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1494/95 in Neuland vor. Münzers Streckenführung über die Schweiz und das Rhônetal nach Katalonien und der Rückweg über Roncesvalles, Tours, Paris und Belgien folgte bekannten Wegen und entspricht teilweise der „Ober“- und die „Niederstraße“, die Hermann Künig von Vach 1496 in seinem Führer für Jakobspilger unterschied3. Handels-, Reise- und Pilgerwege waren häufig identisch.

      Den ersten Teil seiner Fahrt charakterisiert Münzer selbst in seiner Rede vor den Katholischen Königen in Madrid, die er dort gehalten haben soll. Der Bericht integriert diese rhetorische Leistung, die alle Erlebnisse der Reisegruppe auf die prägende Kraft der Katholischen Könige zuspitzt4:

      Heiligste und mächtigste Könige! Die Größe der Taten, die Eure Majestäten vollbracht haben, ist auf dem ganzen Erdkreis bekannt, und die Fürsten und Adligen Deutschlands sind voller Bewunderung, dass die Reiche Spaniens, die in der vergangenen Zeit wegen der zahlreichen inneren Kriege, des heimlichen Hasses und der privaten Interessen fast vollkommen erschüttert schienen, am Boden zerstört, dass diese Reiche nun ein Stern in so kurzer Zeit von der höchsten Zerstrittenheit zu einem so großen Frieden, zu einer so großen Ruhe und zu einem so großen fruchtbaren Zustand hat führen können.

      Weil viele dies nicht hätten glauben können, habe er sich mit seinen Begleitern selbst auf den Weg gemacht, um die Ergebnisse des königlichen Waltens in Augenschein zu nehmen. Und dann lässt er die Reise ab Katalonien Revue passieren, zunächst den Wiedererwerb der Grafschaft Roussillon: „Diese Grafschaft, die an den König Ludwig verpfändet worden war, gab dessen Sohn Karl freiwillig an Euch zurück und wollte, dass sie wieder Eurem Szepter unterstehe.“ Barcelona sei nach Rebellionen befriedet worden: „jetzt sahen wir sie [die Stadt Barcelona] aber unter Euren Auspizien wiederinstandgesetzt und in einem besseren Zustand.“

      Es folgen Bemerkungen zum bekannten Kloster Montserrat, zu Poblet, der Grablege einiger Könige, und schließlich zu Valencia und dem alten, erst vor kurzem durch die Katholischen Könige eroberten Granada. Dort herrschten schon neue Adelige, die Münzer – wie er sagt – Auskünfte gegeben hätten: „Wir wurden über die wichtigsten Dinge durch den Grafen von Tendilla und durch den ehrwürdigsten Herrn Erzbischof informiert“. Alhama, Malaga und Sevilla boten neue „Wunder“, denn „wir sahen einige neue Menschen, zu unseren Zeiten bisher unbekannt, die man aus den Ländern Indiens herbeigebracht hatte, den Ländern, die unter Euren Auspizien entdeckt wurden.“

      Auch am Hof des Königs von Portugal wurde die Gruppe „über die Dinge in Äthiopien und die südlichen Länder informiert“. Über Santiago, Salamanca und Toledo seien sie nun auf die „Urheber solch großer Taten“ gestoßen: „Wir kommen, ich sage es, zu den Königen, durch welche die Rechte des Herrn die Völker aufrichtete, Reiche unterwarf und neue Menschen entdecken ließ.“

      Die Rede spitzt alles – auch im Stil humanistischer Rhetorik – auf den Besuch bei den Katholischen Könige zu, und in der Tat könnte Münzer Aufträge König Maximilians und anderer zum Kontakt an den Höfen von Évora/Lissabon und Madrid mitgeführt haben. Weitere Motive für Münzers Reise lassen sich auch an der Verweildauer ablesen, denn auf der Iberischen Halbinsel hielt Münzer sich deutlich länger als in anderen Gegenden auf. Die Karte erschließt gut die etwas längeren Aufenthalte (in Spanien 14 Orte, in den anderen Gegenden, vor allem Westfrankreich und Flandern neun Orte).

      Münzers Reisen 1483/84 und 1494/95 (R. Hurtienne, V. Trenkle, Chr. Gürtler)

      1 Die Hauptaktivitäten lassen sich bündeln:

      2 Münzer traf nicht nur auf der Iberischen Halbinsel zahlreiche Händler und notierte Handelsgüter sowie Handelsströme. Dies scheint vor allen Dingen im katalanisch-valencianischen Raum, in Portugal und in Flandern der Fall gewesen zu sein. Bei diesen Kontakten traten oft die am Ort ansässigen Deutschen in den Vordergrund. Ob Münzer Aufträge zu Sondierungen besaß, ist allerdings nicht sicher. In diesen Zusammenhang gehören auch seine Notizen zu den zahlreichen Schätzen aus den Afrikareisen, die er nicht nur im Itinerarium, sondern auch in einem gesonderten Traktat niederlegte5. Wenn man die Bemerkungen zu Barcelona und Valencia mit denen in Portugal vergleicht, so scheint der Nürnberger Arzt die Zeichen der Zeit erkannt zu haben: Der künftige Handel würde mehr auf den Atlantik als auf das Mittelmeer ausgerichtet sein.

