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radiert, Bücher geschrieben. Wie würde es in den kalten englischen Zimmern sein?

      „Teure, liebe Cornelia“, wandte sich da Lord Nelson ihr zu: „Tochter meines toten Kameraden Knight, nun sind wir bald ganz auf Sie angewiesen. Niemand von uns kann Deutsch ausser Ihnen. Gutes Herz, wie sind wir froh, dass wir Sie haben! — Und nun komm, Emely“, ging er zu seiner grossen Freundin, „iss Weintrauben und guck steif Südwest. Wir fahren nach Wien. Man wird dich bestaunen und auf dem Bauche vor dir kriechen.“

      Lady Hamilton lachte unvermittelt auf, drehte sich in schönem Schwunge um, liess die Hände wie zwei sanfte Tauben auf seinen Schultern landen, neigte sich zu seinem Ohr und flüsterte eine ein klein wenig anzügliche Bemerkung über diese Art biblischer Schlangenmenschen. Da sie aber im gleichen Augenblicke an das Gesicht der Schlange in der kleinen Jesuitenkapelle denken musste, hob sie ihre Arme wieder, um sie wie zwei vom Sturm zerschmetterte Äste ihrer alten Mutter um den Hals zu werfen, und sie weinte laut und bitterlich, den Himmel und England anklagend.

      Herr Tyson rauchte abseits eine Pfeife. — Nelsons Augen vertrugen den Rauch nicht. — Herr Andersson widmete sich der wissenschaftlichen Sache und war in das Posthaus getreten, Brace zurrte am Gepäck, indem er auf die verrückte neue Kleidermode der Weiber fluchte, die nichts wiege und doch Platz genug beanspruche und immer in Gefahr sei, mitsamt den Koffern davonzufliegen.

      Währenddes war der lazzaronische Diener Gaetano, der seine Zofe Loinette rasch auf die Seite gezogen hatte und sie mit den Blicken verschlang, froh, dass sie nicht viel mehr als ein dünnes Hemd, kirschfarbenen Cretonne mit schmalen Stahlzwirntressen und zimmetfarbenen Bändern anhatte.

      Natürlich weinte auch die kleine Mary-Ann, schon aus Mitgefühl für ihre Herrschaft. Im Grunde aber war sie mächtig neugierig auf die weite Welt und freute sich auf den Schnee, von dem man ihr so viel erzählt hatte und auf die angenehme Kühle und die langen Nächte. Denn sie hasste eins, das war Schwitzen, und eins hatte sie furchtbar gern, das war Schlafen.

      Fatme nun konnte sich gar nicht um den Abschied kümmern. Sie musste ihre Strümpfe wechseln und ihre zerkratzten Beine bedauern und schimpfte auf arabisch mit der Meerkatze Mirza und dem Papagei.

      Nachdem nun das Hündchen Abukir sein Bein genugsam gegen die einzelnen Wagenräder gehoben und jedes Pferd einzeln bekläfft, sprang es auf den Kutschbock Nummer drei und begann einen Streit mit dem Äffchen, ohne sich von der Mohrin, die er nicht für voll nahm, begütigen zu lassen. Der Papagei schrie: Avanti! Avanti! Das war alles, was er konnte. Und Lord Nelson sah sich um, alles war bereit, die Postknechte runksten schon in den Sätteln.

      Da rief er mit mannhafter Fröhlichkeit: „Nun, aho, Freunde! Alle Lappen klar und backbord gebrasst und Anker auf, ade, Italien und See, ich geh!“ — Denn nun wollte er es schnell hinter sich bringen.

      Fatme.

      Da nahmen alle ihre Sitze wieder ein. Und die Postschwäger stiessen ins Horn und waren froh, dass sie loskamen; denn soeben nahte eine lange Reihe Frachtwagen vom Tal herauf, mit Baumwoll- und Seidenballen, Wein- und Ölfässern beladen. Fatme überliess ihren Kutschbock dem unartigen Viehzeug allein und hockte sich aufs Wagendach zwischen das Gepäck.

      Sie lehnte sich an den flachen, harteckigen englischen Sarg und hielt sich an der Harfe fest, die da unter ihrer verschabten Saffianhülle allerlei merkwürdige Töne von sich gab und mit den Grillen um die Wette zirpte. Sie meinte, alte Kinderweisen daraus zu hören, Gesumme von der Muhme hinter Schilfblattwänden und dann das Musikgeplärr hinter den immer verschlossenen Haremsfenstern. Da war es geborgen gewesen. Sie mochte gar nichts zu tun haben mit der weiten Welt. Aber Soldaten waren gekommen, Krieger des Sultans und Sklavenjäger, was wusste sie, und hatten sie durch die Wüste geschleppt als sie noch halb ein Kind war, und hatten sie verkauft auf dem Markte zu Stambul, und sie war an Murad Bei geraten, als er noch ein kleiner Unteroffizier war bei den Janitscharen, und hatte es ganz gut gehabt.

