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      Nun begannen sie das Loch tiefer zu graben; es war mühsam; denn die Erde war von vielen feinen Wurzeln durchzogen.

      Auf einmal hörte man Werners Stimme: «Marianne! Lotti! Marianne –!»

      «Seid ganz still!» befahl Hans. «Wir können ihn nicht brauchen. Es ist ein Geheimnis, was wir da tun. Wenn man es erfährt, gräbt man uns am Ende die Sachen wieder aus.»

      «Lotti –! Marianne!» rief der kleine Werner wieder.

      «Nein, das kann ich nicht hören», sagte Marianne. «Er will so gern mit uns spielen, und Mama sagt auch immer, wir sollen ihn bei uns haben.»

      Sie ging und holte den kleinen Werner.

      Werner kam eilig daher gelaufen, so daß das Glöcklein, das er zum Spaß um den Hals gebunden hatte, hell klingelte.

      «Werner», rief ihm Lotti zu, «wir machen Pfahlbautenaltertümer.»

      «Ach, Lotti», entgegnete Hans, «du sagst es immer falsch. Wir sind doch keine Pfahlbauer!»

      Dem Werner hingegen gefiel das Wort sehr gut.

      «Ich will auch Pfahlbauten machen!» rief er und versuchte in das Loch hinunterzusteigen.

      «Halt, mein Sohn!» wehrte Hans. «Das geht nicht. Du kannst dahin stehen und zusehen. Zuerst aber mußt du uns versprechen, daß du gar niemand ein Wort sagst. Das hier ist ein Geheimnis. Aber du bist noch so schrecklich klein und dumm und kannst nicht schweigen.»

      «Gar nicht schrecklich klein!» verteidigte sich Werner. «Papa hat mich gemessen. Ich bin – so viel größer!» Werner streckte seine flache Hand, so hoch er konnte.

      Die Kinder lachten.

      «Schweigen kann er eigentlich schon», sagte Marianne. «Mama hat ihm meine Geburtstagspuppe gezeigt, und er hat nichts gesagt.»

      «Weil man ihn gleich zu Bett legte und am andern Morgen der Geburtstag war!» erwiderte Hans.

      Aber Marianne gab dem Kleinen einen Kuß: «Ja, ja, du bist ein lieber, kluger, großer Bub!»

      Nun sah Werner zu, wie die Arbeit weiterging. Hans holte bei der Scheune einige Dachziegel, die schon lange dort gelegen hatten, und formte eine Art Gruft, in die man die Sachen hineinlegte. Dann zog Hans eine Scherbe von einer Schiefertafel aus der Tasche und einen Nagel und ritzte die Jahreszahl und die Namen der Gegenstände ein.

      «Es geht sehr schwer so», sagte er. «Aber ein Blatt Papier würde vielleicht nicht halten.»

      «Reden die Leute in 4000 Jahren auch deutsch?» fragte Lotti.

      Hans besann sich: «Nein, sie reden jedenfalls eine neue, andere Sprache; aber es macht nichts. Sie haben dann Gelehrte, und die können alle alten Sprachen.» – «Oh, und nun auch noch unsere Namen darunter!» bat Marianne.

      «Du, und schreib noch: Freundlichen Gruß. Das ist dann nett, wenn das neue Volk das liest», sagte Lotti.

      Hans ritzte den freundlichen Gruß und die Namen ein.

      «Hans, Marianne und Lotti Turnach», buchstabierte er langsam während des Schreibens.

      «Mich auch schreiben!» rief Werner, der mit großem Vergnügen sah und hörte, was vorging.

      «Dann mußt du aber auch etwas dazu geben», sagte Hans. «Gib dein Glöcklein!»

      Aber Werner schüttelte sehr bestimmt den Kopf und hielt sein messingenes Glöcklein fest.

      «Nicht? Ja, dann gehörst du also nicht dazu, und ich kann auch deinen Namen nicht daher schreiben.»

      Nun wurden über die kleine Gruft noch zwei Ziegel gelegt. Ein Weilchen schauten die Kinder, ohne etwas zu sagen, hinunter und dachten an das Volk, das die Sachen ausgraben würde. Es war seltsam, daran zu denken. Schließlich warfen sie Erde darauf, bis alles wieder aufgefüllt war. Marianne hob ein paar Unkrautbüschel mit der Erde aus, damit Hans sie über der Gruft einpflanze. So sah alles natürlich aus; niemand konnte ahnen, daß da drinnen etwas begraben liege.

