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Minute später kommt für Guardiola der 36-jährige Zentralverteidiger José Ramón Alexanko auf das Spielfeld, der bereits im zwölften Jahr bei Barça spielt und dem Cruyff nun noch einige Minuten schenkt.

      Nicht nur rein sportlich betrachtet ist der FC Barcelona der Saison 1991/92 ein Dream-Team. Andoni Zubizaretta: „Barça spielte damals auf einem außerordentlich hohen Niveau, aber gleichzeitig gab es unter den Spielern starke menschliche Beziehungen, die von gegenseitigem Respekt und Bewunderung gekennzeichnet waren. Gemeinsam bildeten wir ein ganz besonderes Team, in dem es weder einzelne Stars noch Hauptdarsteller gab.“ Auch in dieser Beziehung wird der 1992er Europapokalsieger dem späteren Trainer Guardiola als Blaupause dienen.

      „Ja la tenui aqui“

      Nach der Ausrufung der Zweiten Republik 1931 war Katalonien innerhalb des spanischen Staates eine Selbstverwaltung gewährt worden. Die autonomen Institutionen wurden in der Generalitat zusammengefasst. Unter dem Franco-Regime wurde Kataloniens Autonomie zerschlagen, von 1939 bis 1977 existierte die Generalitat nur im französischen Exil. Ihr Präsident war seit 1954 der Linksrepublikaner Josep Tarradellas von der ERC, die in Spanien nach dem Bürgerkrieg verboten worden war. Erst am 2. August 1977 wurde die ERC im Zuge der Demokratisierung Spaniens wieder als Partei zugelassen. Einige Wochen später, am 29. September 1977, war auch die Generalitat wiederhergestellt, allerdings zunächst nur provisorisch.

      Am 23. Oktober kehrte Josep Tarradellas aus dem französischen Exil nach Barcelona zurück, begeistert empfangen von einer 300.000-köpfigen Menschenmenge auf der Placa de Sant Jaume, dem politischen Herzen Barcelonas, wo sich der Palau de la Generalitat und das Rathaus gegenüberstehen. Vom Balkon rief Tarradellas seinen Anhängern zu: „Ciutadans de Catalunya, ja sóc acqui!“ („Bürger Kataloniens, ich bin wieder da!“) Tarradellas wurde Präsident einer provisorischen katalanischen Einheitsregierung, die nun ein neues Autonomiestatut für Katalonien erarbeitete.

      Wenige Tage nach seiner Rückkehr wurde das Idol des katalanischen Widerstands von Barça-Generalsekretär Joan Granados aufgesucht, der Tarradellas zum nächsten Heimspiel der Blaugrana einlud. Vor dem Anpfiff wurde zu Ehren Tarradellas eine gigantische katalanische Fahne auf dem Spielfeld ausgebreitet. Über 90.000 Zuschauer erhoben sich von ihren Plätzen, applaudierten und brachen in ekstatischen Jubel aus. Auf der Ehrentribüne stand Josep Tarradellas neben Barça-Präsident Augustin Montal, hinter ihm verkündete ein großes Schild: „BENVINGUT A CASA, PRESIDENTE!“ („Willkommen daheim, Präsident!“)

      In seiner Begrüßung sprach Montal von einem „großen Tag für die Tausende von Barça-Fans, die das Unmögliche getan haben, um den Geist Kataloniens wachzuhalten“. Tarradellas erinnerte an die Jahre 1911 bis 1921, in denen er als junger Fan Barças Spiele besucht habe, an die Jahre des aus der Schweiz stammenden Barça-Gründers und Präsidenten Joan Gamper, an die Starspieler Samitier und Alcantara. „Damals waren wir nur wenige, aber wir besaßen denselben Glauben wie ihr heute. Es war das Barça, das ihr geerbt habt – ein Barça, das im Katalanismus verwurzelt ist. Ganz Katalonien hat für die Freiheit gekämpft, die wir nun endlich erreicht haben. Ich bin mir sicher, dass ihr dem Katalanismus treu bleiben werdet, um Katalonien für ewig reich, für ewig stark, für ewig frei zu machen. Lang lebe Barça! Lang lebe Katalonien!“

      Knapp 15 Jahre später steht der 21-jährige Barça-Spieler Pep Guardiola mit dem „Henkelpott“ auf dem Balkon des Palau de la Generalitat und ruft der jubelnden Menge in Anlehnung an Tarradellas zu: „Ciutadans de Catalunya, ja la tenui aqui!“ („Bürger Kataloniens, hier habt ihr ihn!“)

      Olympiasieg und Supercup

      Nach dem Gewinn des Europapokals wird der 21-jährige Guardiola als „vielversprechendster Nachwuchsspieler der Europapokalsaison“ ausgezeichnet. Und die Saison ist für den Shootingstar noch nicht zu Ende.

      1986 hat Barcelona den Zuschlag für die Olympischen Sommerspiele 1992 erhalten. Seit der Verleihung des Autonomiestatuts 1979 hat sich die Stadt in einen Erneuerungsrausch gestürzt und sich radikal der architektonischen Relikte der Franco-Jahre entledigt. Im Vorfeld der Spiele erfährt die katalanische Metropole unter dem visionären und dynamischen sozialistischen Bürgermeister Pasqual Maragall eine kulturelle und soziale Renaissance und avanciert zum Mekka der Kreativen.