      3 Besonders die Besuche am Hofe Johanns II. in Portugal und am Hof der Katholischen Könige in Madrid könnten nicht nur auf politische Aufträge schließen lassen. Hier traf Münzer auch Vertreter des Humanismus wie Cataldus und Petrus Martir, deren Werke er erwähnt. Zum zweiten lobte er die Politik dieser Herrscher und die Erziehung der jungen Prinzen am Hof. Vielleicht „sichtete“ er sogar die Ehepartner zur Vorbereitung der 1496 stattgefundenen habsburgischen Doppelhochzeit6.

      4 Zahlreiche Bemerkungen zur Landschaft, zu den Distanzen, zu Vegetation, Flora und Fauna bieten dem Leser ein breites Spektrum zu den verschiedenen Pflanzen, aber auch zu Bewässerungsverfahren, Herstellung von Rosinen, Glas und Zucker oder zur Funktionsweise von Ölmühlen. Münzer interessierte sich für Gärten, Bewässerung, Pflanzen und Früchte, Bodenschätze, Heilquellen, Märkte, Preise, Handelsaustausch und Städtebilder. Nicht nur die Betrachtung einer „Kosmographie“, womit wohl die Karte des Fra Mauro gemeint ist, lässt die verschiedenen kosmographischen Interessen Münzers deutlich erkennen. Aufträge für den Nürnberger Gelehrtenkreis sind deshalb wahrscheinlich, ohne dass völlig klar wird, wie gezielt diese Aufgaben waren.

      5 Daneben waren die Interessen Münzers breit, Lehren und Praktiken des Islam, auch die Frage der Judenpolitik blieben auf der gesamten Reise eine wiederkehrende Thematik. Es ging ihm aber nicht nur um fremde Religionen, vor allem außerhalb Spaniens werden Heiligenzentren der Schweiz und Südfrankreichs ausführlich – auch mit Gedichten und Epigrammen – gewürdigt. Vielfach paarte sich dieses Interesse mit der Beschreibung von Reliquien und Kirchenschätzen. Der wirtschaftliche Sinn kam dem Nürnberger dabei nicht abhanden, denn mehr als einmal notierte er den Wert der einzelnen kostbaren Stücke. Die Abschrift aus dem Liber Sancti Jacobi in Compostela bietet ein Dossier, das sich nicht nur aus dem Interesse für Jakobus, sondern auch aus einem Faible für die Karlsepik speiste7.

      Handel, Politik, Religion und Wissenschaft dürften somit die vielfältigen Reisemotive Münzers charakterisieren. Münzers Wissensdrang war groß, er ging aber noch zuweilen über diese hier kurz skizzierten Interessen hinaus, denn der Nürnberger Arzt beschreibt – was in dieser Zeit noch die Ausnahme war – häufig und detailliert die Landschaft. Dazu traten religiöse Gebräuche – Reliquienkult und Mönchsgemeinschaften –, fremde Religionen, künstlerische Werke, Exotica, Universitäten, Apotheken, Spitäler und praktische Dinge, die seine Aufmerksamkeit erheischen. Dies reichte bis zur Organisation des Abwassersystems in Barcelona. Gewiss spielen auch Empfänge bei Hof eine Rolle, aber weniger als in den anderen Reiseberichten von Adligen und Patriziern.

      Dass Münzer das viele Neue häufig mit Bekanntem aus seiner Heimat verglich entspricht dem Bedürfnis, Unbekanntes zu begreifen, also auf den Begriff zu bringen8. Vergleiche finden sich zuhauf in Münzers Bericht. Münzer hat sich aber nicht nur deshalb auf den Weg gemacht, um sein bisheriges Wissen durch Anschauung zu bestätigen oder zu erweitern, wenn auch die curiositas, die manche für ein Merkmal der beginnenden Neuzeit halten, in seinem Itinerarium zuweilen erkennbar ist.

      Dies erschließt vielleicht auch sein Interesse an fremden Religionen. Im alten Reich Granada lebten nach der Eroberung durch die Katholischen Könige 1492 noch zahlreiche Muslime: Gebetsriten, Bestattungen und anderes interessieren den Nürnberger Arzt. Dieses Interesse wurde in Zaragoza fortgesetzt, denn dort erläuterte ihm angeblich ein „Priester“ der Muslime, wie es mit der Vielehe stehe. Trotz mancher Kritik lobte der Nürnberger Arzt aber die Arbeitskraft der Muslime, die ihm sogar in manchen Gegenden unentbehrlich erschien. Ganz anders war seine Haltung zu den Juden oder den als „Marranen“ bezeichneten neu getauften sogenannten Conversi, die Münzer am Mittelmeer, aber auch in Lissabon und immer wieder erwähnte und deren Ausweisung er kommentierte: Hier teilte er ganz die rigorose Politik der Katholischen Könige und war in seiner Meinung vielleicht auch von ähnlichen Tendenzen im Reich zu Ende des 15. Jahrhunderts mitbestimmt.

      Aber wie hielt er

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