Napoleon selbst mußte mitrudern. Die englische Brigg bemühte sich, zuvorzukommen und den Hafen zu versperren. Manchmal gelang es trotzdem, den Kaiser und sein Gefolge auf Frankreichs Boden zu setzen. Oft aber kam die englische Brigg dem französischen Schoner so nahe, daß der Kapitän die Kette hinüberwerfen konnte; das war das Zeichen, daß Napoleon gefangen war und mit seinem Gefolge wieder nach Sankt Helena zurück mußte.

      Schade war es, wenn mitten im Spiel Werner mit seiner Trompete auf der Gartenmauer erschien, und neben ihm Sophie, zum Zeichen, daß es Ernst gelte und daß die Trompetenstöße als Ruf zum Abendessen zu nehmen seien.

      Der Mai war dieses Jahr schön und warm gewesen. Am 27. nachmittags hatte das Seewasser schon 16 Grad gehabt, und es konnte jetzt mit dem Baden begonnen werden. An der Mauer des Obstgartens stand, in den See hinausgebaut, das nette alte Badhaus. Hans machte immer den Anfang und war schon im Wasser, wenn die Mädchen in ihren roten Anzügen auf der Treppe erschienen.

      «Es ist prachtvoll!» schrie er. «Ganz warm! Kommt nur!»

      Ganz warm –? nein – Lotti, die mit der Fußspitze hineintippte, fand es eher kalt. Sie blieb ein Weilchen auf der Stufe stehen; dann stieg sie langsam zur folgenden hinunter.

      «Au –!» Sie zog die Achseln in die Höhe.

      Nun kam aber Hans: «Wart, Lotti; ich will dir helfen. Ich weiß ein Mittel, da bist du im Augenblick im Wasser –»

      Damit fing

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