      Aber schnell war er emporgestiegen in der Sonne Allahs und war ein Schrecken der weissnäsigen Männer aus dem Westen. Die aber eines teuflischen Tages schlugen ihn, und er fiel in der Schlacht und ward von den Huris hingeführt zum siebenten Paradies, wo die Helden sitzen, gefallen im Kampfe mit den Ungläubigen. Und die ungläubigen Hunde raubten alles, bis in die geheimsten Frauenzelte drangen sie und nahmen, was sie fanden, und zogen zurück durch die Wüste, und einige desertierten und schleppten sie, kleine arme Fatme, Fatuma, mit, dass sie die Sprache spreche des Landes um Wasser und Brot.

      Wie kam es denn, dass sie nun wieder durch die Wüste sollte? War es das Ende nicht, dass sie an eine weisse Herrin geraten war, die gut zu ihr war oder böse, sie streichelte oder sie schlug, wie es Allah und ihrem weissen Gott gefallen mochte? Und dass kein Mann mehr Begehren trug nach ihrer schwarzen Schöne?

      Rings das Land tot, öde, Gestein, weiss wie Salz in der Wüste. Es war der Karst. Weiss und kahl wie aus bleichen Gebeinen aufgeschüttet.

      Herr Andersson kroch fröstelnd neben Herrn Tyson in den Wagen, und die hübsche Zofe nahmen sie als Pastete zwischen sich. Sir William schlief; alle andern druselten vor sich hin in der dumpfen Wagenwärme. Ab und an schrie der Papagei: Avanti! Und die Meerkatze streckte gekkernd den Arm durch die Trallen, um ihm eins zu rupfen, und zog ihn mit einem Schmerzensschrei wieder zurück.

      Und über allen hockte vergessen die Mohrin und blickte in eine wenig einladende Ferne schroff zerborstener Bergzacken, von denen soeben der letzte Sonnenwiderschein in eine endlos kalte Himmelswölbung entglitt. Und ihr Gesicht war uralt.

      Man kam über Sessana, über Prewald, nahm einen Imbiss im Wirtshaus zu den drei Schwestern, über die und deren geistlichen Tröster Seume so erquickend berichtet, als er ein Jahr später auf der Wanderung nach Syrakus einkehrte.

      Schief und dunstig stieg der Mond herauf, letztes Viertel. Man würde etwa mit Neumond in Wien einrücken. Das schien nicht ungünstig, und die Betrachtung darüber munterte Sir William sonderbar auf, so dass er, als man spät in der Nacht Adelsberg erreichte, sich sogar noch fähig erwies, eine Gesteinsprobe zu betrachten, die Gaetano pflichtbewusst unterwegs aufgesammelt hatte.

      „Tonschiefer mit proletarischem Marmordreck. Unmögliches Zeug!“ erklärte er. Dieser kernige Ausspruch deutete auf Gesundung. Und alle freuten sich.

      Schnee auf den Gipfeln.

      Am andern Morgen zählte man ärgerlich die Floh- und Wanzenstiche.

      Die Gegend blieb unerquicklich, die Strasse miserabel, und sie ging durchs sogenannte Birnbaumerland, wo nur wilde Heide, aber kein Birnbaum zu sehen war.

      Als man höher kam, sah man Gebirgsspitzen, und der Konsul bezeichnete sie mit Karawanken. Auch wies er bald auf andere, die schneebedeckt waren und zu den Steirischen Alpen gehören. Das ist ein ungewohnter Anblick für die meisten, die aus den Mittelmeerländern kommen, und ein feierlicher Augenblick, der erschauernd ins Herz weht. Die Negerin Fatme sagte fromm etwas von den weissen Zähnen Allahs. Übrigens hatte niemand bisher sich um ihre Bekehrung besorgt. Es ist im allgemeinen erhebend, jemand neben sich zu wissen, der bestimmt nicht in den Himmel kommt.

      Nelson aber gedachte der graurauhen Winterabende in England, da er einen weiten Weg zur Schule hatte und oft bis über die dünnen Knie im Schnee versunken war.

      Gaetano beispielsweise aber dachte nichts als an die schneeigen Schultern Loinettes, Loinette aber an ein Kupfer mit der weissen, strammen Hose des ersten Konsuls Frankreichs, Bonaparte; während die Hamilton schreckliches Verlangen empfand, eine Sahne-Gefrorenes zu verspeisen, was natürlich im Birnbaumerland nicht aufzutreiben war, und das zu Neapel am Geburtstag der Königin, der heute war, in Massen vorhanden gewesen.

      Sir William dachte wehmütig an seine weissen Haare, und Miss Knight fiel ein, dass in der feingestrickten Geldkatze, die sie für Lord Nelsons Geburtstag in Arbeit hatte, ganz gut wie hier gegen das Firmament ein wenig Weiss zu der dunkelblauen Seide stehen könne. Mutter Cadogan überzählte in Gedanken die Nachthauben ihrer Tochter und dann die übrige Wäsche, und wie lange man damit reichen würde. Denn sie war dafür verantwortlich und musste auch für Ersatz sorgen, hatte

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