      Erstmals ist das olympische Fußballturnier ein U23-Wettbewerb. Ob die Spieler Profis oder Amateure sind, spielt keine Rolle. Trainer des spanischen Nachwuchsteams ist Vicente Miera, ein ehemaliger Spieler von Real Madrid. Vom FC Barcelona steht neben Guardiola auch der einige Monate ältere Albert Ferrer in der Startformation, mit Luis Enrique (Real Madrid) und Abelardo Fernandéz (Sporting Gijon) sind noch zwei spätere Barça-Akteure dabei. Ein weiterer Mitspieler ist der Stürmer Kiko von Atlético Madrid, der später behauptet: „Pep wurde geboren, um den Leuten zu erzählen, was sie tun sollen.“ Er könne sich vorstellen, dass Guardiola nach seiner Geburt den anderen Babys auf der Station erklärt habe: „Du gehst in dieses Bettchen und du in dieses.“

      Guardiola wird Kapitän der Olympia-Auswahl, die das Endspiel erreicht. Finalort ist das heimische Camp Nou, um das die A-Nationalmannschaft einen weiten Bogen macht, da die Katalanen sie nicht sehen wollen. Gegner sind die überraschend starken Polen. 95.000 Zuschauer kommen in die Barça-Arena, ansonsten ist das Zuschauerinteresse am reformierten Turnier mit einem Schnitt von unter 15.000 erbärmlich. Nach dramatischen 90 Minuten gewinnt Spanien mit 3:2, und Guardiola darf sich auch noch eine olympische Goldmedaille um den Hals hängen.

      Während der Olympischen Spiele schließt Guardiola Freundschaft mit dem neun Jahre älteren Wasserballspieler Manel Estiarte, der als „Michael Jordan des Waterpolo“ firmiert und auf 578 Länderspiele für Spanien kommen wird. Olympisches Gold gewinnt Estiarte allerdings erst vier Jahre später in Atlanta. Er stammt aus Manresa, wo Guardiola zur Schule gegangen ist und seinen ersten Vereinsfußball gespielt hat. Der Wasserballer wird zum engsten Freund Guardiolas. Als Estiarte seine Autobiografie veröffentlicht („Todos mis hermanos“ – „Alle meine Brüder“), schreibt Guardiola das Vorwort. Dem Trainer Guardiola dient Estiarte später als rechte Hand und persönlicher Berater.

      Dem Gewinn des Europapokals und des olympischen Fußballturniers folgt schon bald die nächste Trophäe. Im Frühjahr 1993 spielt der FC Barcelona als Gewinner des Europapokals der Landesmeister gegen Werder Bremen, dem Sieger im europäischen Pokalsieger-Wettbewerb, um den UEFA-Supercup. Bei der ersten Begegnung im Bremer Weserstadion, die unentschieden (1:1) endet, ist Guardiola nicht dabei. Im Rückspiel vor 75.000 Zuschauern im Camp Nou (in Bremen interessierten sich nur 22.096 für das Spiel) liegt Barça nach 48 Minuten durch Tore von Stoichkov und Goikoetxea mit 2:1 in Front, wobei es bis zum Abpfiff bleibt. Guardiola wirkt bis zur 79. Minute mit, dann betritt Salinas für ihn das Feld.

      Zusätzlich veredelt wird diese Phase für Guardiola, als er erstmals in die A-Nationalmannschaft berufen wird. Im September 1992 empfängt Spanien England zum Freundschaftsspiel (1:0), aber die Nachwuchshoffnung darf nur auf der Bank Platz nehmen. Einen guten Monat später, am 14. Oktober 1992, kommt es zum Debüt: In der Qualifikation zur WM 1994 reist Spanien nach Belfast. Die Begegnung mit den Nordiren endet torlos. Bis 2001 werden weitere 46 Einsätze bei Länderspielen folgen.

      Untergang in Athen

      Cruyffs Barça erreicht in der Saison 1993/94 ein zweites Mal das Finale der europäischen Königsklasse. Gegner ist der AC Mailand, und nicht nur der „kicker“ spricht vom „Duell der Giganten“ und „Traumfinale“: „Im Olympiastadion von Athen prallen am Mittwoch zwei verschiedene Systeme und Spielauffassungen aufeinander. Barça-Trainer Johan Cruyff ist ein glühender Verfechter des Offensivstils, seine Mannschaft spielt wohl den attraktivsten Fußball in Europa, die Abwehr um den langsam gewordenen Holländer Ronald Koeman aber gilt als Achillesferse. Umgekehrt hat sich Milan nach dem Ausfall der niederländischen Achse Gullit/Van Basten/Rijkaard zu einem Minimalisten-Team entwickelt.“

      Unter Arrigo Sacchi, einem der ersten „Systemtrainer“, hatte der AC Mailand einen für italienische Verhältnisse überraschend offensiven und unterhaltsamen Fußball gespielt und 1989 und 1990 den Europapokal der Landesmeister

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