      Sehr befriedigt von ihrer Tat liefen die Kinder zum Hause zurück. Werner folgte langsam nach, und in seinem kleinen Kopf dachte er sich aus, daß er einmal ganz allein «Pfahlbauten» machen wolle. Und so geschah es, daß er an jenem Sonntagmorgen die Zipfel der Butterhörnchen im Garten unter den Fliederbüschen vergrub. Warum es allerdings gerade das schöne Sonntagsgebäck sein mußte, das hat kein Mensch jemals begriffen, der kleine Mann selbst wahrscheinlich am allerwenigsten.

      Vom Rudern und Schwimmen

      Das Schönste in der Seeweid war natürlich das kleine Schiff, das in der Bucht an der Gartenmauer lag. Jeden Tag wurde mindestens eine Fahrt unternommen. Marianne und Lotti hatten allerdings recht gehabt; Hans konnte noch nicht so gut rudern wie Papa; immerhin wußte er schon ordentlich mit dem Schiff umzugehen, so daß Papa gleich am Anfang erklärt hatte, Hans dürfe dieses Jahr allein hinausfahren.

      «Und wir mit, Papa!» hatten Marianne und Lotti gebeten.

      «Ja, ihr mit. Es muß nur alles vernünftig geschehen.»

      «Und», sagte Mama, «an ein paar Gesetze werdet ihr euch zu halten haben. Einmal wirst du nicht denken, Hans, man lasse dich gleich über den ganzen See fahren. Ich will euch, wenn ich vom Garten hinaussehe, im Auge haben.»

      «Natürlich», stimmte Papa bei. «Ihr fahrt nicht weiter hinaus als – sagen wir einmal: als dreißig Ruderschläge vom Lande weggezählt.»

      «Papa, das ist furchtbar wenig», wendete Hans ein.

      «Dreißig Ruderschläge vom Lande weg. Dann seeaufwärts bis –»

      «Bis zum Färberschiff, Papa!» schlug Marianne vor.

      «Gut, bis zum Färberschiff. Und abwärts bis zum Rittmergut. Verstanden, Hans?»

      «Ja, Papa.»

      «Selbstverständlich fahrt ihr nur bei ganz ruhigem See hinaus. Steigt ein Wind auf, während ihr draußen seid, so kommt ihr sofort herein und wartet nicht, bis man euch erst ruft.»

      «Dürfen wir durch das Schilf fahren, wo es recht dicht ist?» fragte Lotti.

      «Jawohl!» antwortete Mama. «Da kann nichts geschehen, als daß ihr stecken bleibt.»

      «Dann steigen wir aus», sagte Lotti. «Da wo das Schilf steht, geht mir das Wasser nie höher als bis ans Knie. Und dann stoßen wir das Schiff los und steigen schnell wieder ein; gelt, Hans?» Lotti sah dieses Abenteuer schon vor sich.

      Das Wassergebiet zwischen dem Färberschiff und dem Rittmergarten, das Papa den Kindern zugewiesen hatte, war allerdings nicht sehr groß für Hansens Tatenlust. Aber die Schiffahrten gestalteten sich doch äußerst abwechslungsreich.

      Schon allein das Wegrudern –! Das Schiff war meistens auf das Land heraufgezogen und mit der Kette an einen Pflock befestigt. Hans machte es los und schob es etwas ins Wasser; Marianne und Lotti stiegen ein; Hans faßte den Kiel und stieß das Schiff mit aller Kraft hinaus; im letzten Moment schwang er sich platt auf das Sitzbrett der Spitze.

      Es begegnete oft, daß Hans ein bißchen mit dem Schiff ins Wasser hineinlief. Aber das schadete nichts.

      «Ein Seebub hat bald trockene Füße, bald nasse, wie’s grade kommt», sagte Jakob.

      Die zweite Schwierigkeit war, aus der schmalen, auf beiden Seiten mit Mauern eingefaßten Bucht herauszukommen. Hans mußte mit den Stehrudern rückwärts fahren. Bald kam er zu stark links, bald zu weit rechts.

      «Ui!» rief Marianne, «wir bekommen alle Augenblicke einen Puff!»

      «Das ist lustig; das macht nichts!» meinte Lotti.

      «Euch nicht, aber dem Schiff!» sagte Hans. «Ich kann nicht recht rückwärts sehen; sagt mir die Richtung ein wenig!»

      «Links – rechts! rückwärts! stopp –», kommandierten die Schwestern.

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